Bild der Pest
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Kultur

Pandemie: Die einst unbekannte Gefahr

Die CoV-Pandemie zeigt, dass Wissenschaft und Medizin die Krankheitserreger heute schnell identifizieren und Maßnahmen ergreifen können. Doch wie schwierig dies in vergangenen Jahrhunderten war, belegen Funde aus dem Stift Zwettl.

Als die große Pest, auch der „schwarze Tod“ genannt, 1348 über Europa hinweg zog, wurde im Stift Zwettl gerade die Kirche erweitert, der gotische Chor errichtet. Der Bau musste allerdings für zwei Jahrzehnte unterbrochen werden, höchstwahrscheinlich wegen der Seuche. Das lässt sich heute noch an den schmückenden Säulen im Chor, den sogenannten Diensten, erkennen. Nach der Pestkatastrophe wurden sie schlanker ausgeführt.

Ob ein Baustoff- oder Facharbeitermangel daran Schuld trugen oder sich der ästhetische Geschmack verändert hatte, lässt sich heute nicht mehr eruieren. Der Baumeister jedenfalls hatte die Seuche überlebt und konnte seine Arbeiten fortsetzen. Viele Details wie diese aus der Geschichte der Epidemien erinnern an heutige Probleme oder Strategien der Bekämpfung.

Bild eines Mannes mit Pestmaske
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„Kleidung wider den Tod“ steht unter dem Bild geschrieben

Der abschreckende Pestarzt

Ein Symbol für die Pestbekämpfung ist wohl die Figur des Pestarztes. Man mag sich kaum ausmalen, wie einem Patienten, der bereits von heftigem Fieber und Schüttelfrost geplagt war, zu Mute war, wenn sich ihm eine dieser Rabenartigen Figuren näherte. „Die Figur des Pestarztes, wie wir sie aus Darstellungen kennen, ist eine spätere Erfindung und wurde erst durch den Karneval in Venedig populär“, erklärt Medizinhistoriker Herwig Czech von der Medizinischen Universität Wien.

„Diese Pestärzte waren quasi hermetisch abgeschlossen gekleidet, im Schnabel waren Kräuter und Gewürze gelagert, die den Pesthauch abhalten sollten. Sie berührten die Patienten oftmals nur mit langen Stöcken. Sich vor Flohbissen zu schützen, die einen Transmissionsweg der Seuche darstellten, war der richtige Ansatz, genauso wie das Abstand halten, auch wenn man die genauen theoretischen Grundlagen damals nicht kannte“, ergänzte Czech im Gespräch.

Die Seuche als Strafe Gottes

Bis ins 18. Jahrhundert hinein waren die Epidemien einerseits angesehen worden als eine Strafe Gottes für ausschweifendes Leben. Andererseits wächst zugleich auch das Bewusstsein, dass man durch Hygienemaßnahmen entscheidende Fortschritte erzielen kann. „Bei dem Rückblick aus dem Jahr 1763 auf das Pestjahr 1713 wird als erste ‚Vorsichtigkeit‘ genannt, dass ‚Jedermann ein gottfürchtiges Leben‘ führen solle“, zitiert Andreas Gamerith, der Archivar des Zisterzienserstiftes Zwettl, aus einer Chronik.

Erst danach folgen Vorschriften zur Hygiene in der Stadt. Da man dachte, das „verpestete Luft“ , das so genannte Miasma, für die Ausbreitung verantwortlich sei, wurde verordnet, „…das ein Arzt ein Auge habe auf die Beschaffenheit der Luft und des Gewitters ( Anm.: dem Wetter), ob solch eine böse Eigenschaft in sich haben zur menschlichen Gesundheit schädlich und eine allgemein ansteckende Seuche verursachen möchten.“

Gemälde eines Pestsaals in einem Kloster
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Zisterziensermönche betreuen Pestopfer unter eigener Lebensgefahr im Stift

Einschränkungen, Lockdowns, Grenzschließungen

Aus einer anderen Quelle des Stiftes Zwettl geht hervor, dass Prozessionen verboten wurden, Briefe, die die Stadt Wiener Neustadt erreichten, zuerst gesäubert, also desinfiziert wurden. Ortschaften abzuriegeln oder gar Grenzen zu schließen war gegen die Pest ein wichtiges Mittel, führte der Medizinhistoriker Herwig Czech aus.

„Die wichtigste Pestabwehr aus österreichischer Sicht war die Militärgrenze gegenüber dem osmanischen Reich. Das hatte damit zu tun, dass die Pest tatsächlich in der Regel von Osten kam und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen über Europa zog“, so Czech. Gegen Pocken, Cholera und Influenza erwies sich diese 2.000 Kilometer lange Barriere allerdings wirkungslos. Die Cholera wurde erst durch sauberes Trinkwasser über die Hochquellenleitung im Wiener Raum erfolgreich eingedämmt.

Impfbestätigung eines Buben aus Dürnstein
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Impfbescheinigung für einen Fünf-Jährigen Buben aus Dürnstein

Erste Pocken-Impfung in Niederösterreich

Die Pocken wurden durch die erste Impfung der Medizingeschichte bekämpft. Hier stand ein niederösterreichischer Ort im Mittelpunkt der medizinischen Errungenschaften. Die erste Pocken-Massenimpfung auf dem europäischen Kontinent fand im Jahr 1800 in Brunn am Gebirge (Bezirk Mödling) statt. Nur England war damit früher in Aktion getreten.

Anfangs wurde an Freiwillige verimpft. Von 1948 bis 1977 gab es dann die Pocken-Impfpflicht in Österreich für alle Kinder und Jugendlichen. Die Narben der Impfung sind noch an vielen Oberarmen älterer Menschen sichtbar. Die Impfung war schmerzhaft und unangenehm lang in ihrer Folgewirkung. Doch die Pocken sind ausgerottet.