Kultur

Kurorte und Parkbänke: „Nur für ‚Arier‘“

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland 1938 wurde das Alltagsleben für die jüdische Bevölkerung beinahe unerträglich. Sogar das Sitzen auf Parkbänken war nur noch Ariern erlaubt. Kurorte warben mit dem Zusatz „Juden unerwünscht“.

Das Krafttanken, Erholen, Spazierengehen in der Natur oder Sitzen auf einer Holzbank in einem Kurpark sollte jedem Menschen möglich sein. Denkt man, denn 1938, nach dem Anschluss an Hitler-Deutschland, schossen die Restriktionen wie Pilze aus dem Boden. In Krems war es Juden etwa verboten, den Stiftswald zu betreten, erzählt Forscherin Merle Bieber von Institut für jüdische Geschichte Österreichs in St. Pölten (Injoest).

Die zunehmend schwierig zu gestaltenden Freizeitaktivitäten erscheinen neben Berufsverboten, zwangsweisem Verkauf von Besitz oder dem plötzlichen Ausschluss vom Schulbesuch zwar wie ein marginales Randthema. Doch zeigen sie die Durchdringung der Verbote bis in die kleinsten Winkel, die Perfidie und gleichzeitig auch die Absurdität, mit der man in den ersten Monaten der jüdischen Bevölkerung in der nunmehrigen „Ostmark“ das Leben schwer machte. „Die Schikanen betrafen viele Bereiche des täglichen Lebens, bis hin zur Aufschrift auf Parkbänken: ‚Nur für Arier‘“, erläuterte Merle Bieber bei einem Spaziergang durch den Badener Kurpark.

Anschluss Verbot für Juden Sommerfrische
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„Nur für Arier“ stand etwa auf dieser Parkbank in Baden, erzählt Forscherin Merle Bieber im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteur Hannes Steindl

In Baden „gänzliche Verjudung“ befürchtet

In einem Artikel der „Kronenzeitung“ im Juni 1938 schrieb ein Journalist, „dass der Massenzustrom nichtarischer Wochenendgäste für die Zukunft eine gänzliche Verjudung Badens befürchten“ ließe. Jüdinnen und Juden durften im Sommer in Baden nur noch in Herbergen mit jüdischen Besitzern absteigen, so es sie noch gab.

Und weiter hieß es in diesem Text: „Soweit die städtischen Kurbetriebe nicht schon eine Trennung der nichtarischen von den arischen Gästen vorgenommen haben, wird die Benützung der Kureinrichtungen für Nichtarier verboten. Dies trifft insbesondere für den Besuch des Kurparkes und der Kurkonzerte zu. Kurpark und Trinkhalle in Baden tragen künftighin die Aufschrift ‚Juden Zutritt verboten!‘“

Kleinanzeigen, die heute viel verraten

Dieses „Juden unerwünscht“ findet sich auch in Kleinanzeigen in den Blättern dieser Zeit. Da wird eine „arische Sommerfrische“ in Plank im Kamptal (Bezirk Krems) angepriesen. Eine Pension in Mönichkirchen (Bezirk Neunkirchen) wirbt intensiv um Kunden und vermerkt am Ende der Anzeige: „Juden unerwünscht“.

Anschluss Verbot für Juden Sommerfrische
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In Kurorten wie Baden waren Juden als zahlende Gäste willkommen, sonst waren sie aber weitgehend unerwünscht

Eine andere Werbung in der „kleinen Volkszeitung“ 1938: „Achtung!! Größte arische Sommerfrische des Kamptales, Gars: Juden werden nicht geduldet. Eisenhaltiges Flußstrandbad, Wannenbäder, gepflegte Tennisplätze…“

Antisemitismus musste nicht importiert werden

Doch diese Entwicklung gab es nicht erst seit dem „Anschluss“. Den Antisemitismus brachten nicht die NS-Soldaten aus Deutschland mit, er hatte in Österreich bereits eine jahrzehntelange Tradition gehabt. „Es gibt bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Kitzbühel (Tirol) die Aufforderung, Jüdinnen und Juden kein Quartier zu geben. Bei Freizeitaktivitäten muss man in diesem Zusammenhang leider auch den Alpenverein hervorheben. Hier gab es tatsächlich bereits 1899 die ersten Sektionen, die einen Arierparagrafen in ihren Statuten hatten“, führte Merle Bieber weiter aus.

Vor dem „Anschluss“ am 12. März 1938 gab es in den Sommerfrische-Orten oft eine gespaltene Vorgangsweise: Man wollte die Einnahmen, aber nicht diese Gäste. Bieber verweist in diesem Zusammenhang auf einen Bericht in der „Allgemeinen Wiener Zeitung“, „der von einem Halbjahres-Antisemitismus spricht. Denn antisemitisch war man nicht in der Sommersaison, das würde die Einnahmen stark schmälern.“

Der Kampf um die Tracht

In vielen Sommerfrische-Orten, vor allem im Salzkammergut, war es üblich, dass angekommene Gäste ihre „Stadt-Kleidung“ rasch gegen das Sommergewand tauschten. Man kaufte sich ein Dirndl oder eine zünftige Lederhose mit Janker bzw. hatte diese Kleidungsstücke bereits im Gepäck mit dabei. Auch bei den Salzburger Festspielen unter Max Reinhardt war die Tracht „State of the Art“ beim Publikum. Viele Familien, die später ins Exil gingen, nahmen die Tracht nach Schottland oder Israel mit. Man wollte sich auch in der Sommerfrische wie alle anderen zeigen, man gehörte dazu.

Ausschnitt Völkischer Beobachter
Injoest

Doch auch das änderte sich: Der Kampf um die Tracht begann. Im Juni 1938 forderte im „Völkischen Beobachter“ ein Hinweis mit Karikatur ein Trachtenverbot für Juden. „Die einzige Tracht, die man solchen Typen zugestehen sollte, ist eine Tracht Prügel“, steht als Bildunterschrift zu einer höhnischen Zeichnung.

Das Institut für jüdische Geschichte Österreichs in St. Pölten beleuchtet am Dienstag im Stadtmuseum der Landeshauptstadt in verschiedenen Vorträge die Lebenssituation der jüdischen Mitbewohner nach 1938: Ein Vortrag beschäftigt sich mit den dargestellten Sommerfrische-Verboten oder Beschränkungen.