Zehetner als Wehrmachtssoldat
Alois Zehetner
Alois Zehetner
Geschichte

Ein Leben zwischen den Machtblöcken

Bei Widerstand gegen das NS-Regime ist vor allem das Lager der Kommunisten oder Sozialisten bekannt, weniger aber das bürgerliche Lager. Zu letzterem gehörte Karl Zehetner aus Amstetten, der über 20 Jahre ein Leben zwischen den Machtblöcken lebte.

„Er wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgebracht worden“, erzählt Alois Zehetner über das Schicksal seines Vaters Karl. Dieser war kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges, gemeinsam mit vielen Kameraden der Widerstandsgruppe, verraten worden und im Bezirksgericht Amstetten festgehalten worden, wo er auf einen Abtransport in das Konzentrationslager Mauthausen wartete. Diese geplante Überstellung ins KZ rettete ihm groteskerweise das Leben, denn er galt damit als politischer Gefangener und wurde nicht sofort exekutiert. So verging wertvolle Zeit bis zur Überstellung, sodass der Sieg der Alliierten seiner Hinrichtung zuvor kam.

Wenige Jahre später sollte Karl Zehetner erneut einem lebensbedrohlichen Transport entgehen – in ein Gulag der UdSSR, nachdem er sich gegen politische Entscheidungen in Amstetten zur Wehr gesetzt hatte. Erst die Intervention seines Freundes Leopold Figl, der selbst als bürgerlicher Politiker im KZ festgehalten wurde, konnte ihn retten, erzählt Alois Zehetner über das Leben seines Vaters zwischen den Machtblöcken. Alois Zehetner schrieb vor einiger Zeit ein Buch über die Schicksalsjahre seines Vater geschrieben. Wir trafen ihn zum Gespräch im St. Pöltner Haus der Geschichte. In der Dauerausstellung ist in einer Vitrine auch der Widerstand von Karl Zehetner dokumentiert.

Portrait Karl Zehetner
Alois Zehetner
Karl Zehetner als Junglehrer vor 1938

Heterogener bürgerlicher Widerstand, gespaltene Kirche

„Der bürgerliche Widerstand“, erklärt Christian Rapp, der Leiter des Hauses der Geschichte in St. Pölten, „ist viel heterogener und wesentlich weniger straff organisiert wie beispielsweise der kommunistische Widerstand. Das Spektrum reicht von Einzelpersonen bis hin zu kleinen Gruppen. Dazu kommt, dass viele, die aus dem Glauben heraus Widerstand leisteten, oftmals kaum Unterstützung durch die Kirche erhielten, weil diese oftmals mit den Nazis kooperierte.“

Dennoch gab es beispielsweise rund 700 katholische Priester, die in Haft waren und mehr als 1.500, die weder unterrichten noch predigen durften, weiß Rapp. Konsequent im Widerstand waren die Mitglieder der Zeugen Jehovas, die dadurch sehr viele Opfer durch das NS-Regime zu beklagen hatten. Ganz stark unter Druck gerieten bereits kurz nach dem Einmarsch 1938 jene Personen, die etwas mit dem Ständestaat zu tun hatten. Da gab es 70.000 Verhaftungen.

Die Gräueltaten im Krieg und die Repression durch die Nationalsozialisten ließen mehr und mehr Männer und Frauen gegen Ende des Weltkrieges radikal umdenken. Viele waren einfach von dem Wunsch getragen, diesen Krieg abzukürzen, ihr Dorf oder ihre Stadt vor Zerstörung zu schützen oder hatten einen Punkt erreicht, an dem sie sich sagten, dass sie nicht mehr mitmachen könnten und es zu weit ginge. Ein solches Schicksal erfuhr Karl Biedermann, der vom Nationalsozialisten zum Widerstandskämpfer wurde.

Karl Zehetner und die Widerstandsgruppe Erika Enzian

Der Katholik und Heimwehrangehörige Karl Zehetner wurde den Nazis bald suspekt und bei erster Gelegenheit an die Front geschickt. Im Russland-Feldzug erfolgte die radikale Abwendung Zehetners vom Regime. Er verletzt sich selbst, indem er sich bei voller Fahrt von einem Lkw fallen ließ und zog sich schwere Kopfverletzungen zu.

„Mein Vater war hinter der Front eingesetzt und hat 1941 auf russischem Territorium mit ansehen müssen, wie Wehrmachtsangehörige wehrlose russische Gefangene hinrichteten. Das hat ihn zutiefst erschüttert“, erzählt Alois Zehetner. Heimgekehrt mit einer langen Narbe auf der Stirn, schloss sich Zehetner dem Widerstand an. Er war Mitglied der Gruppe Erika Enzian im Raum Amstetten, einer bewaffneten Untergruppe des Wiener Organisation O5.

Nach dem Krieg half Zehetner in der Kommunalpolitik mit, demokratische Strukturen aufzubauen. Er wehrte sich gegen die zwangsweise Einsetzung kommunistischer Gemeinderäte durch die sowjetischen Besatzungsmächte. Dabei wurde er mehrerer fadenscheiniger Verdächtigungen ausgesetzt und schließlich wegen angeblich illegalem Waffenbesitzes verurteilt. Er sollte wohl in die UdSSR gebracht werden. Leopold Figl ließ seinen Fall an die österreichische Justiz überstellen und konnte ihn so aus dem Machtbereich der Sowjets ziehen.