Erni Mangold als Maude während der Fotoprobe zu „Harold und Maude“ in den Kammerspielen der Josefstadt in Wien, Jänner 2017
APA/Georg Hochmuth
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Kultur

Die Widerborstige: Erni Mangold wird 95

Kräftig und erdig, so ist Mangold – das Gemüse wie die Schauspielerin. Erni Mangold ist dank ihres schnoddrigen Mundwerks und ihrer resoluten Unverfrorenheit zu einem geliebten Faktotum in Film und TV geworden. Am Mittwoch feiert sie ihren 95. Geburtstag.

Ihren Bühnenabschied hatte Mangold 2017 mit „Harold und Maude“ (im Bild oben) an den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt verkündet – womit sich ein Kreis schloss, hatte die junge Schauspielerin doch genau an jener Wiener Bühne 1946 auch ihr Debüt gefeiert. Insofern ist es nur folgerichtig, dass die Geburtstagsmatinee am 30. Jänner auch in der Josefstadt stattfindet, wo Sandra Cervik mit der Jubilarin über ihr Leben spricht, die ihr Erinnerungsbuch einst „Lassen Sie mich in Ruhe“ nannte.

Das „Sexerl“ aus Großweikersdorf

Und das begann am 26. Jänner 1927 in Großweikersdorf (Bezirk Tulln) in einer kunstliebenden Familie, war der Vater doch nebenberuflich als Maler tätig, die Mutter passionierte Pianistin. Nur folgerichtig, dass es auch die junge Ernestine in die Kultur zog. Nach der Ausbildung an der Wiener Schauspielschule Krauss spielte sie nach ihrem Debüt von 1946 schließlich bis 1956 an der Josefstadt. Wie sie dabei einerseits als „Sexerl“ Karriere machte, andererseits ihre Abwehrtechniken bei den häufigen Zudringlichkeiten („Die Männer waren hinter mir her, dass es ein Graus war“) verfeinerte und sich dennoch an der Seite von Helmut Qualtinger oder Ernst Haas mit Verve ins Wiener Nachtleben stürzte, schildert sie in „Lassen Sie mich in Ruhe“ ausführlich.

Preisträgerin in der Kategorie „Beste Darstellerin“ Erni Mangold am Mittwoch, 28. Jänner 2015, anlässlich der Verleihung „Österreichischer Filmpreis 2015“ im Wiener Rathaus, Jänner 2015
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Erni Mangold erhielt beim Österreichischen Filmpreis den Preis in der Kategorie „Beste Darstellerin“, Jänner 2015

1956 ging sie für acht Jahre ans Deutsche Schauspielhaus Hamburg unter Gustaf Gründgens, danach ans Düsseldorfer Schauspielhaus unter Karlheinz Stroux. Zwischen 1965 und 1972 folgten weitere Engagements in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Parallel dazu entdeckte Mangold ihre Liebe zum „alternativen“ Theater. So trat sie etwa in der Wiener Kulisse auf, ehe sie 1981 von Hans Gratzer ans Wiener Schauspielhaus geholt wurde, später war sie die Entdeckerin des Dramatikers Werner Schwab.

Spezialistin für Klassisches wie für Skurriles

Als „spezieller rarer Frauentyp“ wurde die facettenreiche Künstlerin, die bereits 1972 mit der Kainz-Medaille ausgezeichnet wurde, bei ihrer Ernennung zur Kammerschauspielerin 1999 gewürdigt. Der frühere Volkstheater-Direktor und ihr einstiger Schüler Michael Schottenberg nannte sie später einmal „ein Monstrum an Wahrhaftigkeit“. Und das stellte Mangold in einer großen Bandbreite an Rollen unter Beweis.

Neben eher klassischen Charakteren wie der Marthe Schwerdtlein im „Faust“, der Lady Macbeth oder der Frau Muskat im „Liliom“, empfahl sich Mangold auch als grandiose Spezialistin für Skurriles wie in „Arsen und alte Spitzen“ oder für eigenwillige Kunstfiguren wie das alterslose „Schneewittchen“ in Elfriede Jelineks „Prinzessinnendramen“. Auch ihr Bühnenabschied mit der Bühnenadaption des Filmklassikers „Harold und Maude“ fällt in diese Kategorie.

Erni Mangold als Puck während einer Probe des Stückes „Ein Sommernachtstraum“ am Volkstheater Wien, April 2015
APA/Roland Schlager
Erni Mangold als Puck in „Ein Sommernachtstraum“ am Volkstheater Wien, April 2015

In mehr als 100 Film- und Fernsehproduktionen

Neben ihrer Bühnenlaufbahn spielte Mangold in weit über 100 Film- und Fernsehproduktionen mit, darunter Karl Hartls „Der Engel mit der Posaune“ (1948), O.W. Fischers „Hanussen“ (1955), Peter Patzaks „Kassbach“ (1979) oder Richard Linklaters „Before Sunrise“ (1995). Eine Institution wurde die Schauspielerin, die 20 Jahre mit ihrem Schauspielkollegen Heinz Reincke verheiratet war, auch als Lehrerin. Sie unterrichtete am Salzburger Mozarteum, der Wiener Schauspielschule Krauss und am Max Reinhardt Seminar, wo sie ab 1974 – zwischen 1983 und 1995 als ordentliche Hochschulprofessorin – den Nachwuchs heranzog.

Sie selbst sagte dann aber eben 2017 mit 90 Jahren der Bühne Adieu – in dem ihr eigenen Duktus: „Was mein Aufhören betrifft, habe ich jetzt wirklich die Nase voll.“ Schließlich koste die Einstudierung eines Werks immer auch viel Energie: „Mein Gott, so wichtig ist das Theater auch nicht. (…) Und für alte Weiber gibt es sowieso keine Rollen mehr.“ Anders sah das im Film aus. Hier war Mangold, die etwa für ihren Part einer Geriatriepatientin in Houchang Allahyaris „Der letzte Tanz“ 2015 mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, noch 2020 in Wolfgang Murnbergers „Schönes Schlamassel“ zu erleben.

Fotostrecke mit 20 Bildern

Erni Mangold 2020
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Erni Mangold bei der Vergabe des Österreichischen Filmpreises im Jänner 2020 in Grafenegg
Erni Mangold und Peter Simonischek im Rahmen der Vergabe „Österreichischer Filmpreis 2019“ im Wiener Rathaus, am Mittwoch, Jänenr 2019
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Erni Mangold und Peter Simonischek bei der Vergabe des Österreichischen Filmpreises im Jänner 2019 im Wiener Rathaus
Erni Mangold als Maude in „Harold und Maude“, Kammerspiele, Jänner 2017
APA/Georg Hochmuth
Erni Mangold als Maude während der Fotoprobe zu „Harold und Maude" in den Wiener Kammerspielen, Jänner 2017
Meo Wulf als „Harold“ und Erni Mangold als „Maude“  während der Fotoprobe zu „Harold und Maude“ in den Kammerspielen, Jänner 2017
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Erni Mangold als Maude und Meo Wulf als Harold in „Harold und Maude" in den Wiener Kammerspielen, Jänner 2017
Verleihung des Großen Diagonale-Schauspielpreises an Erni Mangold während der Diagonale Eröffnung am 8. März 2016 in Graz.
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Erni Mangold erhält den Großen-Diagonale-Schauspielpreis Graz, März 2016
Erni Mangold (l.) als Puck und Andrea Bröderbauer als Hermia im „Sommernachtstraum“, Wiener Volkstheater, April 2015
APA/Roland Schlager
Erni Mangold als Puck und Andrea Bröderbauer (r.) als Hermia im „Sommernachtstraum", Wiener Volkstheater, April 2015
Andrea Bröderbauer (l.) in der Rolle der „Arva Mari“ und Erni Mangold als „Frau Kepes“ in „Haben“ von Julius Hay, Wiener Volkstheater, Februar 2015
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Andrea Bröderbauer (l.) als Arva Mari und Erni Mangold als Frau Kepes in „Haben" von Julius Hay, Wiener Volkstheater, Februar 2015
Die Schauspieler Erni Mangold und Daniel Strässer während eines Interviews anlässlich der Film-Premiere „Der letzte Tanz“, Juni 2014
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Erni Mangold und Daniel Strässer während eines APA-Interviews anlässlich der Filmpremiere „Der letzte Tanz", Juni 2014
Florian Teichtmeister als „Alfred“ und Erni Mangold als „Großmutter“ während der Fotoprobe zu „Geschichten aus dem Wienerwald“ im Theater in der Josefstadt, Februar 2012
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Erni Mangold als Großmutter und Florian Teichtmeister als Alfred während der Fotoprobe zu „Geschichten aus dem Wienerwald" im Theater in der Josefstadt, Februar 2012
Erni Mangold während einer Probe des Stückes „Der böse Geist des Lumpazivagabundus“ im Theater in der Josefstadt, September 2011
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Erni Mangold als Lumpazivagabundus während einer Probe des Stücks „Der böse Geist des Lumpazivagabundus" im Theater in der Josefstadt, September 2011
Erni Mangold und Nicolaus Hagg in Daniel Kehlmanns „Ruhm“ im Theater Reichenau, Juli 2010.
APA/Robert Jäger
Erni Mangold und Nicolaus Hagg in Daniel Kehlmanns „Ruhm" im Theater Reichenau, Juli 2010
Schauspielerin Erni Mangold mit Schauspieler Christoph Waltz mit
dem Ehrenpreis der Filmakademie, Juni 2009
APA/Andreas Pessenlehner
Erni Mangold und Christoph Waltz mit dem Ehrenpreis der Filmakademie, Juni 2009
Erni Mangold (r.) als „Oeffentliche Meinung“ und Helga Papouschek als „Juno“, anl. der Fotoprobe zu Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ in der Volksoper Wien, September 2007
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Erni Mangold als Öffentliche Meinung und Helga Papouschek (l.) als Juno bei der Fotoprobe zu Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ in der Volksoper Wien, September 2007
Toni Böhm und Erni Mangold in der Fotoprobe zu Richard Alfieris „Sechs Tanzstunden in sechs Stunden", Wiener Volkstheater, September 2005
APA/Harald Schneider
Erni Mangold und Toni Böhm während der Fotoprobe zu Richard Alfieris „Sechs Tanzstunden in sechs Stunden", Wiener Volkstheater, September 2005
Erni Mangold (Schneewittchen) und Michael Rastl (Der Jäger) in der Fotoprobe von Elfriede Jelineks „Prinzessinnendramen“  im Wiener Volkstheater, April 2005
APA/Robert Jäger
Erni Mangold (Schneewittchen) und Michael Rastl (Der Jäger) in der Fotoprobe von Elfriede Jelineks „Prinzessinnendramen" im Wiener Volkstheater, April 2005
Gideon Singer als Mr. Gibbs Elfriede Ott (re) als Abby Brewster und Erni Mangold (m.) als Martha Brewster in der Fotoprobe zu „Arsen und alte Spitzen“, Kammerspiele 2004
APA/Harald Schneider
Gideon Singer, Erni Mangold und Elfriede Ott (v.l.) in der Fotoprobe zu „Arsen und alte Spitzen“ in den Wiener Kammerspielen, 2004
 Erni Mangold als Jente und Brigitte Swoboda als Golde in „Anatevka“ in der Wiener Volksoper, April 2003
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Erni Mangold als Jente und Brigitte Swoboda als (r.) Golde in „Anatevka“ in der Wiener Volksoper, April 2003
Erni Mangold in der Rolle als Flora Baumscheer in Nestroys „Der Verschwender“ im Volkstheater Wien, Dezember 2001
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Erni Mangold als Flora Baumscheer in Nestroys „Der Verschwender" im Volkstheater Wien, Dezember 2001
Erni Mangold (Altes Weib) und Ronald Kuste (Chevalier Dumont) in Ferdinand Raimunds „Der Verschwender“ im Theater in der Josefstadt, Dezember 1999
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Erni Mangold (Altes Weib) und Ronald Kuste (Chevalier Dumont) in Ferdinand Raimunds „Der Verschwender" im Theater in der Josefstadt, Dezember 1999
Die Schauspielerin Erni Mangold bekam am 23. November 1999 den Berufstitel „Kammerschauspielerin“ verliehen.
APA/Harald Schneider
Am 23. November 1999 bekam Erni Mangold den Berufstitel Kammerschauspielerin verliehen

Das schönste Geschenk ist der „Prof. Erni Mangold-Weg“

Seit vielen Jahren lebt Erni Mangold in ihrem Bauernhaus im Waldviertel, seit ihrem 80er an einer Adresse mit ihrem eigenen Namen. Die Gemeinde Sankt Leonhard am Hornerwald (Bezirk Krems) widmete ihr den „Prof. Erni Mangold-Weg“. „Ich bin stolz auf meine Auszeichnungen, aber das war für mich das schönste Geschenk. Einen eigenen Straßennamen kriegt man ja für gewöhnlich nur posthum“, schreibt sie in „Lassen Sie mich in Ruhe“.

Zu den Auszeichnungen, die gegen den eigenen Weg verblassen, gehört etwa der Große Schauspielpreis der Diagonale (2016), der Nestroy-Ring der Stadt Bad Ischl (2015) oder das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (2012). Und das zumindest optische schönste Geburtstagsgeschenk machte sich Mangold vermutlich im Vorjahr bereits selbst, hat sie doch im Styria Verlag den Bildband „Sagen Sie, was Sie denken. Mein Leben in Bildern“ veröffentlicht. Und das klingt doch gleich versöhnlicher als „Lassen Sie mich in Ruhe“.