Junge Landwirtinnen und Landwirte im Rinderstall
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Umwelt & Klima

Trends bei Jungbauern: Tierwohl und Bio

Wie die Landwirtschaft von morgen strukturiert ist, entscheidet die Generation jener, die Betriebe übernehmen. Einer aktuellen Studie nach setzen die Jungen künftig auf biologische, kleinstrukturierte Betriebsmodelle, die auf Tierwohl achten.

Die österreichischen Landwirtinnen und Landwirte sind vergleichsweise jung. Bundesweit wird jeder fünfte bäuerliche Betrieb von einer Person unter 40 Jahren geführt – laut Bauernbund so viele wie in keinem anderen EU-Land. Im EU-Durchschnitt sind es mit zehn Prozent halb so viele wie in Österreich.

In der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik ortet man in der überdurchschnittlich jungen österreichischen Landwirtschaft großes Entwicklungs- und Gestaltungspotenzial. Dieses wird durch eine breit angelegte Studie bekräftigt, laut der eine Mehrheit der jungen Landwirtinnen und Landwirte Überlegungen zu Tierwohl oder umweltfreundlicher Landwirtschaft anstellt.

Um herauszufinden, wo die Jungen Chancen und Risiken orten, wurden bundesweit mehr als 4.000 Schülerinnen und Schülern landwirtschaftlicher Schulen im Alter von 14 bis 16 Jahren nach deren Wertvorstellungen befragt. Ein zentrales Studienergebnis lautet: „Ein gutes Leben gelingt nur mit einer intakten Umwelt“.

Landwirtschaft ist jung und ökologisch

Die Landwirtschaft in Niederösterreich ist deutlich jünger als im EU-Schnitt. Wie tickt die nächste Generation und wohin will sie die Landwirtschaft weiterentwickeln? Der ORF Niederösterreich hat nachgefragt.

Mehr ökologisches Bewusstsein durch Klimakrise

Unter den abgefragten Ängsten junger Menschen stehen mittlerweile Klima- und Umweltschäden ganz oben. Der Studie zufolge erfüllen sie fast die Hälfte der jungen Landwirtinnen (47 Prozent) und jeden dritten jungen Landwirten (33 Prozent) mit großer Angst, knapp gefolgt von der Bedrohung durch den Klimawandel. Nur zehn Prozent der weiblichen und 18 Prozent der männlichen Befragten hatten davor keine Angst.

Das entspricht bei beiden Geschlechtern dem höchsten Wert unter allen im Fragebogen enthaltenen Ängsten – deutlich mehr als etwa Angst vor Krieg, Terror, Armut oder Einsamkeit. Damit zählen die steigende Umweltverschmutzung und der Klimawandel neben dem Zerfall der eigenen Familie zu den drei größten Ängsten unter Schülerinnen und Schülern von Landwirtschaftsschulen. Die zunehmende soziale Ungleichheit und die steigende Ausländerfeindlichkeit folgen etwas dahinter.

Tierwohl mittlerweile zweitwichtigstes Ziel

Als wichtigstes Ziel ihrer künftigen Tätigkeit nennen die angehenden Landwirtinnen und Landwirte die Aufgabe, „die Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen“. Zwei von drei Jugendlichen bewerten dies als sehr wichtig – der mit Abstand höchste Wert unter allen abgefragten Prioritäten.

Kalb im Stall
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Junge Landwirtinnen und Landwirte wünschen sich höhere Tierwohlstandards

Für Studienautor Leopold Kirner ist jedoch jener Wert besonders auffallend, der an zweiter Stelle folgt: der Wunsch nach hohen Tierwohlstandards. Damit unterscheide sich die nächste Generation erheblich von bisherigen. Zudem zeigten sich hier kaum Unterschiede zwischen Burschen und Mädchen. Bei beiden Geschlechtern war mehr als acht von zehn Jugendlichen ein hoher Standard für Nutztiere sehr wichtig oder wichtig.

Wunsch nach hohem Hoher Anteil an Bio-Landwirtschaft

Im europäischen Vergleich ist Österreich schon heute Bio-Vorreiter. Mit einem Anteil von 24,1 Prozent der bewirtschafteten Fläche liegt Österreich damit laut Auskunft des Europäischen Parlaments auf Platz eins, gefolgt von Estland und Schweden. Mittlerweile ist jeder fünfte Betrieb bio-zertifiziert.

Dieser Trend könnte – wenn es nach den Jungen geht – noch lange nicht zu Ende sein. Vor allem die jungen Frauen streben einen hohen Bio-Anteil an. Fast jeder zweiten Jungbäuerin war in der Umfrage eine umweltfreundliche Landwirtschaft mit vielen Biobetrieben sehr wichtig, bei den jungen Männern war es etwa jeder Dritte.

Bio-Anteil im Lebensmittelhandel
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Nicht nur der Anteil Bio-zertifizierter Betriebe steigt, auch die Ausgaben für Bio-Lebensmittel. Geht es nach den Jungen, wird dieser Trend fortgesetzt

Junge Frauen weisen Weg in landwirtschaftliche Zukunft

Ob bei Fragen zur biologischen Landwirtschaft oder auch zu Einstellungen zur Lebensführung oder sozialen Themen: Laut Studienautor Leopold Kirner zeichne die Umfrage unter angehenden Landwirtinnen und Landwirten speziell von jungen Frauen ein Bild als „Trendsetterinnen“ der Branche. Im Interview mit noe.ORF.at sagt Kirner, dass die Mädchen ein ausgeprägteres Gespür für Zukunftsthemen gezeigt hätten.

noe.ORF.at: Bei manchen Fragen Ihrer Studie zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Burschen und Mädchen, in anderen hingegen überhaupt nicht. Dennoch bezeichnen Sie in Ihrem Fazit speziell die Mädchen als „Trendsetterinnen“ der Branche. Warum?

Leopold Kirner: Frauen sind ganz stark in den Zukunftsthemen sensibilisiert – etwa wenn es um soziale Themen oder auch um Fragen der Ernährung geht. Aber auch bei Themen wie interkultureller Migration sehen sie die Chancen stärker. Außerdem fordern sie noch stärker als Burschen eine umweltfreundliche Landwirtschaft, weil sie ein ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein haben. Da haben wir signifikante Unterschiede zwischen Burschen und Mädchen festgestellt.

noe.ORF.at: Was unterscheidet die jungen denn von älteren Landwirtinnen und Landwirten?

Kirner: Die Mehrheit der jungen Menschen ist Tierwohl wichtig und mittlerweile an zweiter Stelle. Besonders interessant ist hierbei, dass es bei den Mädchen und Burschen keinen Unterschied gab. Ich hatte ihn erwartet, aber es gibt ihn nicht. Ebenso spielt es hierbei keine Rolle, ob die Befragten später einmal einen Hof übernehmen werden oder nicht.

noe.ORF.at: Schließen Sie daraus, dass Tierwohl künftig allgemein stärker in den Fokus rücken und forciert werden kann, wenn die Bereitschaft zu Verbesserungen bei der nächsten Generation höher ist?

Kirner: Auf alle Fälle, davon kann man ausgehen. Die Mehrheit der jungen Menschen schätzt Tierwohl mittlerweile als wichtig ein und das würde ich dafür werten, dass es in Zukunft möglich sein wird, hier künftig mehr auf Dialog zu setzen.

Leopold Kirner
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Studienautor Leopold Kirner geht davon aus, dass Verbesserungen beim Tierwohl bei den angehenden Leiterinnen und Leitern von Höfen mehrheitlich auf Gehör stoßen werden

noe.ORF.at: Unter den 17 abgefragten Ängsten war jene vor Umweltschäden bei den jungen Landwirtinnen und Landwirten am größten. Mit welchen Blick beurteilen die Jungen ihre Zukunft?

Kirner: Ganz oben auf der Liste stand eindeutig der Umweltschutz und danach gleich der Klimawandel, wobei sich hier zeigt, dass die Angst bei den Mädchen noch größer ist. Aber allgemein kann man sagen, dass diese zwei die großen zwei Ängste sind.

In Summe gibt es einige Ängste unter den Jungen, die ihnen ernsthafte Sorgen bereiten – das muss man schon so sagen und das hat mich auch ein bisschen negativ überrascht. Dennoch haben wir gesehen, – und das wiederum hat mich positiv überrascht – dass die Mehrheit trotz aller Ängste und Sorgen optimistisch in die Zukunft blickt.

Wir haben etwa abgefragt, ob sie feste Pläne für die Zukunft haben und ob sie Ziele haben. Hier hat sich gezeigt, dass die Schülerinnen und Schüler aus dem agrarischen Schulwesen optimistischer geantwortet haben als bei der vergleichbaren Jugendbefragung unter anderen Schultypen. Besonders ausgeprägt sind die Ziele und Pläne für die Zukunft bei Burschen bzw. bei jenen, die später einmal einen Hof übernehmen wollen.

noe.ORF.at: Das gewachsene Bewusstsein für Klima- und Umweltthemen haben Sie in Ihren Daten ja nicht nur beispielsweise aus dem Tierschutz abgelesen, sondern auch aus einer hohen Zustimmung zu biologischer Landwirtschaft. Ist die unter den Jungen noch ausgeprägter, obwohl sie in Österreich ohnehin schon überdurchschnittlich hoch ist?

Kirner: Die Ergebnisse zeigen uns, dass eine umweltfreundliche Landwirtschaft mit vielen Bio-Betrieben stark gewünscht wird von den jungen Menschen und dass sie hier eine hohe Affinität haben. Und zusätzliche wird dies durch eine andere Frage bestätigt, bei der wir nach der Strategie für eine Hofübernahme gefragt haben.

Und da ist eine wesentliche Strategie eine Qualitätsstrategie, also indem man beispielsweise an Marken- oder Tierwohlprogrammen teilnimmt oder an jenen, in denen besonders hohe Wertschöpfung erzielt wird. Das sind auch Themen des Bio-Landbaus, denen besonders stark zugestimmt wurde und das deutlich mehr als beispielsweise bei Themen der Spezialisierung oder Kosteneffizienz.

noe.ORF.at: Inwieweit haben Sie regionale Unterschiede festgestellt? Unterscheiden sich die niederösterreichischen Jungbäuerinnen und Jungbauern von jenen im Westen Österreichs?

Kaum: Wir haben unsere Daten beispielsweise hinsichtlich der Wohnregion ausgewertet – ob die Befragten ländlich wohnen, urban oder intermediär – und wir haben auch nach Bundesländern ausgewertet, aber fast keine Unterschiede festgestellt. Das heißt, die Jugend in Kärnten tickt genauso wie die im Burgenland, in Wien oder Niederösterreich.