Weggesperrt hinter dicken Stahltüren sitzen in der Justizanstalt St. Pölten derzeit 225 Menschen in Haft. Die Zellen sind beim Lokalaugenschein von noe.ORF.at alle belegt, in manchen größeren Räumen befinden sich sogar bis zu acht Häftlinge. Die Kapazitätsgrenze liegt bei 229 Inhaftierten, doch immer wieder liegt man auch darüber. Zwischen 6.00 und 14.00 Uhr sind die Häftlinge üblicherweise in der Arbeit.
Doch nicht alle haben dazu die Möglichkeit, es fehlt sowohl an Personal als auch an Platz. Ihnen bleibt somit nur eine Stunde Freigang pro Tag. Die Ansprüche an einen modernen Strafvollzug seien deshalb nicht mehr gegeben, sagt der neue Anstaltsleiter Erich Huber-Günsthof: „Die Möglichkeit, gelockerten Vollzug so zu gestalten, wie es heute ein humaner Strafvollzug verlangen würde, fehlen.“
Nährboden für Konflikte
Die großen Mehrpersonenhafträume seien „längst obsolet“, es fehle an Arbeitsräumen, Werkstätten, Gruppen- oder Vorführräumen und „die Besuchssituation ist einfach äußerst beengt“, erzählt der Justizbeamte, der die Anstalt in St. Pölten seit Februar offiziell führt, seit Oktober war er interimistischer Leiter. Diese Situation würde auch zu Gewalt bzw. Konflikten führen und die Resozialisierung in die „normale Gesellschaft“ erschweren.
Doch zu konkreten Aus- oder Umbauplänen bleibt Justizministerin Alma Zadic (Grüne) – bei der offiziellen Amtseinführung des neuen Justizanstaltsleiters am Mittwoch – vage. Das Ziel sei ein „humaner, menschengerechter Strafvollzug“ und St. Pölten stehe „auf der Agenda ganz oben“, so die Ministerin. Handlungsbedarf gebe es aber auch in anderen Justizanstalten Österreichs, die Bauprojekte werden „Schritt für Schritt“ abgearbeitet, so Zadic.
Reform des Strafvollzugs in der Warteschleife
In St. Pölten – einem gerichtlichen Gefangenenhaus – sind vor allem U-Häftlinge oder Verurteilte bis zu 18 Monaten Haft untergebracht. Für eine Entlastung würde deshalb auch eine Ausweitung der Fußfessel-Regelung sorgen. Zadic selbst brachte im April 2021 eine Ausweitung von derzeit zwölf auf 24 Monate ins Spiel und kündigte eine Reform des Strafvollzugs an.
Doch ein Gesetzesentwurf, der laut Zadics damaligen Aussagen „vor dem Sommer“ in Begutachtung gehen sollte, fehlt bis heute. Die Justizministerin verwies im ORF-Interview auf die im Dezember präsentierte Reform des Maßnahmenvollzugs, nun soll der Strafvollzug folgen. „Die Arbeiten dazu sind in der Endphase, dann wird mit dem Koalitionspartner verhandelt.“ Bis wann genau ein Entwurf vorliegen soll, lässt Zadic aber offen.
Haft: „Kein besseres System“
Ob der Strafvollzug in dieser Form überhaupt noch zeitgemäß ist? „Meines Erachtens schon“, sagt der neue Anstaltsleiter, weil es einerseits „kein besseres System gibt“ und sich andererseits auch die Rahmenbedingungen geändert haben: „Man versucht mit Ausbildung, mit Grundbildung, mit Arbeit und Therapie den Menschen so zu begegnen, dass sie wieder ein wertvolles Mitglied werden.“
Für diese intensive Betreuung braucht es aber ausreichend Personal, was die Lage zusätzlich verschärft. Denn während in den nächsten Jahren viele Beamte der „Babyboomer-Generation“ in Pension gehen, werde die Rekrutierung junger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer schwieriger, erzählt Huber-Günsthof: „Wir leben mit dem öffentlichen Dienst in Konkurrenz und der Arbeitsmarkt ist leer.“