Rashid Sardarov Gut Brunntal Rohr im Gebirge
ORF/Tobias Mayr
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Chronik

Niederösterreichs russische Oligarchenspuren

Durch die Sanktionen wegen des Kriegs in der Ukraine können viele russische Oligarchen nicht auf ihr Vermögen im Ausland zugreifen. In Niederösterreich besitzt der Milliardär Rashid Sardarov ein Jagdgut, Oleg Deripaska hat eine Kirche finanziert.

Zur Weihe der russisch-orthodoxe Kirche „Zum Heiligen Erzengel Michael“ in Laa an der Thaya kam der Geldgeber im Herbst 2018 per Helikopter: Oleg Deripaska, ein schwerreicher russischer Industrieller, der mittlerweile in der EU nicht mehr willkommen ist. Seit April 2022 steht sein Name gemeinsam mit 1.472 anderen auf der EU-Sanktionsliste. Die EU-Kommission wirft ihm vor, ein wichtiger Lieferant von Waffen und militärischer Ausrüstung für die russische Armee zu sein.

Mit Laa an der Thaya verbindet den Oligarchen das Schicksal seines Großvaters: Dieser wurde 1945 in der Weinviertler Grenzstadt erschossen, sein Grab wird in der Nähe des sowjetischen Soldatenfriedhofs von Laa vermutet. In Erinnerung an seinen Großvater ließ Deripaska neben dem Friedhof eine 17 Meter hohe Kopie der berühmten russischen Wallfahrtskirche „Mariä-Schutz-und Fürbitten an der Nerl“ anfertigen, die in der Nähe der zentralrussischen Stadt Wladimir steht.

Oleg Deripaska bei der Einweihung seiner Kirche in Niederösterreich
Stephanie Müller
Oleg Deripaska (2. v. r.) bei der Weihe der Kirche mit geistlichen Würdenträgern und dem russischen Botschafter in Wien (r.)

Kirche könnte von Sanktionen betroffen sein

Mittlerweile wirft die Kirche sanktionsrechtliche Fragen auf. Schließlich steht der einstige Financier persönlich auf der EU-Sanktionsliste. Sein Vermögen im Ausland – egal ob Bankkonten oder Liegenschaften – muss deshalb von der Republik eingefroren werden. „Ein Einfrieren des Vermögens bedeutet, dass der Eigentümer nicht über dieses Vermögen verfügen kann“, erklärt der Völkerrechtsexperte Stephan Wittich von der Universität Wien. Liegenschaften könnten etwa nicht mehr verkauft, verschenkt oder verpfändet werden. „Die Situation zum Zeitpunkt der Erfassung durch die Sanktionen wird eingefroren,“ so Wittich.

Ob die russisch-orthodoxe Kirche unter das Sanktionsregime fällt, sei jedoch keinesfalls sicher, so Wittich: „Es wird jetzt davon abhängen, inwiefern die Eigentumsverhältnisse darauf hindeuten, ob er (Deripaska, Anm.) Kontrolle über diese Liegenschaft mit der Kirche hat.“

Grundstück gehört Briefkastenfirma auf Zypern

Die Eigentumsverhältnisse sind im Fall der Kirche durchwegs undurchsichtig: Die Stadtgemeinde hat das Grundstück im Dezember 2006 an Deripaskas Firma Meissen Limited, eine Briefkastenfirma mit Sitz auf Zypern, verkauft. Wie Recherchen von ORF und Profil im vergangenen Sommer ergeben haben, hat Deripaska Meissen Limited bereits 2018, im Jahr der Weihe, einer russischen Geschäftsfrau überschrieben. Ob und inwiefern er weiterhin Kontrolle über die Liegenschaft hat, bleibt unklar und muss in Österreich von der Dienststelle für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) geprüft werden. Dort gibt man sich zurückhaltend. Aus „Datenschutzgründen“ könne man keine Angaben zu dem Fall machen, so ein DSN-Sprecher.

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russisch-orthodoxe Kirche Laa / Thaya
ORF
russisch-orthodoxe Kirche Laa / Thaya
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russisch-orthodoxe Kirche Laa / Thaya
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Seit 2018 habe man keinen Kontakt mehr mit Deripaska oder der zypriotischen Firma gehabt, sagt die Laaer Bürgermeisterin Brigitte Ribisch (ÖVP). „Die Kommunikation hat sich damals beschränkt auf das Begrüßen, mehr nicht.“ Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine habe vor Ort zu keinen Veränderungen geführt, sagt die Ortschefin.

Gottesdienste fallen nicht unter Sanktionen

Betreut wird das Gotteshaus von Priester Vladislav Azevs und dessen Familie. Jeden Sonntag um 9.00 Uhr hält er in der Kirche einen Gottesdienst, zwischen dreißig und vierzig Gläubige kämen zur Messe, sagt er. Die Kirche sei überregional bekannt, mittlerweile kämen die Gottesdienstbesucher von weit her: aus Prag, Brünn, oder sogar aus Polen. „Manche fahren 100 bis 200 Kilometer“, so Azevs. Zu den Eigentumsverhältnissen könne man allerdings keine konkreten Auskünfte geben, heißt es gegenüber noe.ORF.at.

Egal wie die Situation in Laa sanktionsrechtlich schließlich bewertet wird, das religiöse Leben sei nicht in Gefahr, sagt Sanktionsexperte Wittich. „Selbst wenn die Liegenschaft unter die Sanktionen fällt, wird die Möglichkeit, dort Gottesdienste abzuhalten, wahrscheinlich nicht verboten sein, weil das nicht Zweck der Sanktionen ist und auch unverhältnismäßig wäre.“

Milliardär Sardarov: Anreise nun mühsamer

Auch in Rohr im Gebirge hat man seit 15 Jahren regelmäßig Kontakt zu einem russischen Oligarchen. Der Gas-Milliardär Rashid Sardarov besitzt hier ein 600 Hektar großes Jagdrevier, inklusive Luxusvilla, Jagdhütte und Badeteich. Jedes Jahr käme der Oligarch ein paar Mal für vier bis fünf Tage auf sein Gut, erzählt Gutsverwalter Gregor Schreier: „Ein Ort zum Erholen, zum Relaxen, für gutes Essen, gute Luft und gutes Wasser. Das liebt er hier.“

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Rashid Sardarov Gut Brunntal Rohr im Gebirge
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Seit 15 Jahren hat der Oligarch Rashid Sardarov in Rohr im Gebirge einen Nebenwohnsitz
Rashid Sardarov Gut Brunntal Rohr im Gebirge
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Das Gut Brunntal umfasst 600 Hektar Wald, einen Badeteich und eine Luxusvilla
Rashid Sardarov Gut Brunntal Rohr im Gebirge
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Im Gästehaus werden Jagdgäste aus aller Welt untergebracht…
Rashid Sardarov Gut Brunntal Rohr im Gebirge
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…wenn die Familie Sardarov das Anwesen gerade nicht nutzt
Rashid Sardarov Gut Brunntal Rohr im Gebirge
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Das Haus bietet Platz für zehn Personen…
Rashid Sardarov Gut Brunntal Rohr im Gebirge
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…knapp 3.000 Euro kostet die Logis für ein Wochenende im Jagdhaus, Kost und Jagd kosten allerdings extra.

Der Milliardär Sardarov steht bislang nicht auf der EU-Sanktionsliste. Er kann weiterhin sein Gut besuchen, allerdings ist die Anreise schwieriger geworden, denn der österreichische Luftraum ist seit einem Jahr nicht mehr für russische Flugzeuge geöffnet. „Er fliegt privat, aber es ist nicht mehr so einfach, wie es früher war“, sagt Schreier, allerdings: Sardarov halte sich grundsätzlich nur noch selten in Russland auf, erzählt der Gutsverwalter.

Rohr ist dem Oligarchen dankbar

Den Krieg in der Ukraine verurteile der Milliardär „mit gebrochenem Herzen“, so Schreier über seinen Chef. Wie er hoffen in Rohr viele, dass der Oligarch auch in Zukunft weiter nach Niederösterreich kommt. Auf dem Gut arbeiten fast ausschließlich Einheimische, regionale Firmen erhalten Aufträge für Reparaturen oder Zubauten. „Er ist ein angenehmer Mensch und Zeitgenosse und hilft wenn er helfen kann“, sagt auch Bürgermeister Christian Wagner (ÖVP).

Sardarov frage regelmäßig, ob er die Gemeinde bei Investitionen finanziell unterstützen könne. „Wir treffen uns dann manchmal auf einen Kaffee und plaudern. Wenn es um soziale Projekte geht, ist er oft eine große Hilfe“, so der Bürgermeister. Zuletzt habe Sardarov für Investitionen in die Schule, den Kindergarten oder die Feuerwehr Summen beigesteuert. „So leicht würden die Investitionen sonst nicht gehen, da müsste man manches hintanstellen“, ist der Ortschef überzeugt.

Rashid Sardarov Feuerwehrauto
FF Rohr im Gebirge
Rashid Sardarov hat u.a. ein Feuerwehrauto mitfinanziert

Woher das Geld Sardarovs stammt, weiß man in Rohr im Gebirge nicht so genau. „Aus Rohstoffen“ sagt Wagner, mit den Details beschäftige man sich nicht. Auch Gutsverwalter Schreier sagt, er wisse nicht mehr darüber. Mittlerweile habe sich im Ort die Aufregung um den Oligarchen-Landsitz gelegt, erzählt der Bürgermeister. So besonders sei das alles gar nicht, meint er. Immerhin besitze die Kirche in der Region deutlich mehr Grund als der Milliardär, und das grundsteuerbefreit. „Da ist mir der Sardarov ganz lieb.“