Ein paar Worte sind schnell eingetippt und mit einem Klick für die Öffentlichkeit im Internet lesbar. Die Folgen, die diese Worte für Opfer, aber auch für Täterinnen und Täter haben können, sind den Verfasserinnen und Verfassern oft nicht bewusst. Wie tragisch die Auswirkungen auf der Opferseite sein können, zeigt der Suizid der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayer.
Hunderte Verurteilungen zeigen die Folgen für die Täter auf. Mehr als 400 Hassposterinnen und -poster sind derzeit beim Verein Neustart in Betreuung, aufgrund verschiedener Delikte wie gefährlicher Drohung, Verleumdung, Beleidigung, Verhetzung oder wegen Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz. Die meisten Täter sind männlich, berufstätig und zwischen 40 und 60 Jahre alt, informiert Neustart.
Verstärkte Radikalisierung in der Pandemie
Beim Verein, der im Bereich der Bewährungshilfe tätig ist, beobachtet man in den vergangenen Jahren einen massiven Anstieg bei der Zahl der Hassposter, erklärt Alexander Grohs, Leiter von Neustart Niederösterreich und Burgenland. Die häufigsten Opfer seien Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten, Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beleidigt werden, und CoV-Impfbefürworter.

In der Pandemie habe man beim Verein eine verstärkte Radikalisierung beobachtet, so Grohs: „Das Empathiegefühl geht zurück. Social Media begünstigt das, weil die User dort kein Gegenüber haben. Man führt kein persönliches Gespräch und dadurch ist es einfacher, Sachen zu posten und zu schreiben, die man einer Person, der man gegenüber steht, niemals sagen würde.“
Hasspostern ist Reichweite oft nicht bewusst
Eine große Rolle bei Hasspostings spiele zudem die Gruppendynamik, erklärt der Experte. „Man liest die teils sehr emotionalisierte Meinung von anderen Menschen und steigt ungefiltert darauf ein, schwingt quasi mit. Viele Menschen, die zu uns kommen, sagen, dass es ihnen in dem Moment gar nicht bewusst war, wie sie reagiert haben und dass sie sich einfach hätten treiben lassen“, so Grohs.
Debatte zu Hass im Netz
Das Justizministerium bietet kostenlose Beratung für Betroffene von Hass im Netz an. Das Angebot werde jedoch kaum angenommen. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) will dieses nun bekannter machen. Seit dem Tod der Ärztin Lisa Maria Kellermayer wird in der Politik wieder mehr über Hass im Netz debattiert. Die ÖVP fordert eine eigene Sonder-Staatsanwaltschaft.
Als Reaktion auf die starke Zunahme von Hasspostings entwickelte Neustart das Programm „Dialog statt Hass“. Die verpflichtende Teilnahme daran ordnet die Staatsanwaltschaft bei einer Diversion oder das Gericht nach einer Verurteilung an. Sechs Monate wird dann mit den Täterinnen und Tätern gearbeitet, es geht dabei um Aufklärung, Medienkompetenz und Opferempathie.
„Selbst, wenn wir damit nicht die Urheber von konzertierten Massenpostings aufhalten können – wenn wir ein Bewusstsein bei denjenigen schaffen, die bislang unreflektiert und aus einer Emotion Hassbotschaften weitergeleitet haben, ist schon viel erreicht“, heißt es von Neustart.