Für viele ist es ein Kindheitstraum, einmal selbst mit einer Lokomotive zu fahren. Die 32-jährige Andrea Pieters hat als Kind noch nicht daran gedacht, sondern die Weichen zu ihrem Job erst kurz nach der Matura gestellt. Ihr Bruder hatte bei den ÖBB in der Werkstatt gearbeitet und ihr vorgeschlagen, Lokführerin zu werden. „Jetzt bin ich seit mittlerweile 14 Jahren glücklich dabei“, sagt Pieters.
Österreichweit gibt es rund 4.250 Lokführerinnen und -führer bei den ÖBB, 140 davon sind Frauen. „Es ist ein super Gefühl. Je nachdem, wie lang und wie schwer die Züge sind, wie viele Leute drinnen sind, dass man die Verantwortung für diese Leute hat und dass sie sich einfach wohlfühlen und nichts denken dabei, dass der Zug fährt. Das ist ein sehr gutes Gefühl“, sagt Pieters im Gespräch mit noe.ORF.at nach der Fahrt von Amstetten zum Wiener Westbahnhof.
Der Beruf des Lokführers gilt in Österreich als Mangelberuf. Die ÖBB suchen aufgrund einer großen Pensionierungswelle für die kommenden Jahre 400 Lokführer, alleine in der Ostregion gibt es 220 offene Stellen. „Ein Thema sind wahrscheinlich die Dienstzeiten. Man macht auch Nachtdienste und Wochenenden und das schreckt wahrscheinlich viele Leute ab. Ich sehe es aber umgekehrt. Ich habe dafür unter der Woche frei und man auch nicht jedes Wochenende Dienst“, sagt Pieters.
Als Lokführerin oder Lokführer ist man bei den ÖBB jedenfalls finanziell gut auf Schiene. Pieters kommt inklusive Zulagen auf etwa 2.500 Euro netto im Monat. ÖBB-Angaben zufolge wird man als Lokführer „überkollektivvertraglich“ mit mindestens 37.100 Euro brutto pro Jahr entlohnt.
Die Ausbildung zum Triebfahrzeugführer – wie der Beruf offiziell heißt – dauert etwa ein Jahr und wird bereits vom ersten Tag an entlohnt, „was sie auch für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger besonders attraktiv macht“, heißt es von den Österreichischen Bundesbahnen. Nach einer theoretischen Einführung dürfen die Nachwuchskräfte nach zehn Wochen erstmals mit einem Fahrtrainer mit einer Lok fahren. Die ÖBB betreiben in St. Pölten ein eigenes Bildungszentrum, in dem auch Lokführerinnen und Lokführer für andere Unternehmen ausgebildet werden.
Wer sich als Lokführer bewerben möchte, muss über eine abgeschlossene Ausbildung – Lehre oder Matura – verfügen, mindestens 19,5 Jahre alt sein, den Präsenz- oder Zivildienst absolviert haben, gute Deutschkenntnisse vorweisen können, körperlich fit sein und ein sehr gutes Seh- und Hörvermögen haben. Außerdem wird die Bereitschaft zum Schichtdienst und somit auch zum Arbeiten in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen mit wechselnden Arbeitszeiten vorausgesetzt.
Fleischer kämpfen mit Imageproblem
Als Knochenjob verschrien ist der des Fleischers. Fritz Ettl hat vor 20 Jahren den Betrieb in Ober-Grafendorf (Bezirk St. Pölten) von seinem Vater übernommen. Viele andere Fleischereien finden aber keinen Nachfolger. Mehr als 70 Betriebe haben in den vergangenen zehn Jahren zugesperrt, wie aktuelle Zahlen der Fleischerinnung in der Wirtschaftskammer zeigen. 2012 gab es noch 337 Fleischereien in Niederösterreich, 2017 waren es nur noch 290, aktuell sind es 265.
„Es ist nicht mehr ganz so hip, Fleischer zu sein bzw. Fleisch zu essen. Der Vegetarieranteil steigt. Für junge Mitarbeiter ist es schwierig, zu sagen, ich bin Fleischer. Man bekommt oft negatives Feedback von Freunden“, sucht Ettl nach möglichen Gründen für das „Fleischersterben“. Seitens der Innung verweist man darauf, dass es schwierig sei, Fachkräfte zu finden bzw. Fleischermeister, die einen Betrieb übernehmen. Auch die Energiekrise würde aktuell eine Rolle spielen, weil es nicht möglich sei, die Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben.
Fritz Ettl will dem Imageproblem etwas entgegensetzen und versucht bewusst, hip zu sein. Er tritt mit Kapperl auf, zeigt in YouTube-Videos die Arbeit eines Fleischers, das Geschäft in Ober-Grafendorf ähnelt mehr einem Restaurant als einer Fleischerei, wie man sie von früher kennt. Der Aufwand wird von den Kundinnen und Kunden belohnt. „Speziell jetzt wird die Wertschätzung immer mehr. Die Kunden schätzen das und freuen sich, dass es noch einen Fleischer gibt“, sagt Ettl.
Sein Arbeitstag beginnt meist zwischen 5.00 und 6.00 Uhr und endet zwischen 18.00 und 19.00 Uhr. „Als erstes wird die Vitrine eingeräumt, der Geselle löst das Fleisch aus und richtet die Würste her. Dann wird den ganzen Tag verkauft. Wir schlachten noch selbst, zerlegen selbst und machen auch die Würste noch selbst. Es ist sehr umfangreich, man lernt viel bei uns“, so der Fleischermeister. Er beschäftigt aktuell fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sucht einen Lehrling und eine Person für den Verkauf.
Weil Fachkräfte dringend gesucht werden, zahlen die meisten Fleischerbetriebe mehr, als im Kollektivvertrag steht. „Zum Kollektivvertragslohn bekommt man keinen mehr“, heißt es von der Innung in der Wirtschaftskammer. Als Facharbeiter kommt man auf fast 2.000 Euro netto im Monat, als Meister auf über 3.000 Euro. Im Kampf um Arbeitskräfte setzt die Fleischerinnung auf Social-Media-Kampagnen, die sich konkret an Zwölf- bis 14-Jährige in Niederösterreich richten. So gab es zuletzt etwa eine „Fleisch ist geil“-Kampagne, neue Sujets sind in Planung.
Pflege lockt Personal mit flexibler Arbeitszeit
Ein Rezept gegen den Fachkräftemangel sucht man auch im Pflegebereich. Markus Bina ist einer von 400 Pflegemitarbeitern der Volkshilfe in Niederösterreich, der 31-Jährige leitet die Sozialstation Pielachtal in Ober-Grafendorf. Mehr als 100 Pflegerinnen und Pfleger werden bei der Volkshilfe derzeit gesucht. Freie Stellen zu besetzen, ist aber schwierig. Warum sich Bina diesen Job „antut“? „Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch. Ich mag es nicht, tagein, tagaus im selben Raum zu sitzen, sondern bin gerne draußen in der Natur.“
Bina fährt als Hauskrankenpfleger zu den Kundinnen und Kunden nach Hause. noe.ORF.at begleitet ihn zu einem Herrn, der nach einem Schlaganfall Pflege benötigt. Bina wechselt einen Verband, hilft beim Medikamentendosieren und dokumentiert den Gesundheitszustand. Der Vorteil der „1:1-Hauskrankenpflege“ sei, dass man anders als etwa in Pflegeheimen keine Glocke habe, sondern sich Zeit für die Menschen nehmen könne. „Dieser besondere Bezug und die Beziehung, die man aufbaut, ist eine ganz andere, als wenn man in anderen Settings arbeitet.“
Laut Bina herrscht in der Öffentlichkeit ein falsches Bild von der Pflege – „dass man schlecht verdient, dass es anstrengend ist und dass man bis zu 60 Stunden pro Woche arbeitet“. Er selbst sei aber „der beste Beweis dafür, dass man gutes Geld verdienen und Karriere machen kann“. Der 31-Jährige absolviert derzeit ein Masterstudium in Krems. „Man hat extrem viele Perspektiven. Das ist vielen Menschen einfach nicht bewusst.“
Bei der Volkshilfe führt man die „Nachwuchssorgen“ einerseits darauf zurück, dass der Bedarf an Betreuung immer stärker ansteige, andererseits würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der sogenannten „Babyboomer-Generation“ nach und nach in Pension gehen. „Wir brauchen also noch mehr Menschen, die sich im Sozialbereich beruflich engagieren wollen“, heißt es von der Volkshilfe.
Als diplomierte Pflegerin oder diplomierter Pfleger bei der Volkshilfe in Niederösterreich verdient man durchschnittlich 2.500 Euro netto im Monat. Um neues Personal zu gewinnen, werden u.a. flexible Arbeitszeitmodelle angeboten, die eine Work-Life-Balance nach eigenen Vorstellungen ermöglichen sollen. Ob das die Wunderpille im Ringen um Arbeitskräfte sein wird, ist aber fraglich. „Am Ende des Tages ist Pflege eine sehr wichtige Berufung und Beruf, um das Rückgrat der Gesellschaft zu bilden – damit wir weiterhin alle Menschen so gut wie möglich und menschenwürdig versorgen können“, sagt Bina.