Wissenschaft

Auf dem Weg zum Herz aus dem Reagenzglas

Hunderte Organe werden jedes Jahr in Österreich transplantiert, doch die Nachfrage nach Spenderorganen ist größer als das Angebot. Inwieweit künstliche Organe aus dem Labor künftig zum Einsatz kommen können, ist derzeit Thema eines Kongresses in Krems.

Seit mehr als 50 Jahren werden in Österreich erfolgreich Organe transplantiert. Mit einer Niere ist das in Wien bereits im Jahr 1965 gelungen. Mittlerweile sind einige Jahrzehnte vergangen und es sind mehrere hundert Organtransplantationen, die Jahr für Jahr in Österreich durchgeführt werden. Der Bedarf an Organen wird immer größer, sagt Viktoria Weber, Vizerektorin für Forschung und Entwicklung an der Universität für Weiterbildung in Krems und derzeit auch Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für künstliche Organe (ESAO).

Große Nachfrage nach Spenderorganen

„Die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot an Spenderorganen“, so Weber. „Das heißt, wir brauchen Verfahren, um Organe auf der einen Seite in ihrer Funktion zu unterstützen, und wenn das nicht mehr möglich ist, auch neue Organe zur Verfügung zu stellen.“ Das können einerseits Transplantate sein, aber auch „Entwicklungen, die aus dem Labor stammen“, sagt Weber. Wer dabei etwa an ein ganzes Herz aus dem Reagenzglas denkt, irrt jedoch. Davon ist man derzeit nämlich noch weit entfernt.

Forschung an künstlichen Organen

In Österreich werden jährlich Hunderte Organe transplantiert. Geforscht wird unterdessen an künstlichen Organen. In Krems fand dazu nun ein internationaler Kongress statt.

An der Universität für Weiterbildung in Krems forscht man derzeit vor allem an der „Grenzfläche zwischen Blut und Bio-Materialien“, sagt Weber. Dabei geht es etwa um das Thema Blutreinigung bei extrakorporalen Nieren- und Leberersatztherapien. Kommt das Blut dabei mit fremden Oberflächen bzw. Biomaterialien in Kontakt, entstehen neben dem erwünschten Effekt, dass bestimmte Stoffe aus dem Blut entfernt werden, auch Nebenwirkungen, etwa Entzündungen.

„Wir forschen daran, wie man diese Grenzflächen besser versteht und wie man Bio-Materialien so weiterentwickeln und verbessern kann, dass diese Aktivierungsvorgänge möglichst nicht mehr stattfinden und das Verfahren für den Patienten, die Patientin immer verträglicher wird“, erklärt Weber. Helfen könnte das vielen Patientinnen und Patienten. Laut Zahlen der Universität für Weiterbildung leiden weltweit mehr als 800 Millionen Menschen an chronischen Nierenschäden. Und in Österreich gibt es etwa 6.000 Dialysepatientinnen und -patienten.

Biologe Jens Hartmann bei der Arbeit
ORF / Sunk
Wechselwirkungen an der Grenzfläche zwischen Blut und Bio-Materialien sind einer der Forschungsschwerpunkte an der Universität für Weiterbildung in Krems

300 Wissenschaftler bei ESAO-Kongress in Krems

Das Thema extrakorporale Blutreinigung steht derzeit auch im Mittelpunkt des jährlichen Kongresses der ESAO. Noch bis Samstag widmen sich etwa 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt den Themen Organunterstützung und Organersatz. Der erste Tag stand dabei ganz im Zeichen der Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen. Bei Workshops konnte man dabei etwa erfahren, wie Gewebe im 3D-Drucker entstehen kann, künstliche Haut nähen oder auch einen Einblick in die Funktionsweise eines Elektronenmikroskops gewinnen – um hier wiederum Blut und die Bio-Verträglichkeit von Materialien zu untersuchen.

Doch wie sieht es nun aus mit Organen aus dem Reagenzglas? Das wird noch „viele Jahre dauern“, meint Weber. Ein ungelöstes Problem sei etwa, dass Organe auch entsprechend mit Blutgefäßen, Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden müssten. Erste Fortschritte gibt es laut Weber allerdings schon. So kann etwa im Labor gezüchtete Haut bereits klinisch zum Einsatz kommen, um großflächige Wunden zu versorgen.

Studentinnen beim Nähen künstlicher Haut
ORF / Sunk
Bei den Workshops für Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen standen auch ganz praktische Übungen auf dem Programm – etwa das Nähen von Haut.

Organoide als große Hoffnung der Forschung

Und auch „Mini-Organe“ werden bereits in der Forschung eingesetzt. So könne man sich die sogenannten Organoide vorstellen, sagt Weber – „Zellansammlungen, die ähnliche Eigenschaften haben wie Organe“. Sie besitzen großes Potential für die Erforschung von Krankheiten, für die Entwicklung und Testung neuer Medikamente sowie für die Untersuchung der Organentwicklung. Und diese „Mini-Organe“ können auch bereits im Reagenzglas gezüchtet werden. Ob das irgendwann auch mit richtigen Organen möglich sein wird, wird die Zukunft zeigen.