Landwirtschaft

Zivildiener helfen Landwirten in Not

Wenn Bauern einen Arbeitsunfall erleiden, krank werden oder im schlimmsten Fall verunglücken, dann stehen die Höfe von heute auf morgen still. Das Land kann in solchen Härtefällen Zivildiener entsenden, etwa auf einen Betrieb in Harmannsdorf (Bezirk Horn).

„Wie wird das weiter gehen? Wer wird die Ernte machen? Wie soll das alles bloß funktionieren?“ Diese Gedanken gingen dem Landwirt Philipp Brandstetter durch den Kopf, als er in einer Erntemaschine eingeklemmt mit schweren Verletzungen auf die Rettung wartete. Bei Arbeitsunfällen steht bei Landwirten die Sorge um den eigenen Betrieb meist an erster Stelle. Wenn auf einem Hof eine Arbeitskraft unerwartet ausfällt, dann ist das mitunter existenzgefährdend.

In solchen Fällen können sich betroffene Bauern beim Land Niederösterreich oder beim Niederösterreichischen Bauernbund Hilfe suchen. Zivildiener springen ein, wenn kurzfristig niemand da ist, um die tägliche Arbeit am Feld oder im Stall zu verrichten.

Vom Traktor in den Rollstuhl

So auch auf dem Schmidahof in Harmannsdorf in der Gemeinde Burgschleinitz-Kühnring, wo Philipp Brandstetter neun Wochen später aus dem Rollstuhl heraus über seinen Hof blickt. Der Landwirt seufzt. „Es ist ein komisches Gefühl, weil ich es einfach nicht gewohnt bin, einmal weniger zu machen.“ Auf 85 Hektar baut der Bauer Zwiebeln, Kartoffeln und Sonderkulturen an. Mohn, Johanniskraut, Dille und Mariendistel sind seine Spezialgebiete. Daneben züchtet er auch noch gut 900 Puten auf dem Hof.

Bauer im Rollstuhl
Philipp Wied
Von einem Tag auf den anderen änderte sich das Leben des Landwirts

Der Fuß, mit dem er Mitte September bei der Zwiebelernte in die laufende Siebkette seines Zwiebelroders rutschte, liegt jetzt dick bandagiert auf der Fußstütze des Rollstuhls. „Der Schmerz war so groß, dass ich anfangs gedacht habe, der ganze Vorfuß wäre weg“, erinnert sich der Bauer. „Ich habe gezittert, dass meine Hand zehn Zentimeter auf- und abgewackelt ist.“ Im Spital konnten die Ärzte den Fuß bis auf einen Zeh retten. Doch bis Brandstetter wieder normal auftreten kann, wird wohl ein Jahr vergehen. Bis dahin sitzt er im Rollstuhl.

Neue Einblicke in andere Betriebe

Die aktive Arbeit am Schmidahof liegt jetzt in den Händen von Matthias Hinterhofer aus Pyhra (Bezirk St. Pölten). Der Zivildiener kam Mitte Oktober auf den Hof, nachdem sich Brandstetter Hilfe beim Land gesucht hatte. „Zum Glück gerade rechtzeitig zur Kartoffelernte“, erzählt der Landwirt.

Hinterhofer kommt selbst von einer Landwirtschaft. Nach seinem Einsatz auf dem Schmidahof wird er daheim den Betrieb übernehmen. „Durch den Zivildienst kann ich das Arbeitsleben auf einem anderen Hof kennenlernen“, erzählt der 20-Jährige. Auf dem Schmidahof haben es Hinterhofer vor allem die Puten und Sonderkulturen angetan: „So etwas sieht man nicht jeden Tag“. Dem Jungbauern gefallen auch die größeren und moderneren Landmaschinen, die mit GPS ausgestattet sind.

Zivildiener im Putenstall
Philipp Wied
Der neue Arbeitsplatz des Zivildieners

Einschlägige Erfahrung ist ein Muss, wenn man den Zivildienst in der Landwirtschaft absolvieren möchte. „Ganz wichtig sind der Traktorführerschein und natürlich der Einsatzwille“, erklärt die Zivildienstkoordinatorin Manuela Bartunek vom Landesamt für Landwirtschaftsförderung. Je nach Bedarf können die Zivildiener nämlich in ganz Niederösterreich eingesetzt werden. Derzeit arbeiten 22 Zivildiener auf 35 Höfen mit. Viele Zivildiener betreuen also zwei Höfe und wechseln wochenweise zwischen diesen hin und her.

Großes Interesse an Stellen

Interessenten für den Zivildienst in der Landwirtschaft müssen sich außerdem schon frühzeitig um die Bewerbung kümmern. Für 2022 sei man bereits komplett voll, erzählt Manuela Bartunek. Derzeit laufe die Planung für 2023. Das freut die Koordinatorin: „Einen Mangel an Interessenten gibt es nicht.“ Auch Matthias Hinterhofer schrieb seine Bewerbung damals über ein Jahr vor dem geplanten Antrittstermin.

Zwischen ihm und dem Bauern läuft die Abstimmung über die Arbeit schon nach wenigen Wochen problemlos. Am Anfang waren sie vor allem via Handy in Kontakt, mittlerweile ist der Bauer auch schon selbst im Rollstuhl auf dem Hof unterwegs, um Dinge zu erklären oder Anweisungen zu geben. „Bei uns ist ja zum Glück alles mit dem Stapler befahrbar und somit auch rollstuhlgerecht.“

Hinterhofer lebt unter der Woche auch auf dem Schmidahof, seinen Lohn bezahlen Land und Bauernbund gemeinsam. Für die Bauern bleibt lediglich ein Selbstbehalt von 1,50 Euro die Stunde. Die Einsätze dauern je nach Bedarf zwischen drei und neun Monaten.

Ein Gewinn für beide

„Matthias ist wirklich sehr gewissenhaft und ordentlich, das gefällt mir sehr gut“, lobt der Bauer seinen Nothelfer. Die Puten seien in seiner Obhut gut umsorgt, auf den Feldern sei der mit GPS-Technik ausgesäte Winterweizen sehr gut angebaut worden. „Er hat sich direkt in die neue Technik eingearbeitet“, erzählt der Hofherr. Hinterhofer ergänzt: „Ich bin die Arbeit ja von daheim gewohnt, deswegen war es recht leicht, sich in den Betrieb einzuleben.“

Im besten Fall ist der Zivildienst in der Landwirtschaft also ein Gewinn für beide: Der Zivildiener lernt einen neuen Betrieb kennen und der Hofherr kann sich in Ruhe auf den Genesungsprozess konzentrieren. Auf dem Schmidahof ist das gelungen.