Bub gestaltet Bild
ORF/Birgit Zrost
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Bildung

Gratiskurse für gleiche Chancen auf Hobbys

Jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen – das wirkt sich auch auf die Freizeitgestaltung aus. Oft sind Sportkurse, Musikschule oder auch Nachhilfe nicht leistbar. Der Verein Hobby Lobby bietet deshalb kostenlose Freizeitkurse für Kinder von zehn bis 15 Jahren an.

Erst werden Ideen gesammelt und Schablonen ausgeschnitten, dann greifen die Kinder zu den Spraydosen – der Street-Art-Kurs bei der Hobby Lobby in Mödling ist gut besucht. Die Mädchen und Buben gestalten Bilder, die später den Kursraum verschönern sollen, in den der Verein im Herbst eingezogen ist.

Alle sind mit viel Engagement bei der Sache – als nach 50 Minuten zum Aufräumen aufgerufen wird, können ein paar gar nicht glauben, dass die Zeit schon um ist. Doch im Anschluss beginnt gleich die kostenlose Nachhilfe-Stunde, gefolgt von einem Robotik-Kurs. Aber auch Tanzen, Schauspiel, Boxen, Football oder Cheerleading finden sich im Kursplan.

„Ein Hobby auszuleben macht so viel mit einem jungen Menschen“, sagt Niederösterreich-Geschäftsführerin Nadine Waser-Zeiss, „weil es ist ja nicht nur, dass ich jetzt lerne, wie ich eine Spraydose halte oder einen Roboter zusammenbaue. Ich lerne, wie ich mit anderen zusammenarbeite. Ich lerne andere kennen. Ich lerne, dass ich jetzt jede Woche zur selben Zeit am selben Ort dieselben Leute treffe. Und ich habe dort eine Person, die sich um mich kümmert und für ein Hobby brennt und mich mit dieser Begeisterung mitreißt. Ich lerne alle möglichen Social Skills, die ich in mein weiteres Leben und meinen weiteren Bildungsweg mitnehme.“

Kurse sollen Kinder weg von Couch und Handy holen

Grundsätzlich stehen die Gratiskurse allen offen, sollen aber vor allem jene mit ins Boot holen, die ihre Freizeit sonst vor dem Handy oder auf der Couch verbringen würden. Denn die Barrieren, an Freizeitangeboten teilzunehmen, sind vielschichtig, erklärt Fabio Tiani. Er leitet mit Nadine Waser-Zeiss den ersten niederösterreichischen Standort des Vereins in Mödling. „Zunächst wissen manche Kinder gar nicht, dass es solche Kurse gibt, dass es Vereine gibt, die sie nutzen könnten. Dann gibt es Kinder, die das wissen, aber sich scheuen, alleine hinzugehen, oder nicht wissen, wo man da genau hin muss, wie die Anmeldung läuft etc. Und oft wissen das die Eltern oder Erziehungsberechtigten auch nicht.“

Buben mit Roboter
ORF/Birgit Zrost
Neben Robotik und Street Art finden sich etwa auch Tanzen, Schauspiel, Boxen, Football oder Cheerleading im Kursplan

Und dann spielt natürlich auch Geld eine Rolle: „Wenn die Kinder wissen, dass zu Hause das Geld nicht so vorhanden ist, trauen sie sich deswegen gar nicht erst vorzuschlagen, dass sie gerne einmal Handball ausprobieren wollen oder zum Cheerleading gehen will.“

„Was? Das kostet 0 Euro?“

Beworben wird das Angebot an Mittelschulen. Oft würden die Kinder zunächst gar nicht glauben, dass die Kurse tatsächlich kostenlos sind. „Die erste Reaktion ist meist: ‚Was? Das kostet 0 Euro?‘ Manchmal muss man das dann auch nochmal mit den Eltern besprechen, weil die es dann auch nicht glauben“, erzählt Fabio Tiani.

Der Einstieg erfolgt über eine unverbindliche Schnupperwoche, Einkommensnachweis wird keiner verlangt. „Uns ist es wichtig, dass wir Armut nicht stigmatisieren“, erklärt Tiani das Konzept, „das heißt, wenn beste Freunde aus unterschiedlichen Haushalten kommen, sollen die auch die Möglichkeit haben, einen Kurs gemeinsam zu besuchen.“

Zentraler Standort ohne „Eltern-Taxi“

Gegründet wurde der Verein in Wien, seit Oktober gibt es den Standort in Mödling – und dieser wird gut angenommen, das Angebot wird im zweiten Semester von mehr als hundert Kindern genutzt. „Der Erfolg steht und fällt auch mit dem Standort“, meint Waser-Zeiss, „wir sind hier im Haus der Jugend. Das kennen die Kinder, das ist zentral gelegen zwischen allen möglichen Mittelschulen und dem Bahnhof und deshalb funktioniert das.“ Denn es sei auch essentiell, dass die Kinder selbstständig zu den Kursen kommen können, „damit nicht wieder die Eltern das Taxi spielen müssen. Weil das ist auch eine Zugangsbarriere.“

Die Hobby Lobby finanziert sich durch Spenden und Förderungen, die Kursleiter und -leiterinnen arbeiten ehrenamtlich, zum Teil arbeitet man mit Sportvereinen zusammen. Weitere Standorte in Niederösterreich sind derzeit in Planung.