Jüdischer Friedhof Klosterneuburg nach Sanierung am 8. November 2021
ORF/Nina Pöchhacker
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Kultur

Jüdischer Friedhof vor Verfall bewahrt

Der jüdische Friedhof in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) ist von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) an die Stadt übergeben worden. Drei Jahre lang wurde der Friedhof unter Aufsicht des Bundesdenkmalamts saniert.

Als „Haus der Ewigkeit“ oder „Haus der Lebenden“ werden Friedhöfe im Hebräischen bezeichnet. Die Totenruhe soll ewig andauern, anders als auf Friedhöfen anderer Religionen werden Gräber über Jahrhunderte erhalten. Die Grabpflege hat im Judentum eine dementsprechend hohe Bedeutung. In Klosterneuburg wurden nun drei Jahre lang Fundamente wiederhergestellt, Grabsteine restauriert sowie die Friedhofsmauer erneuert.

„Es bedeutet uns sehr viel, dass dieser Ort, dieses Haus des Lebens, die 650 Gräber, nun ein würdiges Ansehen bekommen haben und die Menschen hier in Würde ruhen“, sagte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien bei der Übergabe des Friedhofs an die Stadt Klosterneuburg. Die Stadt verpflichtet sich, den Friedhof mindestens 20 Jahre lang zu pflegen, das ist eine Bedingung für die Fördermittel aus dem Fonds zur Instandsetzung jüdischer Friedhöfe in Österreich.

Ort des Erinnerns, Gedenkens und Vermittelns

Die Aufgabe gehe aber darüber hinaus, so Klosterneuburgs Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager (ÖVP): „Es ist auch eine ideelle Ausseinandersetzung. Die Aufgabe heißt, an die Dinge zu denken, an die man vielleicht nicht mehr denkt, weil sie lange zurückliegen. Wir werden hier einen Beitrag leisten, dass jüdisches Leben in Klosterneuburg wieder lebendig ist.“ So soll der Friedhof auch ein Ort der Vermittlung jüdischer Geschichte werden. Laut IKG Wien ist etwa ein Schulprojekt geplant.

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Jüdischer Friedhof Klosterneuburg nach Sanierung am 8. November 2021
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Verfällt ein Friedhof, gehen auch Lebensgeschichten verloren: In Klosterneuburg etwa ist Gisela Weiss begraben, die erste Frau, die in Österreich in Astronomie promovierte.
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Im Judentum lässt man Gras oder Efeu über die Gräber wachsen
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Erinnerungssteine werden von Angehörigen auf den Gräbern platziert. Einige Grabsteine, so wie dieser, tragen auch Gedenkschriften an Verwandte, die in Konzentrationslagern ermordet wurden.
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Der Friedhof geht auf eine Epidemie zurück: Als 1873 zwei Klosterneuburger Juden an Cholera starben, durften sie nicht am Friedhof Währing in Wien begraben werden. Ein eigener Friedhof wurde gegründet.

Der Friedhof wurde 1874 eröffnet und wird auch heute noch belegt. „Anders als andere Friedhöfe in Österreich wurde jener in Klosterneuburg während der NS-Diktatur nicht zerstört. Die Gräber blieben zwar unberührt, aber auch vergessen“, sagte Hannah Lessing, Generalsekretärin des Fonds zur Instandsetzung jüdischer Friedhöfe und des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.

Die Sanierung kostet 640.000 Euro, ein Viertel kommt vom Land Niederösterreich, drei Viertel vom Fonds zur Instandhaltung jüdischer Friedhöfe in Österreich. Dessen Vorsitzender, Nationalsratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), warnte bei der Übergabe vor einer weltweiten Zunahme des Antisemitismus.

„Haben uns dieser Geschichte lange nicht gestellt“

„Wir fragen uns, warum und natürlich auch, was haben wir dagegen zu tun. Es ist nicht eine Frage der Jüdinnen und Jüden, gegen Antisemitismus zu kämpfen, sondern unser aller Aufgabe als Gesellschaft“, so Sobotka. Da sich am Dienstag die Reichspogromnacht zum 83. Mal jährt – vom 9. auf den 10. November 1938 töteten Nationalsozialisten in Deutschland und Österreich hunderte Juden und zerstörten Synagogen, Geschäfte und Wohnungen – sei es wichtig festzuhalten, dass „wir uns dieser Geschichte lange nicht gestellt haben. Wir haben sie unter den Teppich gekehrt. Und es ist mühevoll, sich dieser Geschichte zu stellen, so wie sie gewesen ist.“

Die Sanierung könne auch als Anstoß gesehen werden, die vertriebenen Nachkommen der Verstorbenen nach Klosterneuburg einzuladen, so Sobotka. In Niederösterreich gibt es noch 30 jüdische Friedhöfe. Der Fonds zur Instandhaltung restaurierte etwa schon jenen in Baden, derzeit wird in Waidhofen an der Thaya und Oberstockstall (Bezirk Tulln) gearbeitet. In Österreich sind 65 jüdische Friedhöfe erhalten.