Gesundheit

Sterbehilfe derzeit „fast unmöglich“

Seit Jahresbeginn ist der assistierte Suizid in Österreich gesetzlich verankert. Das Gesetz sieht dafür den Abschluss einer Sterbeverfügung vor. In der Praxis sei diese mangels Ärzten und Informationen aber kaum umsetzbar, zeigen Beschwerden an den Patientenanwalt.

Einige Betroffene aus Niederösterreich hätten sich bereits an ihn gewandt, berichtet der Patientenanwalt für Niederösterreich, Gerald Bachinger. Noch könne er jenen, die eine Sterbeverfügung abschließen möchten, kaum helfen. Grund dafür sei, dass das Sterbeverfügungsgesetz hohe Hürden für den selbstbestimmten Suizid vorsieht – Hürden, die für niederösterreichische Betroffene bislang kaum überwindbar sind.

Sterbeverfügungsgesetz

Seit 1. Jänner 2022 ist der assistierte Suizid in Form einer Sterbeverfügung gesetzlich verankert. Betroffene, die sie in Anspruch nehmen möchten, müssen an einer unheilbaren, todbringenden oder dauerhaft beeinträchtigenden Krankheit leiden. In einem ersten Schritt müssen zwei Ärzte feststellen, dass der Betroffene entscheidungsfähig ist und die Entscheidung aus freiem Willen tätigt. Nach einer zwölfwöchigen Bedenkfrist kann dann eine Sterbeverfügung bei einem Notar oder Patientenanwalt aufgesetzt werden. Der Betroffene erhält daraufhin das letale Präparat in einer Apotheke.

Laut Gesetz müssen zwei voneinander unabhängige Ärzte, davon einer mit palliativmedizinischer Qualifikation, feststellen, dass der Patient seine Entscheidung frei und selbstbestimmt, insbesondere frei von Irrtum, List, Täuschung, Beeinflussung oder Zwang, trifft. Darüber hinaus müssen die Mediziner die Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person beurteilen und sie über Alternativen aufklären. „Nicht viele Ärzte wollen in diesem Ablauf mitmachen,“ sagt der Patientenanwalt.

Patientenanwalt fordert Ärzteliste

Bei der Ärztekammer Niederösterreich zeigt man Verständnis für die Zurückhaltung in der Ärzteschaft. „Im Grunde ist es ein Paradigmenwechsel“, erklärt Niederösterreichs Ärztekammerpräsident Christoph Reisner. „Es ist ein Gesetz, das im Widerspruch zum ursprünglichen Sinn der Ärzteschaft steht, nämlich beim Überleben und Weiterleben zu helfen.“

Aber auch jene wenigen Ärztinnen und Ärzte, die die Konsultationen zur Sterbeverfügung bereits anbieten, seien für die Betroffenen „fast unmöglich“ zu finden, so Bachinger. „Wir würden den Patientinnen und Patienten gerne eine Liste mit den Ärzten zur Verfügung stellen“, sagt der Patientenanwalt. Er fordert die Ärztekammer auf, hier tätig zu werden.

(K)ein Recht zu sterben – der Leidensweg zur Sterbeverfügung

Seit 1. Jänner haben chronisch leidende Menschen auch in Österreich die Möglichkeit, mit einem tödlichen Präparat aus der Apotheke freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Doch es finden sich kaum Ärzte, die diese Sterbeverfügung unterschreiben.

Angst der Ärzte vor Drohungen

Bei der Ärztekammer weist man die Forderung nach einer Liste vehement zurück. „Wir werden derzeit ganz sicher keine Liste machen“, sagt Reisner. Angesichts der angespannten Situation durch die Coronaviruspandemie, in der Ärzte bedroht werden, weil sie Patienten behandeln oder sich für die CoV-Schutzimpfung aussprechen, halte man eine Liste für sehr bedrohlich. „Dieses Thema ist ja noch sensibler als die Pandemie“, erklärt Reisner. „Ich glaube nicht, dass sich jemand finden wird, der sich auf so eine Liste setzen lässt.“

Stattdessen vertraut man bei der Ärztekammer darauf, dass sich die Ärzte untereinander informierten, wer im jeweiligen Bezirk für die Gespräche zur Verfügung steht. Für interessierte Ärzte bietet die Ärztekammer außerdem Fortbildungsseminare an. Das Interesse der niederösterreichischen Ärzteschaft daran sei groß, heißt es. Reisner rechnet deshalb damit, dass schon bald mehr Ärzte in Niederösterreich die gesetzlich vorgesehenen Gespräche mit Betroffenen führen werden.