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Gewalt an Frauen „in allen sozialen Schichten“

Am Freitag, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, ist mit einem Flashmob in Krems auf das Thema aufmerksam gemacht worden. Gewalt an Frauen passiere „in allen sozialen Schichten“, sagte Gewaltschutzexpertin Egger.

Am Freitagnachmittag wurden vor dem Kunsthaus in Krems 56 rote Schuhe aufgestellt: Jedes Paar für eine Frau, die dieses Jahr in Österreich gewaltsam getötet wurde. Allein in Niederösterreich waren es mutmaßlich sechs, so eine Zählung des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF). Um auf die Problematik aufmerksam zu machen, findet auch in Österreich wieder die Kampagne „Orange the World“ statt.

Aus diesem Anlass hat der Soroptimist Club Krems Fidelitas gemeinsam mit der Kunsthalle Krems einen Flashmob organisiert. „Man braucht ein Wachrütteln, ein Aufrütteln, weil sonst ist nur nur zu sagen: Ja, das ist schlimm und wir müssen etwas tun gegen Gewalt an Frauen, das funktioniert nicht. Wir müssen aktiv verhandeln. Wir müssen auch die Männer vor den Vorhang bitten“, sagt Initiatorin Regina Stummer.

Gewalt gegen Frauen Flashmob Krems
ORF
Am Freitag gab es in Krems einen Flashmob

NÖ Frauentelefon:

Das NÖ Frauentelefon bietet unter 0800/800 810 kostenlose und anonyme Beratung: jeweils montags, mittwochs und freitags von 10.00 bis 14.00 Uhr.

Frauenhelpline:

Frauen, die Schutz oder Beratung suchen, können sich rund um die Uhr auch an die Frauenhelpline wenden: 0800/222 555 – kostenlos und anonym aus ganz Österreich.

Frauenhäuser und Beratung:

Eine Übersicht über Gewaltschutzzentren, Frauenhäuser und Beratungsstellen in NÖ finden Sie hier

Mehr als 2.000 Betretungsverbote

Meistens ist sind es Ex-Partner, Bekannte oder Familienmitglieder, die Gewalt ausüben – im Vorjahr gab es mehr als 2.300 Betretungs- und Annäherungsverbote, heuer sind es um neun Prozent mehr. Das sei aber nicht unbedingt negativ zu deuten, sagt Thomas Schneeweiss von der Kriminalprävention des Landeskriminalamts NÖ. „Für mich muss das nicht unbedingt etwas Negatives sein. Ich würde das eher so bewerten, dass mehr Gewalttaten ans Licht gelangen, dass mehr Gewaltopfer sichtbar werden.“

Gewalt passiert in allen sozialen Schichten, betonte Michaela Egger, Gewaltschutzexpertin und Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums in Niederösterreich, im Interview mit noe.ORF.at. „Es ist nicht abhängig davon, ob jemand zugezogen ist oder nicht. Wir haben Gewalt und häusliche Gewalt auch bei den typischen Österreicherinnen und Österreicher, wenn man es so bezeichnen will“, so Egger.

Studiogespräch zu Gewalt an Frauen

Michaela Egger, Gewaltschutzexpertin und Geschäftsführerin der Gewaltschutzzentren Niederösterreich, spricht darüber, wieso Gewalt an Frauen noch immer ein Tabuthema ist und was man tun kann, wenn man im eigenen Umfeld Gewalt vermutet.

„Gewalt in allen Schichten vertreten“

Dennoch seien die Faktoren Zuwanderung und Migration ein Thema. „Man braucht nur daran denken, dass die Kommunikation mit einer zugewanderten Person natürlich schwieriger ist“, so die Expertin. „Da erfolgt die Erzählung über Dolmetsch. Das ist natürlich eine Hemmschwelle, aber trotzdem müssen wir uns bewusst sein, dass Gewalt in allen Schichten vertreten und auch dementsprechend zu behandeln ist.“

Aus Scham oder Angst würden sich aber nach wie vor viele keine Hilfe holen, sei es bei der Polizei oder bei Gewaltschutzeinrichtungen. „Ein Opfer kann nichts falsch machen. Der Täter hat eine falsche Handlung gesetzt und ist für diese Handlung auch verantwortlich“, betont Schneeweiss.

Gewalt gegen Frauen Flashmob Krems
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28 Frauen, sechs davon in Niederösterreich, wurden 2022 in Österreich mutmaßlich ermordet. Für jede von ihnen wurde am Freitag vor der Kunsthalle Krems ein paar rot gefärbte Schuhe aufgestellt.

Täterarbeit: 22,2 Prozent rückfällig

In der Haft spielt die Täterarbeit eine wichtige Rolle, sagt Sandra Gaupmann, sie ist Leiterin des Psychologischen Dienstes in der Justizanstalt Stein. „Warum schlägt jemand seine Frau? Das muss man sich im Einzelfall anschauen und adäquate Behandlungsmaßnahmen finden. Manche Täter sind nicht wirklich sozialisiert. Wie lebt man hier in Österreich? Wo sind unsere Werte? Das ist natürlich auch gerade bei ausländischen Tätern wichtig.“

Andere Täter müssten lernen, ihren Tag zu strukturieren: In der Früh aufzustehen, arbeiten zu gehen, eine sinnvolle Beschäftigung zu haben. In manchen Fällen stellt der Psychologische Dienst Persönlichkeitsstörungen oder andere psychische Störungen fest, so Gaupmann.

„Natürlich gibt es auch Menschen, die sich nicht ändern wollen, aber das ist ein ganz geringer Prozentsatz. Wir zeigen ihnen, welche Möglichkeiten sie haben“, so Gaupmann. Durch die psychologische Täterarbeit sinke der Anteil der Täter, die nach der Haftentlassung erneut Gewalt ausüben, auf 22,5 Prozent. Wenn Täter unbehandelt aus der Haft entlassen werden, sei dieser Anteil viel höher, so Gaupmann.