Politik

Ex-Botschafter zu Queen: „Ganzes Land im Schock“

Betroffen über den Tod von Queen Elizabeth II. zeigt sich der ehemalige Botschafter in Großbritannien und heutige Landesrat in Niederösterreich, Martin Eichtinger (ÖVP). „Für Großbritannien ist das eine schwere Zeit“, sagt er im Interview.

Martin Eichtinger war von 2015 bis 2018 Österreichs Botschafter in Großbritannien und hatte als solcher Queen Elizabeth II. auch persönlich getroffen. Er beschreibt sie als äußerst sympathisch und humorvoll. „Wenn sie mit einem gesprochen hat, hat man für ein paar Augenblicke geglaubt, dass man der einzige Mensch auf der Welt ist, der existiert“, sagte Eichtinger am Donnerstagabend im Interview mit dem ORF Niederösterreich.

Der gelernte Jurist ist seit März 2018 Mitglied im ÖVP-Regierungsteam in Niederösterreich und als Landesrat für Wohnen, Arbeitsmarkt, Europa und Regionalpolitik zuständig. Im Interview sprach er unter anderem über das weitere Prozedere nach dem Ableben der Queen und was von dieser besonderen Ära übrig bleiben wird. „Sie hat Großbritannien einen unglaublichen Zusammenhalt gegeben“, so Eichtinger.

Herr Landesrat, am Abend wurde die Meldung bestätigt: Queen Elizabeth II. ist tot. Was bedeutet das für Großbritannien?

Martin Eichtinger: Das bedeutet ein unglaubliches Maß an Trauer, ein ganzes Land liegt im Schock. Queen Elizabeth war eine unglaublich präsente Königin, hatte viele Verehrer im ganzen Land, aber nicht nur in Großbritannien, sondern weit darüber hinaus. Als langjähriges Oberhaupt des Commonwealth war sie auf der ganzen Welt präsent, auch als Staatsoberhaupt von Kanada und Australien. Daher ist heute sicher ein großer Teil der Welt in Bestürzung und Trauer.

Bereits am Nachmittag haben sich Menschen vor ihrem Landsitz in Schottland und vor dem Buckingham-Palast in London versammelt. Was spielt sich im Land jetzt ab?

Eichtinger: Es werden unglaublich viele Menschen zum Buckingham Palace kommen oder auch zum Schloss Windsor. Es wird Blumen- und Kerzenmeere geben. Die Menschen haben sie verehrt. Sie war eine sehr warmherzige Person, sympathisch mit einer unglaublichen Präsenz und Charisma. Sie hat Großbritannien einen Zusammenhalt gegeben. Ich glaube, dass das für Großbritannien eine ganz, ganz schwere Zeit ist.

Nachruf auf Queen Elizabeth II.

Königin Elizabeth II. war die längsdienende Monarchin der britischen Geschichte, mehr als 70 Jahre war sie auf dem Thron. Nach gesundheitlichen Problemen ist Elizabeth Alexandra Mary, Queen Elizabeth II., im Alter von 96 Jahren gestorben.

Sie waren von 2015 bis 2018 Botschafter in London. Welche persönlichen Erinnerungen haben Sie an die Queen?

Eichtinger: Ich durfte am 18. März 2015 mein Beglaubigungsschreiben überreichen, gemeinsam mit meiner Frau und Botschaftsmitarbeitern. Es war insofern eine besondere Überreichung, weil auch Prinz William anwesend war. Gerade an unserem Tag wollte die Königin Prinz William zeigen, wie das ist, wenn man ausländische Botschafter empfängt. Der Protokollchef hat damals gesagt: „Sie bekommen zwei für den Preis von einem“, weil Prinz William mit dabei war.

Wir hatten ein wunderbares Gespräch, haben ihren Besuch in Österreich Revue passieren lassen. Sie war als junge Königin 1969 in Österreich, in Wien, in Graz, in Salzburg, in Innsbruck, auch in Piber, weil sie eine große Pferdeliebhaberin war.

Ich durfte sie in der Folge mehrere Male treffen, denn es ist üblich, dass man als Botschafter vor Weihnachten einen Empfang im Buckingham Palace hat, wo man auch die Familie mitbringen darf. Auch unsere Kinder haben persönlich mit ihr gesprochen. Sie hat sich unglaublich viel Zeit genommen und mit allen Botschaftern persönlich gesprochen.

Queen Elizabeth und Martin Eichtinger
Buckingham-Palast
Ein besonderes Erinnerungsfoto: Im März 2015 traf Martin Eichtinger persönlich die Queen. Im Hintergrund: Prinz William, der zuschauen durfte, wie die Königin mit ausländischen Botschaftern umgeht.

Wie wird nun nach dem Ableben der Queen aus Ihrer Erfahrung heraus das weitere Prozedere im Buckingham-Palast sein?

Eichtinger: Es wird die Vorbereitung zu einem großen Staatsbegräbnis erfolgen. Ich habe vor kurzem mit unserem jetzigen Botschafter in London gesprochen, der bei der Botschafterkonferenz in Österreich ist und jetzt zurückfährt. Es werden natürlich alle Staaten der Welt eingeladen sein, es wird ein Treffen aller Staatsoberhäupter dieser Welt sein.

Wir dürfen nicht vergessen, dass sie auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche ist und die mittlerweile bei weitem längstdienende Monarchin, aber auch das längstdienende Staatsoberhaupt der Welt. Sie hat im Lauf ihrer Zeit mit Prinz Philip viele Reisen gemacht, sie ist auf der ganzen Welt bekannt. Es wird ein ganz, ganz großes Begräbnis in London werden.

„Briten liebten Berichterstattung über Queen“

Für viele Menschen war die Queen mehr als nur ein Staatsoberhaupt. War Sie aus Ihrer Sicht auch so etwas wie ein politischer Popstar?

Eichtinger: Das kann man wirklich sagen. Sie war unglaublich medienpräsent. Ihre Thronbesteigung im Jahr 1953 war das erste große im Fernsehen übertragene Ereignis dieser Art. Sie hatte eine unglaubliche Präsenz in den Medien. Die Berichterstattung über die Royal Family und in besonderem Maße über die Königin war etwas, das die Briten sehr geliebt haben. Man kann wirklich sagen, dass sie eine große Rolle fast wie ein Popstar gespielt hat.

Was wird von ihrer Ära in Erinnerung bleiben?

Eichtinger: Beeindruckend an ihr war, dass sie ihr ganzes Leben in den Dienst Großbritanniens gestellt hat. Sie hat zum Beispiel während des Zweiten Weltkriegs, als sie noch sehr jung war, in einer Unterstützungseinheit im Militär gedient. Sie hat ihr ganzes Leben als eine Dienstleistung an der Gesellschaft gesehen. Wir haben es auch gemerkt, bis zum Schluss. Sie hat die neue britische Premierministerin noch kurz vor ihrem Tod persönlich im Schloss Balmoral in Schottland empfangen. Sie ist im Dienst an der Gesellschaft Tag und Nacht unterwegs gewesen. Das wird die britische Bevölkerung nie vergessen.

Was ist sonst über geblieben? Die große Rolle als Einigerin Großbritanniens. Es hat immer wieder zentrifugale Kräfte gegeben, zum Beispiel 2014 das Referendum in Schottland. Aber sie war immer die große Klammer über die einzelnen Teile Großbritanniens und das war eine wichtige Rolle. In ihrer Zeit war die Entkolonialisierung des British Empire, sie hat den Kalten Krieg erlebt, sie hat den Beitritt Großbritanniens 1973 zur Europäischen Union genauso erlebt wie den „Brexit“ und das Referendum des Jahres 2016.

Auf die Queen folgt ein männlicher Thronfolger, Charles III. Wird er dieses Amt neu erfinden müssen?

Eichtinger: Jeder Monarch hat seine eigene Art und Weise, wie er das Amt ausübt. In den letzten Jahren hat sich die britische Bevölkerung mehr und mehr den Übergang zu König Charles vorstellen können. Ich glaube, dass er sich über die Jahre hinweg an der Seite der Queen sehr intensiv auf diesen Moment vorbereitet hat.

Queen Elizabeth II. ist tot

Großbritannien trauert: Queen Elizabeth II. ist tot. Sie sei Donnerstagnachmittag gestorben, teilte der Buckingham-Palast mit. Die Langzeitmonarchin hatte 1952 den Thron bestiegen. Ihr Sohn Charles (73) ist nun König.

Sie haben vorhin über Ihren persönlichen Bezug und Ihre Erinnerungen an die Queen gesprochen. Wie sehr hat Sie heute die Nachricht über ihren Tod getroffen?

Eichtinger: Mich persönlich sehr, weil ich ihr gegenüber eine unglaubliche Sympathie empfunden habe, auch meine Familie, denn sowohl meine Frau als auch unsere Tochter und unser Sohn konnten sie persönlich treffen. Alle sind sehr bestürzt, weil – und das war ein besonderes Element – sie mit vielen Menschen schnell eine Verbindung herstellen konnte.

Man hat sehr schnell mit ihr einen persönlichen Kontakt entwickelt. Wenn sie mit einem gesprochen hat, hat man für ein paar Augenblicke geglaubt, dass man der einzige Welt ist auf der Mensch, der existiert. Sie war auch sehr humorvoll, hat mit uns immer gescherzt. Wir haben von jedem Treffen mit ihr eine nette Geschichte mitgenommen.

Glauben Sie, dass es so eine Persönlichkeit wie die Queen noch einmal geben kann?

Eichtinger: In der Form glaube ich wirklich nicht. Es ist mit ihr wirklich eine Ära zu Ende gegangen. Eine solche Persönlichkeit, die so einen großen Bogen unserer Geschichte überspannt und dabei immer diese enorme Wertschätzung der Bevölkerung genießt, wird in der Form heutzutage wahrscheinlich nicht mehr vorkommen.