Das Massaker von Ahmici ging in die Annalen des Jugoslawien-Krieges ein. Der Hürmer Thomas Obruca war von 2002 bis 2007 Sonderermittler beim UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und mit der Aufarbeitung dieser Geschehnisse befasst. Er schrieb ein Buch über die acht Tage, die der 13-jährigen Adnan Zec erlebte und überlebte.
Die Grausamkeiten kamen damals aus völlig heiterem Himmel, erzählt Thomas Obruca. Wohl waren Kriegshandlungen bekannt, aber „dass dieser Schrecken über ein Dorf hereinbricht, in dem die Einwohner eine Woche zuvor noch gemeinsam Ostern gefeiert haben, Kroaten und Muslime, das war nicht absehbar“, so Obruca. Daraus lernt man „wie schnell sich die Welt ändern kann.“
116 Tote, großteils Frauen und Kinder
116 Menschen wurden innerhalb weniger Stunden ermordet. Sie alle waren Zivilisten, großteils Frauen und Kinder. An ihre Namen und die Ereignisse von damals erinnern heute Gedenkstelen (siehe Bild oben). Adnan, dessen Eltern und Schwester umgebracht worden waren, überlebte schwer verletzt, erzählt Obruca: „Er blieb auf der Straße liegen und stellte sich tot. Einen Tag lang, während die feindlichen Soldaten in unmittelbarer Nähe vorbeigingen. Irgendwann schaffte er es, sich in ein ausgebranntes Haus zu flüchten, wo er eine Woche später von UNO-Soldaten gefunden und gerettet wurde.“

Diese acht Tagen im Leben des 13-Jährigen zeichnet das nun erschienene Buch nach. Im Zuge des Kriegsverbrechertribunals war Adnan Zec im Jahr 2005 ein wichtiger Zeuge, den Thomas Obruca befragte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits Familie und zwei Kinder. Nach der Befragung präsentierte er Thomas Obruca stolz die neugeborene Tochter. „Es war ein hartes Interview, wie das eben in solchen Situationen der Fall ist. Und dann der Schwenk in sein neues Leben mit der Tochter in der Hand. Das war so beeindruckend, das lässt mich bis heute nicht los“, erinnert sich Thomas Obruca. Deshalb habe er sich auch entschlossen, dieses Buch zu schreiben.
Parallelen mit der Ukraine
Thomas Obruca ist heute stellvertretender Leiter des Amtes für Asyl und Fremdenwesen im Innenministerium. Die aktuelle Situation in der Ukraine zeige unübersehbare Parallelen, sagt er: „Das gleiche, was vor fast dreißig Jahren in Bosnien passiert ist, passiert jetzt in der Ukraine. Als ich im Jahr 2019 begonnen habe, dieses Buch zu schreiben, hätte ich mir in den schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können, dass sich praktisch vor unserer Haustür gleiche Schicksale entwickeln. Das Buch soll jetzt als Spiegel dienen für die Menschheit, dass sich alles jederzeit wiederholen kann – auch das Schreckliche.“