Es darf wieder marschiert werden, zum ersten Mal seit Mai 2019. „Es war fast befreiend, wieder marschieren zu können, und, geschätzte Genossinnen und Genossen, ihr habt es nicht verlernt", rief St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) den versammelten SPÖ-Mitgliedern und -Sympathisanten zu. Das letzte Mal seien im Jahr 1956 so viele Menschen in die St. Pöltner Innenstadt geströmt, „das zeigt, wie groß die Mobilisierung ist“.
Zweimal musste der Maiaufmarsch pandemiebedingt abgesagt werden bzw. auf Onlineveranstaltungen ausweichen. Den letzten klassischen Aufmarsch hatte es 2019 gegeben, wenige Tage vor dem Aufkommen der Ibiza-Affäre. Damals kritisierte die SPÖ vor allem die türkis-blaue Bundesregierung.
Schnabl: „Zu wenig, zu spät, zu zögerlich“
Heute ist die politische Situation eine völlig andere, mehrere Bundesregierungen sind in der Zwischenzeit gekommen und gegangen. Im Mittelpunkt stehen aber nach wie vor klassische Sozialthemen, momentan in erster Linie die hohe Teuerung: „Zu wenig, zu spät, zu zögerlich, das ist das Markenzeichen von Türkis-Grün in allen Bereichen“, so Landesparteichef Franz Schnabl. Das sei nicht nur in der Pandemie der Fall gewesen, es treffe aktuell auch auf die Inflation zu.
Unanständig sei die Bundesregierung und insbesondere die Volkspartei. „Die Türkisen oder Schwarzen oder Blau-Gelben – egal wie sie heißen oder sich bezeichnen – sind mit sich selbst oder mit Chats beschäftigt oder damit, ihre Freunde zu versorgen und ihnen Steuererleichterungen zu besorgen“, sagte Schnabl, „aber nicht mit den Menschen, ihren Sorgen und ihren Nöten“.
Man habe eine Politik satt, bei der die Bundesregierung inflationsbedingt mehr Geld über die Mehrwertsteuer bekomme, aber im Gegenzug nicht genug Entlastung biete. „Ich weiß nur, es fließt immer noch gleich viel Wasser die Donau runter, der Wind und Sonne kosten immer noch nichts und trotzdem haben sich die Strompreise vervielfacht“, kritisierte Schnabl. „Irgendwer neben dem Finanzminister stopft sich da die Säckel voll.“ Nach 37 Jahren an der Macht sei es für die Bundes-ÖVP an der Zeit, in Opposition zu gehen – für die Volkspartei Niederösterreich sei das nach über 70 Jahren noch viel mehr der Fall.
Stadler: „Türkis ist sowieso keine Farbe“
In eine ähnliche Richtung ging auch Stadlers Ansprache. In seiner Zeit als St. Pöltner Bürgermeister habe er „elf Bundeskanzler erlebt und überlebt, muss ich fast schon sagen“. Er wolle nie wieder Zeiten mit Chats erleben, „wo es heißt, kriegst eh alles. Ihr sollt alles bekommen“, rief er den Menschen am Rathausplatz zu. „Die Türkisen gehören weg, das ist sowieso keine Farbe“, so Stadler. Es brauche vielmehr wieder eine rote Handschrift.
Kritik erntete auch der Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei Russlands Präsident Wladimir Putin. „Bruno Kreisky hätte das anders gemacht“, war sich Stadler sicher, Nehammer habe hingegen nur versucht, „von den privaten Partys seiner Frau abzulenken“.
Besetzung der Westautobahn?
Den „Kampftag“ der Sozialdemokratie nutzte der SPÖ-Bürgermeister auch für eine lokalpolitische Ankündigung. Bei der Verringerung der Höchstgeschwindigkeit auf dem St. Pöltner Abschnitt der Westautobahn will er nun mehr Druck machen. Noch vor dem Beginn des Sommers werde man Akzente setzen: „Der Hunderter muss kommen – und wenn wir die Westautobahn besetzen und sperren. Die in Wien werden uns noch kennenlernen.“