Schule Pottendorf
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Kulturerbe

Schule im Gemeindebaustil sorgte für Wirbel

Schulreformer Otto Glöckel hat in der Zwischenkriegszeit in seiner Heimatgemeinde Pottendorf (Bezirk Baden) einen Schulneubau angeregt, der ein völlig neues Unterrichten ermöglichte. Politisch war der Bau aber umstritten.

Die Schüler und Schülerinnen der Volks- und Mittelschule Pottendorf betreten morgens ein ganz besonderes Gebäude: Ihr Schulhaus wurde von 1928–1929 ganz bewusst im Stil der großen Gemeindebauten des „roten Wiens“ errichtet. Das ist kein Wunder: Die beiden Architekten der Schule, Karl Krist und Robert Oerley, errichteten zur selben Zeit in Wien den großen George-Washington-Hof in Favoriten.

Der moderne Schulbau in Pottendorf entzweite 1927 die Gemeindepolitik zutiefst. Dreimal wurde der Gemeinderat aufgelöst und neu gewählt, bis der Bau genehmigt werden konnte. Selbst die Eröffnung war zweigeteilt, schildert der Bürgermeister und Fremdenführer der Marktgemeinde, Thomas Sabbata-Valteiner (SPÖ): „Zuerst war der Eröffnungstag mit der Segnung durch die kirchlichen Würdenträger, dann folgte der Eröffnungstag, bei der Otto Glöckel die Eröffnungsrede hielt. Er wurde in Pottendorf geboren und hat diesen Schulneubau damals forciert. Dies ist ein Beispiel dieser von ideologischen Spannungen gekennzeichneten Zeit.“

Aussehen der Schule als Programm

Pottendorf war durch die große Spinnereifabrik eine klassische Arbeiterstadt innerhalb eines konservativ geprägten Umlandes. Der architektonische Konnex zum roten Wien war durchaus gewollt und die Modernität, die das Gebäude ausstrahlte, wurde von konservativer Seite als Provokation empfunden.

Die Schule ist nicht nur in ihrer Form einzigartig: Auf den Terrassen der Flachdächer wurde unterrichtet. Ein Kräutergarten wurde von den Schülerinnen und Schülern angelegt, der bis zu 100 Kilogramm Kräuter hervorbrachte. Das Haus verfügte zudem über das erste Schulschwimmbad in Österreich, erklärt der neue Direktor der Mittelschule, Markus Schmitner: „Wir hatten damals bereits ein Schularztzimmer, ein Zahnarzt war im Haus. Viele Lehrer gingen mit ihren Schülern auf die Terrassen, um Musik zu machen, Zeichenunterricht abzuhalten oder einfach nur zum Sonnenbad.“

Fotostrecke mit 6 Bildern

Archivaufnahmen Schule Pottendorf
Archiv Heimatmuseum Pottendorf
Die Architektur der Schule war damals höchst umstritten
Archivaufnahmen Schule Pottendorf
Archiv Heimatmuseum Pottendorf
Das Haus verfügte über das erste Schulschwimmbad in Österreich
Archivaufnahmen Schule Pottendorf
Archiv Heimatmuseum Pottendorf
Archivaufnahmen Schule Pottendorf
Archiv Heimatmuseum Pottendorf
Archivaufnahmen Schule Pottendorf
Archiv Heimatmuseum Pottendorf
Das Schwimmbad im Untergeschoß musste 1976 abgebrochen werden
Archivaufnahmen Schule Pottendorf
Archiv Heimatmuseum Pottendorf
Heute sind hier Klassenzimmer untergebracht

Zubauten erfolgten in Stil der Zwischenkriegszeit

Das Schwimmbad im Untergeschoß musste 1976 abgebrochen werden. Heute sind hier Klassenzimmer untergebracht. Aus Sicherheitsgründen sind die Flachdächer für den Schulbetrieb gesperrt. Die Flachdächer dienen heute der Energiegewinnung. Das Baukonzept mit hellen Räumen erwies sich dennoch als visionär.

„Licht ist in der Schule ganz, ganz wichtig, nicht nur für das angenehme Lernen. Je mehr Tageslicht man hat, desto weniger Strom braucht man, gerade in Zeiten wie diesen. Das ist ein brandaktuelles Thema. Deshalb sind wir so dankbar, dass vor allem die Gänge und Treppenhäuser so hell sind“, freut sich Direktor Schmitner bei einem Rundgang durchs Haus.

Die Drohnenaufnahmen zeigen die Schule heute. Auf dem Flachdach wird nicht mehr unterrichtet, sondern Strom erzeugt.

Schule sorgte für Aufsehen bei Pädagogen

Schüler und Schülerinnen konnten sich duschen und im schuleigenen Bad das Schwimmen erlernen, als in Pottendorf noch wenige Häuser über fließendes Wasser und Strom verfügten. Der Schulbau belastete das Gemeindebudget 1929 sehr stark.

„Die Kredite wurden von der Gemeinde über 60 Jahre aufgenommen. Bis in die 1980er Jahre zahlte die Gemeinde Geld an die Banken zurück. Durch den Zweiten Weltkrieg und die Währungsreformen war es zum Glück nicht mehr derselbe Betrag wie zu Beginn der Darlehen“, erläutert Bürgermeister Thomas Sabbata-Valteiner.

Es klingt wie eine Anekdote, hat sich aber so zugetragen: Die neue und besondere Schule erregte so viel Aufsehen, dass der erste Schulleiter, Hans Brod, von seinen Unterrichtstätigkeiten freigestellt werden musste, um Führungen durchs Haus abhalten zu können.