Der Fotograf Janos Kalmar und der Wirtschaftshistoriker und der Autor Ernst Bruckmüller führen noe.ORF.at zu gleichsam verwunschenen Orten im Mostviertel, wie etwa einer alten Säge – stille oder stillgelegte Gebäude als Zeugen einer einst regen kleinstrukturierten Wirtschaftsregion.
Für den Kenner und genauen Beobachter Janos Kalmar war das Mostviertel ein neues Terrain. Das Waldviertel kannte er vor dem Buchprojekt im Vorjahr von privaten Reisen. Beim Erkunden des Mostviertels war er so unvoreingenommen, also würde er im fernen Hindukusch unterwegs sein, scherzte er im Gespräch mit noe.ORF.at.
Freundliche Menschen und vielfältige Landschaft
Kaum hatte er ein Objekt ausgemacht, aber nicht genau gewusst, wie man es erreicht, wiesen ihm Menschen in Gasthäusern, Tankstellen oder Supermärkten den Weg, führten ihn manchmal sogar dorthin und halfen mit Tipps zu ähnlichen Fotomotiven weiter.
Janos Kalmar war begeistert von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, aber auch von der vielfältigen Landschaft, den unterschiedlichen Strukturen und den Farben dieses Teils Niederösterreichs. Die Eisenwurzen hätten ein anderes Licht als die sanften Hügel hin zur Donau, schilderte er begeistert. Und er ergänzte, dass ihm scheine, dass die Spuren der Vergangenheit hier langsamer vergehen als im Waldviertel.
Tausche Eisen gegen Korn
Seien es aufgegebene Sägewerke, alte Schmieden oder ehemals prachtvolle eisenverarbeitende Betriebe – die Besitzer verwenden die Gebäude trotzdem noch als Lager oder Abstellplatz, daher sind sie oft noch in passablem Zustand.
Die Betriebe der gebirgigen Eisenwurzen waren mit dem ausladenden agrarisch dominierten Mostviertel der Donauregion einst in regem Austausch, erzählte der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Ernst Bruckmüller: „Draußen im Flachland hat man jene Lebensmittel produziert, die man im gebirgigen Landesteil nicht herstellen konnte. Da gab es einen Konnex über das sogenannte Provianteisen, das über den Erzberg in die Eisenwurzen kam und in den kleinen Hämmern weiterverarbeitet wurde, zu Zangen, Sensen, Sicheln oder Ähnlichem.“
Sogar der „König der Höfe“ ist in Gefahr
Dem Strukturwandel sind in den vergangenen Jahrzehnten viele Kleinbetriebe sowie Kinos, Gasthäuser und Feinkostgeschäfte zum Opfer gefallen. Der Stolz der einstigen Besitzer ist an vielen aufgegebenen Gebäuden ablesbar. Selbst Vierkanter kommen im Buch vor. Sie sind für die heutigen Bedingungen zu groß oder zu klein, erläuterte Ernst Bruckmüller, der aus dem Mostviertel stammt und jahrelang Vorstand des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien war.
Kulturerbe: Verschwundenes Mostviertel
Nach dem Erfolg des Buches über das verschwundene Waldviertel haben der Fotograf Janos Kalmar und das Autorenduo Reinhard Linke und Christoph Mayer vor kKurzem nachgelegt, mit dem Buch „Verschwundenes Mostviertel“. Für diese Ausgabe haben sich die drei noch den Wirtschaftshistoriker Ernst Bruckmüller an Bord geholt.
Buchhinweis
Janos Kalmar, Ernst Bruckmüller, Reinhard Linke, Christoph Mayer: Verschwundenes Mostviertel. Edition Winkler-Hermaden, 144 Seiten, 191 Farbfotos, 24,90 Euro.
„Mit der modernen Landwirtschaft ist der Vierkanter heute oft schwer vereinbar. Er ist oftmals zu groß, weil nicht mehr so viele Menschen darin wohnen und arbeiten wie noch vor 100 Jahren. Oder er ist zu klein, wenn man an die Anforderungen einer zeitgemäßen Viehhaltung mit den Laufställen denkt oder auch an die großen landwirtschaftlichen Maschinen. Der Vierkanter, der ‚König der Bauernhöfe‘, bekommt zunehmend Probleme“, führte Bruckmüller weiter aus.
Altes muss Neuem Platz machen, das war schon immer so. Der Zug der Zeit fährt weiter. Es ist allerdings gut, dass das Verschwinden einer vergangenen Lebens- und Wirtschaftsform an den Gebäuden, Fassaden oder Eisenbahnwagen der Vergangenheit doch noch lange sichtbar bleibt.