Gerda Ridler
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„GANZ PERSÖNLICH“

Ridler: Vom Dorf über den Himmel ins Museum

Gerda Ridler ist seit mehr als einem Jahr künstlerische Direktorin der Landesgalerie in Krems. Sie will sie zu einem der ganz großen Museen machen. Die Liebe zur Kunst entdeckte sie auf Reisen in ihrer Zeit als Flugbegleiterin als sie dem Dorf entfliehen wollte.

Seit 30 Jahren ist Gerda Ridler Kunsthistorikerin, Kulturmanagerin und Kunstsachverständige. Die Oberösterreicherin aus Waldhausen ist nach Stationen in Stuttgart und Linz seit Jänner 2022 künstlerische Direktorin der Landesgalerie in Krems.

Die Liebe zur Kunst wurde Ridler nicht in die Wiege gelegt, ihre Familie hatte mit Kunst nichts am Hut – und auch sie kam durch Umwege in die Szene. Ein einschneidendes Erlebnis brachte die ehemalige Flugbegleiterin dazu, Kunstgeschichte zu studieren, verrät sie im „Ganz Persönlich“-Interview mit noe.ORF.at.

noe.ORF.at: Seit einem Jahr sind Sie künstlerische Direktorin der Landesgalerie, damals sind sie mit einem Leitbild angetreten: Es soll eine Mischung aus österreichischer, zeitgenössischer Kunst, internationaler Kunst und Werken aus den Beständen der Landesgalerie entstehen. Ist Ihr Konzept aufgegangen?

Gerda Ridler: Ich denke schon, dass das Konzept aufgegangen ist und dass ich auch auf ein erfolgreiches erstes Jahr zurückblicken kann. Jetzt weiß ich, dass Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung immer ein bisschen ein Unterschied ist. Aber ich sage das deswegen, weil es eine wirklich sehr gute mediale Resonanz im ersten Jahr gegeben hat.

Es gab eine sehr gute Publikums Resonanz und was eigentlich das wichtigste ist, ich habe sehr viel positives Feedback von der Künstlerschaft bekommen. Wenn die Künstlerinnen und Künstler zufrieden sind, wie wir im Museum hier mit ihren Werken umgehen, wie wir sie präsentieren, in welche Zusammenhänge wir sie bringen, wenn wir das schaffen, die Künstlerschaft zufrieden zu stellen, ist das das größte Lob, dass wir uns als Museumsleute auch erwarten können.

noe.ORF.at: Ein Zitat von Ihnen vor einem Jahr lautet: „In fünf Jahren soll sich die Landesgalerie in die erste Riege der Kunstmuseen Österreichs einreihen.“ Was fehlt noch außer vier Jahre?

Ridler: Man muss sich hohe Ziele setzen. Wenn man Ziele schnell erreicht, dann waren sie nicht hoch genug. Ich finde, dieses Haus hat ein sehr großes Potenzial. Es ist ein neues Museum, es ist eine junge Institution. Es gibt hier noch keine ausgetretenen Pfade, denen man folgen muss, sondern wir können hier neue Programme, neue Ideen, neue Konzepte, neue Ausstellungen entwickeln. Und das bietet schon viel Potenzial.

Ich bin ja mit der Aufgabe bestellt worden, für dieses Museum eine neue programmatische Linie zu definieren und das Profil zu schärfen. Ich denke, dass wir mit dem programmatischen Drei-Säulen-Programm ein großes Potenzial haben, uns in die erste Riege der österreichischen Kunstmuseen einzureihen.

Ich sage Ihnen auch, warum ich das denke: Weil wir eine Sammlung des Landes Niederösterreich haben, die wirklich großes Potenzial hat, die hohe museale Qualität hat. Das sieht man hier auch in der aktuellen Ausstellung. Aus dieser Sammlung können wir vielfältige Ausstellungen entwickeln.

Dann sind wir auch Haus für österreichische Künstlerinnen und Künstler. Hier wollen wir renommierte Positionen zeigen, aber auch Positionen, die nicht so bekannt sind, die aus unserer Sicht bisher zu wenig im Licht der Kunstöffentlichkeit standen. Dann gibt es noch das Fenster zur internationalen Kunst. Obwohl wir grundsätzlich ein Haus für die österreichische Kunst sind, wollte ich mir gern dieses Fenster offen lassen. Und hier lade ich Künstlerinnen und Künstler ein, die auf die Architektur Bezug nehmen und idealerweise auch auf die Stadt Krems oder auf die Region der Wachau. Wir haben hier ein Konzept, aus dem wir qualitätsvolle, vielfältige Programme entwickeln können.

noe.ORF.at: Museum muss aber auch Erlebnis sein. Es gibt jetzt zum Beispiel in Wien die Ausstellung „Monets Garten“. Da gibt es keine Original-Bilder von Claude Monet, aber sehr viele Rauminstallationen. Ist das die Zukunft des Museums?

Ridler: Nein, das glaube ich sicher nicht, dass das die Zukunft ist. Ich habe diese Ausstellung nicht gesehen, aber ich kenne natürlich diese immersive Kunst, bei der man auf bekannte Namen reflektiert. Da werden aus originalen Werken kleine Dinge herausgezogen und ganz groß projiziert, sozusagen multidimensional auf alle Wände, auf den Boden, auf die Decke und man bewegt sich quasi durch das Kunstwerk.

Ich denke, dass jede Initiative, die Menschen oder auch junge Leute zur Kunst heranführt, begrüßenswert ist. Aber ich glaube nicht, dass solche Shows, die mehr in Richtung Edutainment, also Education und Entertainment gehen, dass man das tatsächlich mit einem Museum vergleichen kann. Im Museum gibt es originale Kunstwerke.

Die Aura eines Kunstwerks ist hier zu erleben. Man kann selber bestimmen, wie lange man vor einem Werk steht und wie man sich austauscht. Ich glaube, das ist schön, wenn es diese Dinge gibt, weil ich weiß, dass es da großen Zulauf gibt zu diesen Shows. Aber es wäre schön, wenn die Leute dann zu uns ins Museum kommen und die Kunstwerke auch im Original entdecken können.

Gerda Ridler und Robert Friess beim Interview
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Gerda Ridler im Interview mit Robert Friess

noe.ORF.at: In letzter Zeit haben vor allem Attacken von Klimaaktivisten in Museen für Aufregung gesorgt. Das Leopold Museum war unter anderem auch davon betroffen. Was halten Sie von dieser Art von Aktivismus?

Ridler: Von der Art von Aktivismus halte ich überhaupt nichts, weil auch die Kunst ein schützenswertes Gut ist, so wie die Natur. Ich verstehe natürlich die Intention der Aktivisten. Wir alle wollen, dass die nächsten Generationen noch in einer ordentlichen Welt leben können. Aber die Kunst hier in Geiselhaft zu nehmen, das ist sicherlich nicht die richtige Lösung.

Das lehne ich ganz vehement ab, weil wir eben als museale Institution auch dafür da sind, die Schätze der Vergangenheit zu hüten und sie für die nächste Generation zu bewahren. Insofern haben wir ja ein gleiches Bedürfnis, etwas zu bewahren.

noe.ORF.at: Sie sind in Waldhausen geboren, knapp an der niederösterreichischen Grenze in Oberösterreich. Wann ist Ihre Liebe zur Kunst entstanden?

Ridler: Ich bin in einem nicht kunst-affinen Haushalt aufgewachsen. Meine Eltern haben ein Gasthaus und eine Fleischerei betrieben. Das heißt, ich bin ganz früh mit anderen Dingen konfrontiert worden, wie zum Beispiel mit Dienstleistung und Service. Das ist auch etwas, worauf ich hier in der Landesgalerie und in meinem bisherigen Musemumsjobs auch immer großen Wert lege. Da sind wir auch zu einem hohen Service verpflichtet, natürlich neben hochqualitativen und professionellen Ausstellungen.

Meine Liebe zur Kunst hat sich eigentlich erst später entwickelt. Zuerst kam der große Wunsch, der dörflichen Kleinheit zu entfliehen. Ich hatte immer schon den Wunsch, irgendwie die große weite Welt zu entdecken. Und das habe ich mir dann sozusagen mit meinem ersten Beruf auch erfüllt.

noe.ORF.at: Sie waren fünf Jahre lang Flugbegleiterin bei der Lufthansa.

Ridler: Da konnte ich meinen großen Wunsch, die Welt kennen zu lernen, mit einem gut dotierten Job verbinden. Das war eine tolle Zeit, die ich sehr genossen habe, ich habe sehr viel gesehen und habe dort auf diesen Reisen eigentlich auch meine Liebe zur Kunst entdeckt. Ich war viel in Museen und habe mir viel angeschaut. Das hat mich einfach interessiert.

Archivbild von Gerda Ridler als Flugbegleiterin
Privat
Gerda Ridler als Flugbegleiterin der Lufthansa

noe.ORF.at: Eigentlich hätte Ihr Leben in eine ganz andere Richtung gehen können?

Ridler: Das stimmt. Es gab ein ganz einschneidendes Erlebnis. Ich war dann noch eineinhalb Jahre bei Lauda Air als Abteilungsleiterin für den Bereich Catering tätig – eine große Abteilung mit einem großen Budget. Vielleicht können Sie sich erinnern, dass 1991 eine Maschine der Lauda Air über Bangkok abgestürzt ist. Das war für mich ein einschneidendes Erlebnis. Ich habe entschieden, dass ich meinem Leben noch einmal eine neue Richtung geben muss. Ich habe mich dann entschieden – da war ich 28 – Kunstgeschichte zu studieren. Und ich muss sagen, das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ich bin wirklich glücklich, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Das gelingt nicht jedem und dafür bin ich auch wirklich dankbar.

noe.ORF.at: Sie leben mit ihrem Mann in Salzburg, sind aber unter der Woche in Krems. Was schätzen sie an Krems?

Ridler: Was ich hier wirklich besonders finde ist, dass wir hier als Museum nicht allein auf weiter Flur arbeiten. Dass wir auf der Kunstmeile Krems mit mehreren Institutionen in einem Verbund gemeinsam arbeiten und dadurch die Chance haben, ein unterschiedliches, vielfältiges Publikum nach Krems zu holen.

Krems ist eine Stunde entfernt von Wien. Wir haben viel Publikum aus Wien, aber ich glaube, unsere Stärke hier in Krems ist, dass wir im Verbund mit der Kunsthalle, mit dem Karikatur Museum und mit allen Einrichtungen der Kunstmeile insgesamt ein tolles, vielfältiges Programm bieten können.

Das ist das große Plus der Kunstmeile. Ich würde mir ja nicht nur wünschen, dass die Landesgalerie in die Riege der großen Museen aufsteigt, sondern ich wünsche mir auch und ich denke, das ist realistisch, dass die Kunstmeile Krems quasi das führende Kunstzentrum in Österreich außerhalb von Wien wird.