Chronik

Nach Erdbebeneinsatz: Berührt von Dankbarkeit

Barbara Zissler leitet die Hundestaffel des Samariterbundes in Purkersdorf (Bezirk St. Pölten). Zuletzt war sie im Erdbebeneinsatz in der Türkei. Ihr Team konnte vier Menschen retten. Im Rückblick rührt sie vor allem die Dankbarkeit der türkischen Bevölkerung.

Das vermisste Kind, der Schwammerlsucher, der nicht nach Hause gekommen ist, oder die demente Oma, die den Heimweg nicht mehr gefunden hat – meistens sind es diese Art von Einsätzen, bei denen die beiden Hunde unter Barbara Zisslers Führung zeigen dürfen, was sie können. „Der Hund hat die Möglichkeit, etwas zu machen, wofür es noch kein technisches Gerät gibt: menschliche Witterung oder menschliche Gerüche aufspüren und mir damit lebende Personen anzeigen“, erklärt Zissler, die seit mehr als 20 Jahren ehrenamtlich beim Samariterbund tätig ist.

Zuletzt mussten Zissler und ihre Hunde Kosa und Gowi ihre Fähigkeiten unter extremen Bedingungen unter Beweis stellen. „Es kam in der Früh in den Nachrichten, dass das Erdbeben in der Türkei war. Kurz darauf kam die Nachricht von unserem Bundesverband, ob man bereit wäre, in dieses Krisengebiet zu fahren“, schildert Zissler. Es folgten Rücksprachen mit ihrer Familie und ihrem Dienstgeber, am nächsten Tag saß sie bereits im Flugzeug Richtung Türkei.

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Barbara Zissler bei Einsatz in der Türkei
Samariterbund
Für Barbara Zissler war es der zweite Auslandseinsatz im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Samariterbund
Barbara Zissler mit Team im Einsatz in der Türkei
Samariterbund
Erdbebeneinsatz in der Türkei, Lebendbergung
Samariterbund
Insgesamt konnte ihr Team dabei helfen, vier Menschen lebend aus den Trümmern zu befreien
Erdbebeneinsatz in der Türkei
Samariterbund
Hunde im Einsatz in der Türkei
Samariterbund
Barbara Zissler mit Team im Einsatz in der Türkei
Samariterbund
Hunde bei Einsatz in der Türkei
Samariterbund
Hunde bei Einsatz in der Türkei
SARUV/ASBÖ
Die Kollegen von der Feuerwehr schützten die Hunde vor der Kälte

„Gut organisiertes Chaos“

„Es herrschte dort Chaos, aber ich muss sagen, gut organisiertes Chaos. Man wurde zugewiesen. Ein Teil unseres Kontingents begann damit, Zelt und Basisstation aufzubauen. Der andere Teil, zu dem auch ich zählte, hat bereits begonnen, Komplexe abzusuchen.“ Die Arbeit wurde in Zwölf-Stunden-Schichten fortgesetzt.

„Die erste Lebendbergung war bereits am zweiten Tag. Das war eine Mutter mit einem Kind, die man aus den Trümmern befreien konnte. In der folgenden Nacht konnte dann ein 15-jähriges Mädchen gerettet werden.“ Insgesamt rettete ihr Team bei dem Einsatz vier Menschen das Leben. „Das ist natürlich ein erhebendes Gefühl“, erzählt die Niederösterreicherin, „viele haben ja die Bilder und Videos gesehen, es ist wirklich ein Wunder, wenn man es schafft, dort lebend herauszukommen.“

Türkische Bevölkerung „hilfsbereit und dankbar“

Auch, wenn Zissler von sich selbst sagt, dass sie im Einsatz eher „funktioniert“ und die „Emotionen ein bisschen hinunterschaltet“, erlebte sie einige berührende Momente im Krisengebiet. „Die türkische Bevölkerung war sowas von hilfsbereit, nett, unterstützend. Es war so eine Herzlichkeit, eine Dankbarkeit, eine menschliche Wärme, die dort gegeben war“, erinnert sich Zissler, „die Leute geben wirklich das Letzte, das sie haben, und sind froh, dass du da bist, um sie zu unterstützen.“

Barbara Zissler mit Hunden
ORF/Zrost
Barbara Zissler mit ihren Hunden Kosa und Gowi

Auch unter den Helferinnen und Helfern herrschte ein starker Zusammenhalt: „Ein emotionaler Moment war für mich, als wir die Hunde auf der Seite abgelegt hatten, um nachher mit ihnen zu suchen – und sie haben wirklich vor Kälte gezittert. Die Kollegen vom SARUV (Search and Rescue Unit Vorarlberg, Anm.), mit denen wir unterwegs waren, haben dann ihre Feuerwehrjacken ausgezogen und unsere Hunde damit eingedeckt, damit sie es warm haben.“

Die große Dankbarkeit der türkischen Community zeigte sich auch beim Empfang in Rankweil in Vorarlberg (Zisslers Team flog über Zürich, Anm.): „Ein Mann kam auf mich zu, drückte und kuschelte die Hunde, bedankte sich bei mir, dann verschwand er und nachher kam er noch einmal zu mir und fragte: ‚Darf ich dich umarmen?‘ Das sind dann die Momente, wo es mich mehr drückt als im ganzen Einsatz.“

„Wir jammern auf hohem Niveau“

Nun ist Zissler zwar wieder im Alltag angekommen, die Eindrücke aus dem Krisengebiet bleiben aber: „Wir haben vielleicht Probleme, die wir als riesengroß empfinden, aber wir jammern hier auf relativ hohem Niveau. Wenn man sich anschaut, wie das dort läuft und wo diese Leute dann bleiben, und wir fahren nach Hause – da haben wir hier wirklich die geringsten Katastrophen.“