Lebensmittelretterladen
ORF/Tobias Hollerer
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Chronik

Familie rettet Lebensmittel vor dem Müll

In Österreich landen jährlich fast 160.000 Tonnen Lebensmittel im Müll. Eine Familie aus Tulln will das so nicht hinnehmen. In einem Geschäft bietet sie das an, was andere wegwerfen würden. Was dann immer noch übrig bleibt, wird verkocht.

Familie Gruber arbeitet sozusagen bei der Rettung, sie rettet aber keine Menschen, sondern Lebensmittel – und zwar vor der Mülltonne. Jeden Tag fahren die Grubers mit einem Kastenwagen Supermärkte, Tankstellen und Bäckereien an, um das abzuholen, was sonst weggeworfen würde. Beim Aussortieren stellen Julia und Laura Gruber und ihr Vater Zoltan immer erstaunt fest, wie einwandfrei fast alle diese Produkte sind.

„Bei den meisten Dingen ist es, weil es Schönheitsmängel gibt. Zum Beispiel kann der Bauer die Erdäpfel nicht im Supermarkt verkaufen, wenn sie nicht die richtige Form haben“, erzählt Julia Gruber, die den Shop in Tulln leitet. Zudem werde vielerorts schlichtweg zu viel produziert. Außerdem bekomme man täglich Produkte, die das Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht haben. „Oft haben die Kundinnen und Kunden bei uns im Markt dann ein Produkt in der Hand und fragen mich: ‚Warum wird das bitte weggeworfen? Das hat ja nichts.’“

Nicht nur Sozialmarkt, auch Lebensmittel retten im Fokus

Ein großes Thema sei auch Brot und Gebäck, erzählt Gruber. „Wir bekommen jeden Tag Kisten voll Brot, das sonst weggeschmissen würde. Das ist teilweise noch warm, wenn wir es bekommen, weil die Handelsketten bis zum Abend Gebäck aufbacken.“

Diese einwandfreien Brotlaibe, Semmeln und Weckerln gibt es im Geschäft von Familie Gruber zu einem Bruchteil des Normalpreises. Die Türen stehen allen offen: denen, die sich den Einkauf im normalen Supermarkt schlichtweg nicht leisten können, aber auch denen, die der Wegwerfgesellschaft den Kampf ansagen wollen – für sie gibt es eine Mitgliedskarte der Lebensmittelrettung Österreich.

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Mutter Tatjana verkocht das, was im Markt immer noch übrig bleibt, um die Lebensmittel vor der Tonne zu retten
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All das – ein einwandfreies Mittagessen – wäre ohne die Lebensmittelretter für die Mülldeponie bestimmt gewesen
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Jeden Tag kommen in Tulln Produkte aus umliegenden Supermärkten an
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Diese Bananen können im Supermarkt nicht mehr verkauft werden, weil sie außen braun sind
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Im Lebensmittelrettergeschäft bezahlt man einen Bruchteil des Normalpreises
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Wer Lebensmittel vor der Mülltonne retten möchte, bekommt eine Mitgliedskarte
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Familie Gruber ist sich sicher: Nur weil ein Joghurt zwei Tage abgelaufen ist, muss es nicht sofort in den Müll

Was immer noch übrig bleibt, wird verkocht

Selbst im Geschäft bleiben aber immer noch Lebensmittel übrig, und diese werden hinter den Kulissen von Mutter Tatjana verkocht. Bei Familie Gruber gibt es also in einem kleinen Imbissbereich auch Mittagessen fürs kleine Budget, in der „Auskocherei“. „Die Idee ist uns nach unserer jahrelangen Tätigkeit in der Gastronomie gekommen, wo man auch viel wegschmeißen muss, weil man nach Karte kochen muss“, erzählt Gruber.

Das sieht jetzt anders aus: Wenn der Supermarkt viele braune Bananen schickt, gibt es in der „Auskocherei“ Bananenbrot. Wenn der Bauer Erdäpfel mit Schönheitsmängeln abgibt, steht Erdäpfelgulasch auf dem Speiseplan. Die Idee, einen Shop und einen kleinen Imbiss zu verbinden, kam auch dadurch, dass Familie Gruber im vergangenen Frühjahr für ukrainische Flüchtlinge kochte und die Lebensmittel dafür in einem Sozialmarkt bezog, um selbst keine großen Kosten zu haben.

Familie als Lebensmittelretter

In Österreich landen fast 160.000 Tonnen Lebensmittel im Müll. Eine Familie aus Tulln will das so nicht einfach hinnehmen. Die Grubers haben ein kleines Geschäft aufgemacht, in dem sie das anbieten, was Supermärkte, Bäckereien und Bauern wegwerfen würden.

„Täglich warmes Essen hat jeder verdient“

„In unsere ‚Auskocherei‘ kommen viele, denen es wichtig ist, Lebensmittel zu retten, aber auch Sozialhilfeempfänger bzw. die, die mit dem Einkommen einfach nicht auskommen, zum Beispiel Pensionisten“, sagt Tatjana Gruber, „und all diese Menschen haben täglich warmes Essen verdient. Das war unser Ansatz.“

Die Botschaft, die die Grubers vermitteln wollen, ist also klar: Jedes zwei Tage abgelaufene Joghurt und jeder schrumpelige Paprika, der im Müll landet, ist einer zu viel. „Andere Kinder haben nichts zu essen, und wir in Österreich werfen so viel weg, das geht einfach nicht“, meint Julia Gruber.