Grafenegg 2023 Workshop Ink Still Wet
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Kultur

Kompositionen, wo die Tinte noch feucht ist

In Grafenegg wurde das Projekt Ink Still Wet gestartet: Junge Komponisten studieren mit dem Tonkünstler-Orchester ein symphonisches Werk ein, das beim Grafenegg Festival uraufgeführt wird. Als Coach steht ihnen der Composer in Residence zur Seite.

64 Bewerbungen aus aller Welt wurden für dieses Projekt eingereicht: Partituren, Videos und Motivationsschreiben sollten einen Einblick in Werdegang und Vorhaben der Bewerberinnen und Bewerber geben. Vier Musiker und eine Musikerin wurden von der Jury ausgewählt: Joseph Bozich (USA), Roman Czura (Deutschland/Polen), Ricardo Ferro (Venezuela/Kanada), Otto Wanke (Tschechien) und Tina Geroldinger (Österreich).

Bei Ink Still Wet wird die Zukunft der Musik geschrieben

Worum geht es bei dem Projekt Ink Still Wet? Man versucht, Antworten auf Fragen zu finden, wann ein Werk beendet ist, welche technischen Regeln es zu befolgen gilt, wie man das bislang Ungehörte in Töne gießen kann – und vor allen Dingen darum, wie man Werke zur Aufführung bringt, die eben noch „in frischer Tinte“, also „ink still wet“, notiert und überarbeitet wurden. Für diese praktische Umsetzung arbeiten die Musikerinnen und Musiker des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich eng mit Philippe Manoury, dem Composer in Residence des Jahres 2023, und den Ink-Still-Wet-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern zusammen.

Ricardo Ferro, Roman Czura, Joseph Bozich, Tina Geroldinger, Philippe Manoury (von links)
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Philippe Manoury mit Tina Geroldinger, Joseph Bozich, Roman Czura und Ricardo Ferro (v.r.)

„Bei Ink Still Wet wird die Zukunft der Musik geschrieben. Der intensive Austausch zwischen Musikschaffenden am Anfang ihrer Karriere und bereits etablierten Komponistinnen und Komponisten eröffnet einen Raum für Innovation und für die Infragestellung von Gewohnheiten“, erklärt Philipp Stein, Geschäftsführer der Grafenegg Kulturbetriebsgesellschaft. „Wenn wir zeigen, dass Musik nicht einfach vom Himmel fällt, sondern von jungen Menschen in kooperativer Weise gemacht wird, können wir auch ein Publikum ansprechen, das mit dem klassischen Konzertbetrieb bisher wenig zu tun hatte.“

Musik, die berühren und zum Nachdenken anregen soll

Drei der vier ausgewählten Teilnehmer waren nun in Grafenegg beim ersten Workshop. „Meine Intention als Komponistin ist nicht nur handwerklich geschickte Stücke mit schönen Melodien zu kreieren, sondern ganze Ausdrucksbilder zu malen, mit Atmosphären und Klängen zu experimentieren, neue Elemente inkludieren, wie zum Beispiel Performance und Raumaspekte“, sagt die gebürtige Oberösterreicherin Tina Geroldinger, die seit 2020 an der Anton-Bruckner-Privatuniversität in Linz Komposition studiert.

Ein großer Traum sei es, mit Musikerinnen und Musikern und Künstlerinnen und Künstlern aller Art zusammenzuarbeiten und mit ihrer Musik das Publikum zu berühren, zum Nachdenken oder einfach zum Lachen zu bringen, so die 23-Jährige.

Grafenegg 2023 Workshop Ink Still Wet
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Junge Komponisten studieren mit Philippe Manoury ein symphonisches Werk ein

„Herkömmliche Kompositionswettbewerbe versanden viel zu oft im Niemandsland der Anonymität – eine Einsendung per Mail oder früher per Postsendung, und bestenfalls eine duale Nachricht: ja oder nein. Kaum mal ein richtiges Feedback. Bestenfalls mal ein Preis, manchmal dann auch eine Uraufführung“, meint Roman Czura, Jahrgang 1989.

Das Abschlusskonzert von Ink Still Wet findet am 26. August 2023 um 15.30 Uhr im Auditorium Grafenegg statt. Der Eintritt ist frei.

„Aber viel wichtiger – richtiggehend bereichernd – ist das Zusammentreffen mit den anderen Komponistinnen und Komponisten, den ausführenden Musikerinnen und Musikern, der Dirigentin oder dem Dirigenten, den Jurorinnen und Juroren. Hier knüpft man Bekanntschaften, entstehen Freundschaften, man lernt voneinander“, ist Czura überzeugt, der an der Universität Kattowitz (Polen) unterrichtet.

Althergebrachte Strukturen sollen überwunden werden

Als Composer in Residence 2023 habe einer der prägenden Komponisten Europas die Leitung der Workshops übernommen, heißt es in Grafenegg: Philippe Manoury, Jahrgang 1952, war bereits früh an der Entwicklung elektronischer E-Musik beteiligt, sprengt immer wieder Grenzen und Genres und „verbindet computergenerierte Sounds mit dem klassischen Orchester. Seine Musik ist nie reiner Selbstzweck, sondern beteiligt sich an den Debatten unserer Zeit.“

Die Überwindung althergebrachter Strukturen im Orchesterbetrieb und das Interesse am Austausch mit jungen Kolleginnen und Kollegen machen ihn zum idealen Leiter von Ink Still Wet. Sein Gegenüber als Dirigiercoach ist der amerikanische Komponist und Dirigent Brad Lubman, der nicht nur regelmäßig an den Pulten der großen Orchester steht, sondern auch mit viel Einsatz die Aufführung zeitgenössischer Musik vorantreibt.