TOKYO,JAPAN,30.AUG.21 – PARALYMPICS, SWIMMING – Paralympic Summer Games Tokyo 2020, Men, 200m Frestyle, class S4. Image shows Andreas Ernhofer (AUT). Photo: GEPA pictures/ Matic Klansek
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„Menschen im Blickpunkt“

Vom Badeunfallopfer zum Schwimmhelden

Als Vize-Weltmeister und zweifacher EM-Medaillengewinner gehört Andreas Ernhofer zu den erfolgreichsten Parasportlern Österreichs. Ein Badeunfall und unglaubliches Pech haben das Leben des Deutsch-Wagramers (Bezirk Gänserndorf) für immer verändert.

Den 16. August 2014 wird Andreas Ernhofer nie vergessen. An einem heißen Sommertag veränderte ein simpler Sprung in den Steinbrunner See sein Leben für immer. „Ich habe mir bei einem Kopfsprung aus circa einem Meter Höhe das Genick gebrochen“, erzählt der 25-jährige Niederösterreicher im Gespräch mit noe.ORF.at.

Leben plötzlich auf den Kopf gestellt

Der harmlose Sprung vom Holzsteg hatte für Ernhofer verheerende Folgen. „Das Besondere ist, dass ich nicht am Boden aufgekommen bin. Die Oberflächenspannung des Wassers war durch einen schlechten Winkel so hart, dass ich mir drei Halswirbel gebrochen habe“, erinnert sich Ernhofer. „Von einer Sekunde auf die andere konnte ich von den Schultern abwärts nichts mehr spüren. Ich war querschnittgelähmt.“

MARIA ENZERSDORF,AUSTRIA,27.JUN.22 – PARALYMPICS – OEPC Talent Day. Image shows Andreas Ernhofer (AUT). Photo: GEPA pictures/ Michael Meindl
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Trotz eines schweren Badeunfalls ließ sich Andreas Ernhofer nicht vom Schwimmsport abhalten

Für den damals 17-jährigen begeisterten Sportler war die Diagnose ein Schock. „Die ersten Worte des Arztes waren, dass ich meine Arme und Beine nie wieder spüren und bewegen können werde. Zum Glück hat sich das nicht bewahrheitet, aber es war natürlich eine sehr harte Zeit. Mein Leben war von einer Sekunde auf die nächste komplett auf den Kopf gestellt“, so der Deutsch-Wagramer.

Ernhofer: „Wollte unbedingt wieder ins Wasser“

Doch Ernhofer gab nicht auf. Er lernte, mit seiner Behinderung zu leben, und ließ sich seine Leidenschaft fürs Schwimmen nicht nehmen. „Ich dachte, dem Wasser wird es egal sein, ob ich wieder schwimme oder nicht. Aber wenn ich nicht mehr schwimmen gehe, nehme ich mir selbst den Spaß. Deswegen wollte ich unbedingt wieder ins Wasser“, erklärt Ernhofer seine Entscheidung.

Der erste Schritt auf dem Weg zu seiner Karriere war ein eher zufälliges Treffen mit Österreichs Paraschwimmern Andreas Onea und Sabine Weber-Treiber. „Die beiden haben mir in einem Gespräch von ihren Paralympics-Erfahrungen erzählt. Da sind bei mir die Sterne in den Augen aufgegangen. Ich dachte, das möchte ich auch erreichen. Ich möchte alles geben, um das zu probieren“, erzählt Ernhofer.

TOKYO,JAPAN,30.AUG.21 – PARALYMPICS, SWIMMING – Paralympic Summer Games Tokyo 2020, Men, 200m Frestyle, class S4. Image shows Andreas Ernhofer (AUT). Photo: GEPA pictures/ Matic Klansek
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Über 50 Meter Brust und 150 Meter Lagen gehört Andreas Ernhofer zu den besten Paraschwimmern der Welt

Ab diesem Zeitpunkt startete der Niederösterreicher durch. Neben seinem Studium an der TU Wien trainierte er Tag für Tag in der Südstadt (Bezirk Mödling), verbrachte viele Stunden im Wasser und wurde schnell belohnt. 2018 holt er Bronze bei der Europameisterschaft in Dublin und damit seine erste Medaille bei einem Großereignis.

Auf dem Weg zum „schnellsten Schwimmer der Welt“

„Die Emotionen, die man spürt, wenn man zur Siegerehrung fährt, das war so aufregend, dass ich gewusst habe, das möchte ich wieder erleben. Diese Medaille war für mich der Schritt, zu sagen, ich fahre mein Studium zurück und möchte den Schwimmsport professionell ausüben“, so Ernhofer.

2021 wurde zum bisher erfolgreichsten Jahr für Andreas Ernhofer. Er gewann zum zweiten Mal EM-Bronze, erfüllte sich in Tokio seinen großen Traum von den Paralympics und wurde zu Niederösterreichs Parasportler des Jahres gewählt. Doch Ernhofer hatte noch lange nicht genug. Im Interview mit noe.ORF.at verkündete er im Oktober 2021: „Jetzt will ich der schnellste Schwimmer der Welt werden!“

TOKYO,JAPAN,26.AUG.21 – PARALYMPICS, SWIMMING – Paralympic Summer Games Tokyo 2020, mens, 100m freestyle. Image shows the rejoicing of Andreas Ernhofer (AUT). Photo: GEPA pictures/ Patrick Steiner
GEPA pictures/ Patrick Steiner
Als nächstes großes Ziel nimmt Andreas Ernhofer die Paralympics 2024 in Paris ins Visier

Im vergangenen Jahr war Ernhofer knapp dran. Bei der Weltmeisterschaft in Madeira holte er Silber und beeindruckte damit auch seinen Teamkollegen Andreas Onea. „Andi sagt zu Recht von sich, dass er derzeit der beste österreichische Paraschwimmer ist“, lacht Onea. „Insgesamt habe ich zwar noch ein paar Medaillen Vorsprung, aber ein paar Jahre gebe ich ihm noch, dann hat er mich eingeholt.“

Ernhofer schafft es auf „Forbes“-Liste

Ernhofers Erfolg ist aber nicht nur mit Bestzeiten und Medaillen gepflastert. Das renommierte Wirtschaftsmagazin „Forbes“ setzte ihn für seine außergewöhnlichen Leistungen auf die Liste der Top-30 unter 30. Damit befindet sich der Paraschwimmer in illustrer Gesellschaft, denn auch der deutsche Fußballstar Kai Havertz, Ski-Ass Katharina Liensberger und Schauspielerin Valerie Huber stehen auf der Liste.

Mittlerweile kann Ernhofer seinen Lebensunterhalt als Paraschwimmer verdienen – auch, weil er seine Erfahrungen in Vorträgen mit anderen Menschen teilt. „Ich bin froh, dass ich da etwas weitergeben kann“, so der 25-Jährige. „Ich denke, mit jedem, der auch etwas daraus lernt, hat mein Unfall etwas mehr Sinn gehabt. Das freut mich und ist die größte Belohnung, die ich bekommen kann.“