Ganz persönlich Adi Hirschal
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„Paradewiener“ schwärmt von Laxenburg

Die Bühne habe ihn infiziert, sagt der 73-jährige Adi Hirschal. Beim Kultursommer Laxenburg steht der Schauspieler und Kabarettist ab Mitte Juni wieder auf der Bühne. Ein Gespräch über seine Intendanz, die Diagnose Krebs und seinen Namen Adolf.

Adi Hirschal kommt 1948 in Innsbruck zur Welt. Er gilt spätestens seit seiner Rolle in „Kaisermühlenblues“ als Paradewiener. Der Schauspieler, Autor und Sänger ist verheiratet und hat zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, die ebenfalls schauspielerisch tätig ist. Er ist Intendant des Kultursommers Laxenburg (Bezirk Mödling) und künstlerischer Leiter des von ihm gegründeten Wiener Lustspielhauses.

noe.ORF.at: In etwas mehr als zwei Wochen geht’s in Laxenburg los. Sie stehen auch wieder selbst auf der Bühne. Sind Sie nach all den Jahren noch nervös?

Adi Hirschal: Ja, man ist immer nervös, es geht immer um alles. Aber im Grunde genommen bin ich ein privilegierter Pilot eines wunderschönen Theatersommers in Laxenburg. Privilegiert deswegen, weil es wahrscheinlich keinen schöneren Spielort in ganz Europa gibt, als dieses Laxenburg. (lacht)

noe.ORF.at: Mögen sie dieses Gefühl? Diese Nervosität?

Hirschal: Also, das Gefühl versagen zu können, kann nicht angenehm sein. Aber das positive an der Anspannung ist, dass du wie mit einem Bogen die Sehnen spannst, sonst kannst du keinen Pfeil abschießen. Man braucht Energie, um ans Ziel zu kommen.

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In Laxenburg steht Intendant Adi Hirschal (ganz links) weiterhin selbst auf der Bühne

noe.ORF.at: Warum sind Sie eigentlich Schauspieler geworden? Sie haben zuerst begonnen, Jus zu studieren.

Hirschal: Ich glaube, das ist eine Art Bühneninfekt, den ich mir geholt habe. Ich war schon mit neun Jahren bei den Wiener Sängerknaben und habe dort fünf Jahre verbracht. Ich habe viele Bühnen bespielt und kenne den Geruch der Bühne. Dieses Präsentieren und sich zeigen, um sich auszudrücken, das ist schon ein sehr intensives Gefühl, das mich seit damals nicht mehr verlassen hat. Aber ich sollte eigentlich einen anderen Weg einschlagen, ich sollte ja Diplomat werden, daher das Jusstudium. Aber ich brauche die Bühne. Ich glaube, das ist einfach meine Aufgabe.

noe.ORF.at: Können Sie sich ein Leben ohne Bühne vorstellen? Sie sind jetzt 73 Jahre alt.

Hirschal: Diese Frage stelle ich mir sehr oft. In dem Moment, in dem der Apparat, den man für seinen Beruf braucht, nicht mehr funktioniert, dann gebe Gott, dass ich das bemerke, denn dann werde ich es nicht mehr tun. Ich denke, ich habe Alternativen, ich kann immer noch singen, ich habe eine Band, vielleicht schreibe ich noch ein Buch und ich bin ein begeisterter Holzarbeiter.

noe.ORF.at: Sie haben auch Zeiten hinter sich, in denen sie ihr Körper im Stich gelassen hat. Sie haben eine Krebserkrankung hinter sich.

Hirschal: Ja. Aber man darf mich nicht mit anderen Krebspatienten vergleichen. Der Krebs wurde in einem äußerst frühen Stadium entdeckt.

noe.ORF.at: Aber ich kann mir vorstellen, dass die Diagnose Krebs ein Schock ist?

Hirschal: Natürlich glaubt man, immer es trifft nur die anderen und einen selbst nicht. Man ist dann einigermaßen ruhiggestellt und man beginnt nachzudenken. Aber mithilfe der Ärzte und der Diagnosen und Therapievorschläge hat sich das beruhigt. Aber es war ein Schock, das gebe ich zu. Man geht dann mit seiner Zeit sehr, sehr bewusst um.

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Obwohl in Tirol geboren gilt Adi Hirschal seit Jahrzehnten als Parade-Wiener

noe.ORF.at: Wir sitzen im Schweizerhaus im Wiener Prater. Sie sind hier oft zu Gast, kennen den Besitzer. Das ist eine Wiener Institution. Sie gelten als Paradewiener, obwohl sie gar kein Wiener sind. Nervt sie das manchmal?

Hirschal: In keiner Weise! Ich bin stolz drauf. Ich liebe diese Stadt, von vorn bis hinten und von oben bis unten. Das ist eine Stadt, die kann mir so viel erzählen. Wien hat eine unglaubliche Geschichte hinter sich. Der Wiener ist schon ein bisschen historisch beschädigt. Wir haben, was die Größe und Bedeutung der Stadt betrifft, einige Verkleinerungen erleben müssen. Ich glaube, der Wiener leidet an einen Phantomschmerz. Dieses Wienerische muss man erhalten, das habe ich mir zur Aufgabe gemacht.

Es gibt ja so viele Möglichkeiten, den Wiener dazustellen, im Gesang, in Stücken oder in Lesungen. Das Wiener Lied zum Beispiel dreht sich um die Essenz der Wiener. Es geht darin immer um die Nöte der Vorstadt, die ja einer Stadt ihr Profil verleiht. Geh nach Simmering, dann weißt du, dort ist die Kacke am Dampfen, um das muss man sich kümmern.

noe.ORF.at: Sie haben auch ein Buch geschrieben: „Da stimmt was nicht“. Was stimmt denn nicht?

Hirschal: Der Titel passt auf verschiedene Kapitel. Das betrifft Entscheidung, wo andere gesagt haben, mit dem stimmt was nicht. Aber es waren immer Bauchentscheidungen und sie haben sich immer als richtig herausgestellt. Manches wirft Fragen auf: Ich bin im Jahr 1948 geboren und wurde Adolf getauft. Ich habe dann nachgefragt, eben dass hier etwas nicht stimme. Und ich habe Aufschluss bekommen. Ich habe mit diesen Rechtfertigungen und Erklärungen versucht, einen milden Frieden zu schließen.

noe.ORF.at: Was war denn die Erklärung?

Hirschal: Mein Großvater, der vor Adolf Hitler gelebt hat, hieß auch Adolf und das war so der Familienguru, dem hat man sich unterworfen, was ich meinen Eltern auch vorgeworfen habe. Das war die halbe Wahrheit, dass es diesen Opa Adolf gegeben hat und dann hat es ja noch diesen Landstreicher gegeben, der einen ganzen Kontinent ins Unglück gestürzt hat, und darunter kann man schon ein bisschen leiden.

noe.ORF.at: Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich raten, wenn Sie die Gelegenheit hätten?

Hirschal: Ich hätte gesagt: Adi, lern ein Instrument. Das geht mir ab, das kann mich mit großer Traurigkeit erfüllen, weil ich mir diese Möglichkeit des Ausdrucks versagt habe. Ich versuche auf der Gitarre etwas aufzubauen, damit ich komponieren kann. Ich habe mir meine Frustration bei den Wiener Sängerknaben geholt. Da hatte ich einen schlechten Klavierlehrer, der war so mühselig und langweilig. Ich habe damals gesagt: nie wieder Klavier. Das war falsch, meine Eltern hätten sagen müssen, das machst du jetzt. Das ist der einzige Zwang, den ich heute verstanden hätte.