Im Gespräch Maria Happel
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Kultur

Maria Happel: „Kritik trifft einen immer“

Die künstlerische Leiterin der Festspiele Reichenau, Maria Happel, ist bei Eva Steinkellner-Klein „Im Gespräch“. Die Schauspielerin spricht über ihre erste Saison, über Kritik unter der Gürtellinie, das Idealtheater und über ihre silberne Hochzeit.

Maria Happel ist die künstlerische Leiterin der Festspiele Reichenau (Bezirk Neunkirchen), Leiterin des Max Reinhardt Seminars in Wien und Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Bekannt ist die 59-jährige Schauspielerin aus TV-Serien wie „Soko Donau“ oder „Dennstein & Schwarz“. Happel ist mit dem Schauspieler Dirk Nocker verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

noe.orf.at: Wie fällt die Bilanz nach Ihrer ersten Saison aus?

Maria Happel: Haben. Wir sind auf der Haben-Seite. (lacht) Ich blicke mit unglaublicher Freude und einem gewissen Stolz auf diese erste Spielzeit zurück.

noe.orf.at: Es gab durchaus auch kritische Stimmen zu der einen oder anderen Inszenierung. Es waren auch nicht alle Vorstellungen ausverkauft. Haben Sie da Fehler gemacht?

Happel: Das ist alles ein Lernprozess. Ich habe einen Denkfehler gemacht: Ich habe alle Vorstellungen zu gleichen Teilen angesetzt. Alle Vorstellungen wurden 20 Mal gespielt. Hätten wir zu Weihnachten geschaut, was sich besser verkauft, dann hätte man hier anders verteilen können. „Des Teufels General“ hätten wir doppelt so oft spielen können. Das haben wir vielleicht nicht so bedacht, aber letztlich haben wir einen Auslastungsgrad von 80 Prozent erreicht – und das ist in Zeiten nach und von Corona erstaunlich und großartig.

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Maria Happel zieht im Gespräch mit Eva Steinkellner-Klein über ihre erste Saison zufrieden Bilanz

noe.orf.at: Nehmen Sie sich die Kritik zu Herzen? Es sind ja nicht alle Aufführungen gut angekommen.

Happel: Die Kritik war sehr hart. Es gab sehr viel Diskussion hier darüber. Aber es gab unglaublich viele Zuschriften aus dem Publikum, und das ist letztendlich die Währung, die für uns wichtig ist. Da vergisst man die paar sehr ungünstigen Beschreibungen sehr schnell.

noe.orf.at: Fühlen Sie sich ungerecht behandelt?

Happel: Das tut man immer. Kritik trifft einen immer. Weil man es anders gesehen hat. Es gab massiven Angriff auf „Das ungleiche Paar“, was aber nachweislich ein Riesenerfolg war. Naja, das war dann auch eine sehr persönliche Sache, wenn Paula Nocker, die zufällig mit mir verwandt ist (Paula Nocker ist die Tochter von Maria Happel und Dirk Nocker, Anm.) und den Nestroy-Preis bekommen hat, ausdrücklich ein Wunsch des Regisseurs für „Die Möwe“ ist, und dann ein Kritiker schreibt „… sie lässt das Töchterchen spielen …“, dann ist das sofort eine negative Bewertung und es schmerzt mich. Nicht meinetwegen, sondern wegen meiner Tochter. Aber es schmerzt auch in anderen Fällen. Es wurde mitunter persönlich und ich würde sagen, auch unter der Gürtellinie.

noe.orf.at: Sie gelten als Publikumsliebling. Als Festspielchefin machen Sie sich mit manchen Entscheidungen sicher auch unbeliebt. Eine neue Erfahrung?

Happel: Das ist es absolut. Auch da muss ich lernen und muss wachsen. Ich habe Ja gesagt zu dieser Entscheidung, ich stelle mich auch dieser Herausforderung. Aber ganz klar sind es zwei verschiedene Dinge. Als Publikumsliebling wird man geliebt. Jetzt ist es eine andere Position. Ich halte den Kopf hin, wenn etwas schief geht. Am Ende des Kanals gibt es nur noch eine Person, die Ja oder Nein sagen muss. Ich muss Kolleginnen und Kollegen besetzen oder nicht besetzen. Es ist schwierig, die richtige Balance zu treffen. Es ist wieder ein ganz anderer Beruf.

noe.orf.at: Haben Sie es bereut, den Job angenommen zu haben?

Happel: Zwischendurch ja. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mir zwischendurch gedacht, ich möchte zurück in mein Dorf in den Spessart (Happel wuchs in Elsenfeld im Spessart in Deutschland auf, Anm.) Wie komme ich dazu? Aber es ist jetzt auch schon 40 Jahre her, dass ich dort gelebt habe. (lacht) Ich denke mir das auch manchmal vor Premieren. Im Nachhinein sage ich mir dann, natürlich war das die richtige Entscheidung!

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Bekannt ist die 59-jährige Schauspielerin aus TV-Serien wie „Soko Donau“

noe.orf.at: Haben Sie den Festspielen eine neue Note verliehen? Woran erkennt das Publikum Ihre Handschrift, Ihren neuen Stil?

Happel: Ich glaube, das sieht man zum Teil schon im Pausenfoyer. Das Publikum mischt sich anders. Bei der letzten Vorstellung bin ich durchgegangen und sehe drei schwangere Frauen. Ich sage zu ihnen: Wow, da kommt neues Leben. Das ist das Bild, das ich mir wünsche. Und viele Großeltern waren mit ihren Enkelkindern in „Peter und der Wolf“. Dieses alt/jung zieht sich hier einfach durch, beim Spielen auf der Bühne, aber auch im Publikum. Das mag ich. Das ist das Ziel.

noe.orf.at: Sie sind seit 25 Jahren mit dem Schauspieler Dirk Nocker verheiratet und haben kürzlich Ihre silberne Hochzeit gefeiert. Das ist in Ihrer Branche doch bemerkenswert. Was ist ihr Geheimnis?

Happel: Wir haben einfach unglaubliches Glück gehabt. Es gibt kein Geheimnis, kein Rezept. Man muss sich lassen, man muss sich gegenseitig seine Dinge tun lassen. Und da haben wir ganz gut funktioniert. Die Liebe ist ja bekanntlich das Einzige, das wächst, wenn man sie verschwendet. Und die ist auch mit den Jahren gewachsen. Wir haben uns nach wie vor gerne. Aber auch darüber reden wir nicht. Man muss nichts zerreden. Ja, wir haben Glück gehabt.

noe.orf.at: Als Ihre Kinder klein waren, hat ihr Mann die Kinderbetreuung übernommen. Das ist ja nach wie vor eine ungewöhnliche Rollenverteilung. Wie war das?

Happel: Das war nie eine Frage. Es war so. Ich bin ja in einer Zeit ans Burgtheater gekommen, wo man gesagt hat, das passt nicht zusammen, man muss sich zwischen Kind und Karriere entscheiden. Beides geht nicht. Dann lernte ich auf der Bühne des Burgtheaters diesen Dirk Nocker kennen, der mir schnell erklärt hat, dass ein Leben ohne Kinder für ihn nicht machbar ist. Da musste ich einmal nachdenken, ob das für mich möglich ist.

Als die Kinder dann da waren, war ich im Theater sehr eingebunden. Er war der Geschichtenerzähler, er hat seinen Beruf dann eben auch da gemacht. Es ist manchmal noch immer so, wenn die jungen Damen Liebeskummer überfällt oder so, dann fragen sie, ob er ihnen eine Geschichte erzählen kann.

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noe.orf.at: Nach den Festspielen ist vor den Festspielen. Was planen Sie für die nächste Saison?

Happel: Ich werde wieder zwei Stücke in jedem Saal machen. Fix ist „Die Kapuzinergruft“ von Joseph Roth. Es wird auch wieder ein Stück von Ödön von Horvath geben, auch eine Komödie ist geplant. Wir werden auf alle Fälle wieder ein Kinderstück machen, das war super. Insgesamt möchte ich an dem Strang weiterziehen, es gibt gar nicht so viel auszusetzen.

Was ich auch auf jeden Fall mitnehmen will, ist, dass wir ein Ensemble sind, das auch wirklich eines ist. Es war toll zu sehen, wie alle zusammengearbeitet haben. Einmal ist die Klimaanlage ausgefallen. Unser Mitarbeiter hat im Festspielhaus geschlafen, um in den kühlen drei Stunden in der Nacht alles aufzumachen, damit das Publikum am nächsten Tag kühle Räume vorfindet. Diese kleinen Dinge, in diesem ersten Jahr, die sind es einfach, die für mich mein Idealtheater ausmachen.

noe.orf.at: Gibt es auch wieder neue Fernseh- oder Filmprojekte?

Happel: Ja. Am 2. September kommt ein neuer Film heraus, „Freibad“ von Doris Dörrie, mit der ich verstärkt zusammenarbeite. Ich freue mich wirklich sehr darauf, es ist ein witziger Frauenfilm geworden.