Rebenbild
Werner Jaeger
Werner Jaeger
Kultur

Reben und Mohnkapseln, die aus dem Bild wachsen

Erich Giese, dem oft als „letzten Wachaumaler“ bezeichneten Künstler, ist zum 80. Geburtstag eine Sonder-Ausstellung im Teisenhofer Hof in Weißenkirchen (Bezirk Krems) gewidmet. Seine Bilder zeigen im Hyperrealismus Weinstöcke, Bäume und Mohn.

Erich Giese wuchs im nördlichen Waldviertel auf. Seine Jugend verbrachte er als Lehrbub in der Wachau. In diesem bekanntlich malerisch schönen Landstrich Niederösterreichs lernte er auch seine Frau kennen. Er blieb der Wachau treu, baute hier ein altes Winzerhaus „auf der Burg“ in ein atmosphärisch einzigartiges Atelier- und Wohnhaus um und vergaß dennoch nie das nördliche Waldviertel. Das zeigt sich auch in seinen Bildern.

Die Weinstöcke der Wachau und die Felder rund um das „Mohndorf“ Armschlag (Bezirk Zwettl) bestimmen seine ausdrucksstarke Kunst. Neuerdings sind Bäume als Motiv hinzugetreten. Erich Giese ist ein feiner Beobachter, ein Zeitgenosse, der die Dinge, die Landschaft und die Menschen gerne genau betrachtet und sich intensiv mit ihnen auseinandersetzt. Und so entstehen (seine) schönen Ergebnisse. Wer ihn kennenlernt, schätzt seine warmherzige, offene und großzügige Wesensart, seine Gastfreundschaft und sein Lächeln.

Rebstock
Werner Jaeger

Das Jahrtausendhochwasser hat seine Kunst verändert

Ich durfte als stiller Bewunderer dabei sein, als Erich Giese seine Bildsprache nach dem Jahrtausendhochwasser 2002 veränderte, ständig mit neuen Details und Wirkungen experimentierte und mit Freunden darüber diskutierte. Vor dieser einschneidenden Naturkatastrophe hatte Giese in Aquarelltechnik besondere poetische Winkel der Wachau auf grobfasrieges Papier gebannt, ganz in der Tradition der großen Wachaumaler eines Suppantschitsch, Simony und Geller.

Nach dem Hochwasser half er, der Manager einer großen Möbelhauskette, mit, Trockensteinmauern wieder aufzubauen, Weingärten wieder zum Blühen zu bringen und sah sich die Steine, die Reben, die Blätter der Weinstöcke und Endpfähle einer Rebenzeile genau an. Deren Struktur wollte er so plastisch wie möglich auf die Leinwand zaubern, hat er mir in einem dieser frühen Gespräche verraten. Seine Rebstöcke scheinen aus der Leinwand zu wachsen.

Die Technik, die er dafür entwickelte, fußt auf einer Mischung aus Acryl und Quarzsand und bleibt ein Geheimnis des Künstlers. Seine Reben arrangiert er wie Figuren, wie menschliche „Typen“ vor einem neutralen Hintergrund. Diese Bilder begründeten seine Bekanntheit. Monate lang dauert es, bis ein Bild fertig ist. Oft muss er die Arbeit unterbrechen, weil die Augen schmerzen, gestand er mir.

drei Mohnkapseln
Erich Giese

Mohnkapseln, wie sie man sie noch nie betrachtet hat

Dasselbe gilt für seine überlebensgroßen Mohnkapseln. Erst durch Erich Gieses extrem plastische Darstellung habe ich die Schönheit der Formen, die vielen Löcher, Härchen und Dellen einer solchen Mohnkapseln wahrgenommen. Diese „verletzten“ und individuellen Köpfe rufen bei Besuchern Erstaunen hervor.

„Wenn Gäste einer Ausstellung diese Mohnkapseln betrachten, ist die erste Reaktion: Mein Gott, diese feinen Haare auf dem Stängel. Dabei ist das beim Malen das Leichteste. Das Komplizierteste und Langwierigste sind die vielen kleinen Dellen, die Rippenadern und die feinen Löcher auf dem Korpus der Kapsel. Der Übergang vom Körper zum Stängel, dieses Licht-und Schattenspiel ist auch sehr herausfordernd. Da brauche ich oftmals drei Schichten Farbe, bis es wirklich passt“, schilderte er mir in einem Interview vor einigen Jahren.

Winteraquarell
Erich Giese

„Die Kapseln kommen ja in allen Farbtönen und den verschrobensten Formen in der Natur vor. Wenn ich das alles malen würde, man würde es mir nicht glauben. Es hat sich aber herausgestellt, dass diese Kapseln extrem schwierig zu malen sind. Zum Beispiel die Abstufungen von Lila-Tönen sind sehr schwer auf die Leinwand zu bekommen. Mittlerweile male ich Mohnkapseln in grünen, braun-grauen und lila Farbtönen“, ergänzte er. Giese kehrt mit seinen Mohnbildern die Welt seiner Kindheit zurück.

Handwerkliches Rüstzeug bei Buresch gelernt

Das handwerkliche Rüstzeug hatte Erich Giese im Alter von 26 Jahren zuerst autodidakt, dann beim Altmeister der Wachauer Aquarelltechnik bei Bruno Buresch in Rossatz (Bezirk Krems) gelernt. Es folgten Landschaftsdarstellungen mit Wintermotiven und abstrakte Malphasen. Seine große (heimliche) Liebe gilt aber Grado und den Inseln in der Lagune.

Grado im Nebel
Erich Giese

In unzähligen Aquarellen hat er seine Eindrücke aus den alljährlichen Aufenthalten in der Altstadt Grados festgehalten. Die südliche Lebensfreude, ein gutes Gläschen Wein und tiefgehende Gespräche, das schätzt Erich Giese, und ich glaube, das spürt man auch in seinen Bildern. Gieses Lebensmotto lautet: Wärme – Licht – Leben. Er ist voll davon. Seine Jubiläumsausstellung zum 80. Geburtstag wird am Samstag um 18.00 im Teisenhofer Hof eröffnet.