Christina Gegenbauer Burgtheater 2019
APA/Herbert Neubauer
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Kultur

Christina Gegenbauer erhält Horvath-Preis

Die aus Herzogenburg (Bezirk St. Pölten) stammende Regisseurin Christina Gegenbauer erhält den nur alle drei Jahre vergebenen Ödön-von-Horvath-Förderpreis. Wie Horvath greife sie gesellschaftlich relevante Themen und Fragen nach Werten auf, so die Jury.

Die Regisseurin Christina Gegenbauer schaffe beeindruckende Inszenierungen von gesellschaftskritischen Stücken im Sinne Horvaths an verschiedenen renommierten Theatern in Deutschland und Österreich, u.a. am Burgtheater Wien.

Die Jury schrieb unter anderem: „Ödön von Horvath gehört zu den Lieblingsautoren von Christina Gegenbauer. […] Wie er greift sie gesellschaftlich relevante Themen und Fragen nach Werten auf: Sowohl in ihren spartenübergreifenden Projekten wie auch in den Inszenierungen, für die sie die Vorlagen meist selbst aussucht. Mit dramaturgischer Sorgfalt und rhythmischer Klarheit versucht sie dabei ganz im Sinne Horvaths‚ aus der Tragik die Komik herauszukitzeln.“

Wie weit geht man, um für seine Werte einzustehen?

Christina Gegenbauer studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Sie inszenierte u.a. am Burgtheater Wien, Staatstheater Nürnberg, Theater Regensburg, Theater Münster und am Theater Bielefeld. Ihre Inszenierung von Horvaths „Hin und Her“ für das Viertelfestival Niederösterreich 2017 wurde zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen eingeladen.

Christina Gegenbauer Burgtheater 2019
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Christina Gegenbauer bei einem APA-Gespräch im Wiener Burgtheater, 2019

Nicht nur bei dieser Produktion reizte Gegenbauer vor allem die Auseinandersetzung mit der Frage, wie weit man zu gehen bereit ist, um für seine Werte einzustehen – ein Thema, das auch bei ihrer Inszenierung von Dennis Kellys Stück „Waisen“ 2019 für das Burgtheater im Vordergrund stand. In ihren Ausstellungskonzepten, Inszenierungen und Performances ist die interaktive Rolle des Publikums ein integraler Bestandteil.

2019 wurde ihr der Kulturpreis des Landes Niederösterreich in der Sparte Darstellende Kunst verliehen. Am 23. Juni gab die Stadt St. Pölten bekannt, dass Gegenbauer den Förderungspreis der Landeshauptstadt St. Pölten für Wissenschaft und Kunst 2022 erhält.

Auf Gegenbauers Website sind ihre Inszenierungen in der kommenden Saison angeführt: Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ Ende September im Theater Trier, sieben Wochen später am Theater Bielefeld „Keimzellen“ von Rebecca Deraspe, acht Tage danach folgt „Ich heiße Vincent und ich habe keine Angst“ von Christina Gegenbauer nach Enne Koens im Theater Pfütze Nürnberg. Anfang März 2023 ist dann die Premiere von Thomas Köcks „vendetta vendetta“ am Landestheater Detmold und Ende April wieder einmal eine Inszenierung in Österreich: Am Landestheater Salzburg zeigt Gegenbauer „Das Gewicht der Ameisen“ des kanadischen Autors David Paquet.

Hampton: „Konsequent gegen Dummheit und Lüge“

Den Ödön-von-Horvath-Preis in diesem Jahr erhält der britische Dramatiker, Übersetzer, Drehbuchautor und Regisseur Sir Christopher Hampton. Der 76-Jährige sei ein profunder Kenner von Leben und Werk Horvaths, „hat Herausragendes für die internationale Rezeption und die Umsetzung der Werke Ödön von Horvaths in den Genres Film und Theater geleistet“, begründete die Jury ihre Entscheidung.

Christopher Hampton 2009
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Christopher Hampton in einem APA-Gespräch, 2009

Gemeinsam mit Maximilian Schell schrieb er das Drehbuch zu dessen Verfilmung der „Geschichten aus dem Wiener Wald“ aus dem Jahr 1979. Er übersetzte und adaptierte zahlreiche Stücke Horvaths für das britische und amerikanische Theater, darunter „Geschichten aus dem Wiener Wald“, „Glaube Liebe Hoffnung“, „Don Juan kommt aus dem Krieg“ oder „Der jüngste Tag“.

In seinem Drama „Geschichten aus Hollywood“ (1982) spielte Hampton virtuos mit dem Gedanken, was geschehen wäre, wenn Ödön von Horvath nicht in Paris von einem herabstürzenden Ast erschlagen worden wäre, sondern in die USA hätte emigrieren können. In Wien war Hampton Regisseur zahlreicher vielbeachteter Horvath-Inszenierungen, seit 2020 ist er Ehrenmitglied des Theaters in der Josefstadt.

Für seine Stücke, Arbeiten für Film und Fernsehen und Drehbücher wurde Hampton unter anderem mit zwei Oscars – „Gefährliche Liebschaften“ (1989) und „The Father" (2021) – und vielen weiteren internationalen Preisen ausgezeichnet. „Sir Christopher Hampton tritt mit seinem Lebenswerk ganz im Sinne Horvaths konsequent gegen Dummheit und Lüge auf“, so die Jury abschließend.

Frühere Preisträger waren Mitterer, Reitz und Hader

Der Ödön-von-Horvath-Preis wird seit 2013 alle drei Jahre von der Ödön-von-Horvath-Stiftung in Murnau (Deutschland) in Zusammenarbeit mit der Ödön-von-Horvath-Gesellschaft bei den Murnauer Horvath-Tage überreicht, die heuer von 11. bis 20. November stattfinden.

Ödön von Horvath um 1919
Ödön von Horvath (1901-1938), 1919

Der Ödön-von-Horvath-Preis würdigt Persönlichkeiten, die auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Sektor durch ihre Tätigkeit zur Verbreitung und zeitgenössischen Umsetzung von Horváths Werk maßgeblich beigetragen haben. „Des Weiteren würdigt der Preis Menschen, deren Wirken sich in besonderer Weise auf Ödön von Horvath bezieht. Der Preis unterstreicht die große Bedeutung des Schriftstellers“, kann man auf der Website der Horvath-Gesellschaft lesen. Er soll zur Beschäftigung mit Horvaths Themen und zur Diskussion gesellschaftlicher Entwicklungen anregen.

Mit dem Ödön-von-Horvath-Preis wurden bisher der Schriftsteller Felix Mitterer (2013), der Filmregisseur Edgar Reitz (2016) sowie der Autor und Regisseur Josef Hader (2019) ausgezeichnet. Die mit 5.000 Euro dotierten Horvath-Förderpreise erhielten der Berliner Regisseur Ben von Grafenstein (2013), die in München lebende Künstlerin Gesche Piening (2016) und die Filmemacherin Eva Trobisch aus Berlin (2019).

Schlossmuseum Murnau
Im Schlossmuseum Murnau gibt es die weltweit einzige ständige Ödön-von-Horvath-Ausstellung

Murnau ist eng mit Horvath verbunden

Der Schriftsteller Ödön von Horvath (1901–1938) und der 12.000-Einwohner-Markt Murnau am Staffelsee sind eng verbunden. Von 1924 bis 1933 lebte und arbeitete Horvath – abgesehen von beruflich bedingten Aufenthalten in Berlin – im 1924 neu errichteten Landhaus seiner Eltern in Murnau. Hier ließ er sich während seiner wichtigsten Schaffensphase von der Landschaft, von Ereignissen, persönlichen Erlebnissen und den Menschen zu einigen seiner bekanntesten Werke inspirieren – darunter die Stücke „Zur schönen Aussicht“, „Italienische Nacht“, „Der jüngste Tag“ sowie der Roman „Jugend ohne Gott“.

Das 70 Kilometer südlich von München und 25 Kilometer nördlich von Garmisch-Partenkirchen liegende Murnau bewahrt das kulturelle Erbe des Schriftstellers, im Schlossmuseum Murnau gibt es die weltweit einzige ständige Horvath-Ausstellung. Seit 1998 veranstaltet die Ödön-von-Horvath-Gesellschaft in dreijährigem Rhythmus die Murnauer Horvath-Tage, das nach Angaben der Gesellschaft weltweit einzig wiederkehrende Festival zu Ehren des Schriftstellers.