Bauernhaus in Stifelberg
Janos Kalmar
Janos Kalmar
Kultur

Was alte Höfe, Kinos und Schmieden erzählen

Nach einem Buch über das „verschwundene Waldviertel“ haben der Fotograf Janos Kalmar und das Autorentrio Linke, Mayer und Bruckmüller vor Kurzem nachgelegt. In „Verschwundenes Mostviertel“ werden verlassene Gebäude dokumentiert.

Der Fotograf Janos Kalmar und der Wirtschaftshistoriker und der Autor Ernst Bruckmüller führen noe.ORF.at zu gleichsam verwunschenen Orten im Mostviertel, wie etwa einer alten Säge – stille oder stillgelegte Gebäude als Zeugen einer einst regen kleinstrukturierten Wirtschaftsregion.

Für den Kenner und genauen Beobachter Janos Kalmar war das Mostviertel ein neues Terrain. Das Waldviertel kannte er vor dem Buchprojekt im Vorjahr von privaten Reisen. Beim Erkunden des Mostviertels war er so unvoreingenommen, also würde er im fernen Hindukusch unterwegs sein, scherzte er im Gespräch mit noe.ORF.at.

Freundliche Menschen und vielfältige Landschaft

Kaum hatte er ein Objekt ausgemacht, aber nicht genau gewusst, wie man es erreicht, wiesen ihm Menschen in Gasthäusern, Tankstellen oder Supermärkten den Weg, führten ihn manchmal sogar dorthin und halfen mit Tipps zu ähnlichen Fotomotiven weiter.

Fotostrecke mit 14 Bildern

Eisenstraße Foto 1a
Janos Kalmar
Die alte Gießerei in Kienberg (Bezirk Scheibbs)
Eisenstraße Foto 7
Janos Kalmar
Die Kartäuserschmiede in Langau (Bezirk Scheibbs)
Gastronomie Foto 8a
Janos Kalmar
Die optisch auffallende Verglasung lässt vermuten, dass hier viele Besucherinnen und Besucher Gäste des Gasthauses in Traisen (Bezirk Lilienfeld) waren
Gastronomie Foto 16
Janos Kalmar
In Haag (Bezirk Amstetten) erinnert nur mehr eine Ruine an eine früher bekannte Raststättenkette
Gewerbe Foto 6
Janos Kalmar
Wer erinnert sich daran, dass es einmal wie hier in Mank (Bezirk Melk) spezielle Milchgeschäfte gegeben hat?
Gewerbe Foto 16
Janos Kalmar
Die Menschen in Gresten (Bezirk Scheibbs) werden Unterhaltungselektronik wohl wo anders kaufen
Infrastruktur Foto 3
Janos Kalmar
Wer zur Post in Wienerbruck (Bezirk Lilienfeld) geht, muss einen Post Partner aufsuchen
Infrastruktur Foto 4
Janos Kalmar
Die drei Türen und die längliche Form des Gebäudes erinnern daran, dass hier in Lunz am See (Bezirk Scheibbs) einmal ein Kino war
Eisenbahn Foto 12
Janos Kalmar
Manche Bahnhöfe entlang stillgelegter Bahnlinien haben eine neue Funktion bekommen, hier in Wienerbruck-Josefsberg (Bezirk Lilienfeld) kann man „Urlaub am Bahnhof“ machen
Eisenbahn Foto 4
Janos Kalmar
Die Eisenbahnbrücke in Pfaffenschlag bei Lunz am See (Bezirk Scheibbs)
Feuerwehr Foto 2
Janos Kalmar
Das ehemalige Feuerwehrdepot in Neustift (Bezirk Scheibbs)
Feuerwehr Foto 6
Janos Kalmar
Nur mehr die Form des Gebäudes erinnert in Thürnbuch (Bezirk Amstetten) an das ehemalige Feuerwehrhaus
St. Pölten Foto 2 Forum Kino
Janos Kalmar
Das Forum Kino in St. Pölten wurde 1998 geschlossen, heute wird das Gebäude von Kulturinitiativen genützt
St. Pölten Foto 9a ehemalige Straßenbahnremise
Janos Kalmar
Von 1911 bis 1976 gab es in St. Pölten eine Straßenbahn, die ehemalige Remise steht heute unter Denkmalschutz

Janos Kalmar war begeistert von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, aber auch von der vielfältigen Landschaft, den unterschiedlichen Strukturen und den Farben dieses Teils Niederösterreichs. Die Eisenwurzen hätten ein anderes Licht als die sanften Hügel hin zur Donau, schilderte er begeistert. Und er ergänzte, dass ihm scheine, dass die Spuren der Vergangenheit hier langsamer vergehen als im Waldviertel.

Tausche Eisen gegen Korn

Seien es aufgegebene Sägewerke, alte Schmieden oder ehemals prachtvolle eisenverarbeitende Betriebe – die Besitzer verwenden die Gebäude trotzdem noch als Lager oder Abstellplatz, daher sind sie oft noch in passablem Zustand.

Die Betriebe der gebirgigen Eisenwurzen waren mit dem ausladenden agrarisch dominierten Mostviertel der Donauregion einst in regem Austausch, erzählte der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Ernst Bruckmüller: „Draußen im Flachland hat man jene Lebensmittel produziert, die man im gebirgigen Landesteil nicht herstellen konnte. Da gab es einen Konnex über das sogenannte Provianteisen, das über den Erzberg in die Eisenwurzen kam und in den kleinen Hämmern weiterverarbeitet wurde, zu Zangen, Sensen, Sicheln oder Ähnlichem.“

Fotostrecke mit 12 Bildern

Foto 4a S 18 Bei Wolfsbach
Janos Kalmar
Ein verlassenes Haus bei Wolfsbach (Bezirk Amstetten)
Foto 10 S 19 Sankt Valentin
Janos Kalmar
Das Bauernhaus Kammerhub nahe St. Valentin (Bezirk Amstetten)
Foto 18 S 23 Winklarn
Janos Kalmar
Ein ehemaliges Dörrhäusel in Winklarn (Bezirk Amstetten)
Foto 16 S 21 Emfeld bei Viehdorf
Janos Kalmar
Früher war dieses Gebäude in Ennsfeld bei Viehdorf (Bezirk Amstetten) ein Mostpresshaus
Foto 5 S 26 Unterramsau bei Strengberg
Janos Kalmar
Kleinhaus, Stall und Scheune waren hier in Unterramsau bei Strengberg (Bezirk Amstetten) unter einem Dach
Foto 8b S 27 Gigerreith bei Amstetten
Janos Kalmar
Mit feuchten Mauern haben viele Besitzer von Vierkantern zu kämpfen (Gigerreith bei Amstetten)
Foto 27 S 22 St. Leonhard am Forst
Janos Kalmar
Ein Keller in St. Leonhard am Forst (Bezirk Melk), der an den älteren „Körnerkasten“ angebaut wurde
Foto 15a S 24 Ausgedinge in Reinsberg
Janos Kalmar
Ein ehemaliges Ausgedinge in Reinsberg (Bezirk Scheibbs), das aber nicht mehr bewohnt wird
Foto 15c S 24 Reinsberg
Janos Kalmar
Die Stube ist noch erhalten, mitsamt dem Herrgottswinkel
Foto 23 S 31 Waidhofen an der Ybbs
Janos Kalmar
Ein Kleingewerbehaus in Waidhofen an der Ybbs
Foto 17b S 21 Emfeld bei Viehdorf Mostkeller
Janos Kalmar
Ein ehemaliger Mostkeller in Ennsfeld, der heute als Abstellraum genutzt wird
Foto 20 S 25 Mank
Janos Kalmar
Ein Stadel am Ortsrand von Mank (Bezirk Melk)

Sogar der „König der Höfe“ ist in Gefahr

Dem Strukturwandel sind in den vergangenen Jahrzehnten viele Kleinbetriebe sowie Kinos, Gasthäuser und Feinkostgeschäfte zum Opfer gefallen. Der Stolz der einstigen Besitzer ist an vielen aufgegebenen Gebäuden ablesbar. Selbst Vierkanter kommen im Buch vor. Sie sind für die heutigen Bedingungen zu groß oder zu klein, erläuterte Ernst Bruckmüller, der aus dem Mostviertel stammt und jahrelang Vorstand des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien war.

Kulturerbe: Verschwundenes Mostviertel

Nach dem Erfolg des Buches über das verschwundene Waldviertel haben der Fotograf Janos Kalmar und das Autorenduo Reinhard Linke und Christoph Mayer vor kKurzem nachgelegt, mit dem Buch „Verschwundenes Mostviertel“. Für diese Ausgabe haben sich die drei noch den Wirtschaftshistoriker Ernst Bruckmüller an Bord geholt.

Buchhinweis

Janos Kalmar, Ernst Bruckmüller, Reinhard Linke, Christoph Mayer: Verschwundenes Mostviertel. Edition Winkler-Hermaden, 144 Seiten, 191 Farbfotos, 24,90 Euro.

„Mit der modernen Landwirtschaft ist der Vierkanter heute oft schwer vereinbar. Er ist oftmals zu groß, weil nicht mehr so viele Menschen darin wohnen und arbeiten wie noch vor 100 Jahren. Oder er ist zu klein, wenn man an die Anforderungen einer zeitgemäßen Viehhaltung mit den Laufställen denkt oder auch an die großen landwirtschaftlichen Maschinen. Der Vierkanter, der ‚König der Bauernhöfe‘, bekommt zunehmend Probleme“, führte Bruckmüller weiter aus.

Altes muss Neuem Platz machen, das war schon immer so. Der Zug der Zeit fährt weiter. Es ist allerdings gut, dass das Verschwinden einer vergangenen Lebens- und Wirtschaftsform an den Gebäuden, Fassaden oder Eisenbahnwagen der Vergangenheit doch noch lange sichtbar bleibt.