Bettina Masuch im Festspielhaus St. Pölten
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„Ganz Persönlich“

Festspielhaus: „Haben bisher Glück gehabt“

Bettina Masuch ist die neue künstlerische Leiterin des Festspielhauses St. Pölten. Gegenüber noe.ORF.at spricht sie über ihre Ambition, eine Tanzcompanie zu gründen, und darüber, wie schwierig es ist, nach den Lockdowns wieder Publikum anzulocken.

Bettina Masuch, geboren 1964 in Solingen in Nordrhein-Westfalen, studierte Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften. Nach Engagements als Dramaturgin in Brüssel und Berlin war sie zuletzt Intendantin des Tanzhauses NRW in Düsseldorf. Im September folgte sie Brigitte Führle als künstlerische Leiterin des Festpielhauses St. Pölten nach.

noe.ORF.at: Seit drei Monaten sind Sie künstlerische Leiterin des Festspielhauses. Ihre Stationen davor waren Zürich, Berlin, Düsseldorf und Brüssel. War die Umstellung auf St. Pölten groß?

Bettina Masuch: Es ist natürlich immer eine Umstellung, an einen neuen Ort zu kommen, weil die Menschen immer anders sind. Das Haus ist immer ein anderes und so ein Theater, wie mir das vorschwebt, funktioniert natürlich nur im Zusammenspiel mit den Menschen vor Ort. Das ist eine Reise ins Unbekannte. Natürlich kannte ich das Haus, ich kannte einige Kolleginnen und Kollegen hier und viele Künstlerinnen und Künstler, die hier aufgetreten sind. Es ist kein „Unknown Territory“, aber immer wieder ein Wagnis, sich auf einen neuen Ort einzulassen.

noe.ORF.at: Mittlerweile waren schon einige Premieren. Sind Sie angekommen?

Masuch: Ja, ich bin angekommen. Ich fühle mich wahnsinnig wohl hier. Ich bin sehr, sehr herzlich aufgenommen worden. Das Programm habe ich mir in der Zeit der Pandemie überlegt, als ich gar nicht richtig wusste, wer denn die Menschen hier eigentlich sind, die ins Festspielhaus kommen. Da war sehr viel Projektion involviert, aber das ist bisher sehr gut aufgegangen.

Bettina Masuch im Festspielhaus St. Pölten
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Masuch im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteur Robert Friess

noe.ORF.at: Es kommen jetzt weniger Menschen in Theater, in Konzerte und ins Kino als vor der Pandemie. Man spricht von bis zu 20 Prozent weniger. Wie sehr trifft das das Festspielhaus?

Masuch: Es trifft uns, aber es trifft uns im Moment nicht hart. Wir haben bis jetzt Glück gehabt. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass viele Menschen neugierig darauf sind, was ich jetzt hier tue – das freut mich natürlich. Ich glaube auch, dass es damit zu tun hat, dass wir ein sehr treues Publikum haben. Davon profitieren wir jetzt sehr.

noe.ORF.at: Aber trotzdem, worauf führen Sie das zurück? Ist es ein Zögern, ist es Angst oder ist das Sparen ein wichtiges Thema?

Masuch: Ich glaube, es ist eine Mischung aus allem. Es gibt sicher vor allem ältere Menschen, die immer noch zögerlich sind. Zuerst war es Covid, jetzt ist es die Grippewelle oder eine Mischung aus beidem. Vielleicht haben manche Menschen in der Pandemie auch ein anderes Freizeitverhalten entwickelt. Dazu kommt die allgemeine Teuerung. Wir spüren, dass die Menschen sehr viel stärker auswählen, was sie schauen. Da spielen natürlich dann große Namen eine Rolle, bekannte Stücke, die wir in der Regel weniger haben. Junge Künstler werden es langfristig schon schwerer haben, das spüren wir jetzt schon.

noe.ORF.at: Sie setzen in St. Pölten auf Tanz. Soll das Festspielhaus so etwas wie ein Zentrum des zeitgenössischen Tanzes werden?

Masuch: Das Haus hat zwei Schwerpunkte, den Tanz und die Musik. Das ist wirklich ein Alleinstellungsmerkmal. Besonders ist natürlich auch die geografische Lage des Hauses, 50 Kilometer von Wien entfernt. Das ist einerseits gut und andererseits schwierig, weil wir sozusagen mitdenken, was die Kollegen in Wien tun. Dieses Haus kann dem Tanz eine große Bühne geben. Das gibt es so in Wien nicht – in den Opernhäusern natürlich schon, aber für den zeitgenössischen Tanz gibt es diese Bühne nicht. Das ist auch im europäischen Kontext eine große, seltene und sehr kostbare Ausnahme.

noe.ORF.at: Sie gehen neue Wege. Nach den Aufführungen gibt es sogenannte offene Premierenfeiern. Da vermischen sich das Publikum und die Akteure. Es wird auch gemeinsam getanzt. Ist das etwas, was vor allem junge Menschen anziehen soll?

Masuch: Ich glaube, dass das Menschen jeden Alters anspricht. Ich bin ja jetzt auch nicht mehr so jung. Mir ist wichtig, dass sich dieses Haus öffnet und ein Haus für viele Menschen mit unterschiedlichen Geschmäckern ist. Außerdem glaube ich, dass es wichtig ist, nach einer Aufführung darüber zu reden und miteinander zu feiern. Das trägt dazu bei, dass viele Menschen diese Offenheit mit diesem Haus verbinden und dann hoffentlich auch gerne wiederkommen.

noe.ORF.at: Ein Plan von Ihnen war ja, eine Jugendtanzkompanie aufzubauen. Wie weit ist das gediehen?

Masuch: Schon sehr weit! Wir haben seit einer Woche eine künstlerische Leiterin, die wir gemeinsam mit den Musikschulen in St. Pölten und den Musikschulen Niederösterreich ausgewählt haben. Nächstes Jahr geht es dann in die konkrete Planung und ab Sommer geht es los.

noe.ORF.at: Das Festspielhaus ist Residenz des Tonkünstlerorchesters Niederösterreich. Gibt es bald eine eigene Dance Company?

Masuch: Wir haben ja auch in dieser Saison eine Vorstellung im Programm, bei der Jugendliche gemeinsam mit Künstlern arbeiten. Ich glaube, dass das die besten Momente sind, bei denen man Jugendliche an die Möglichkeiten von Kunst heranführen kann. Das Orchester ist ein bisschen wie das große Kino, da kommt alles zusammen. Wenn mir das gelingen würde, dann hätte ich wirklich etwas erreicht.

noe.ORF.at: Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen, leben in Wien, pendeln nach St. Pölten. Wie schwer tun Sie sich mit der österreichischen Mentalität?

Masuch: Das fragen Sie am besten meine Kollegen. Ich fühle mich hier sehr wohl und aufgenommen und lebe sehr gerne hier. Ich mag das Essen und die Mentalität.

noe.ORF.at: Das Festspielhaus ist heuer 25 Jahre alt geworden. Es hat mittlerweile fünf künstlerische Leiterinnen und Leiter gegeben.
Wie lange wird Bettina Masuch bleiben?

Masuch: Ich bin ohne Rückflugticket gekommen. Mein Vertrag hat natürlich eine bestimmte Laufzeit mit der Option, ihn zu verlängern. An so etwas denke ich gar nicht. Wenn ich an so ein Haus denke, dann denke ich an die Möglichkeiten und daran, was hier alles noch passieren kann.