Ärztin bei der Untersuchung mit einem Stetoskop
APA/HELMUT FOHRINGER
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Gesundheit

ÖGK-Aussage über Hausärzte sorgt für Kritik

In einem Interview hat Andreas Huss, stv. Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), einen „kompletten Umbau“ des Gesundheitssystems gefordert und die Position der Hausärztinnen und Hausärzte relativiert. Ärztevertreter reagierten in einem offenen Brief empört.

Der Hausärztemangel ist groß, die Belastung der Vertragsärzte hoch und die Spitäler sind bundesweit schwer überlastet. Eine Lösung dafür soll im Ausbau von Primärversorgungszentren liegen, sagte Andreas Huss, stellvertretender Obmann der ÖGK, in einem Interview den „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“) vergangene Woche. Das Gesundheitssystem brauche „einen kompletten Umbau – weg von den Einzelärzten hin zu Versorgungszentren“, wurde Huss zitiert.

Diese Aussagen kritisierte der Vizepräsident der Ärztekammer NÖ, Max Wudy, nun in einem offenen Brief der Ärztekammer scharf. „Das Interview klingt, als würde die ÖGK die Hausärzte abschaffen wollen“, konkretisiert Wudy auf Nachfrage von noe.ORF.at. Ein ausgeglichenes System und ein Ausbau von beiden Faktoren – KassenärztInnen und Primärversorgungszentren – sei für die Entlastung der Spitäler wirksam, meint der Vizepräsident.

Huss: „Schaffen auch Anreize für KassenärztInnen“

Gegenüber noe.ORF.at relativiert Huss seine Aussagen im Interview. Der Titel des „OÖN“-Artikels „Weg von Einzelärzten hin zu Versorgungszentren“ sei „überspitzt“ formuliert, so Huss. Natürlich brauche es in Zukunft auch Hausärztinnen und Hausärzte. Der Ausbau der Kassenstellen sei auch im derzeit diskutierten Finanzausgleich von Bund, Ländern und den Sozialversicherungen Thema.

Wichtig sei es aber, dass die HausärztInnen sich eher in ländlichen, abgelegeneren Regionen niederlassen, wo Primärversorgungszentren keinen Sinn hätten. Huss verstehe die Kritik der Ärztekammer NÖ nicht, denn man versuche als ÖGK, Anreize für Kassenverträge für junge ÄrztInnen zu schaffen, etwa in Form von Stipendien – mehr dazu in ÖGK: Stipendium für Kassenarzttätigkeit (news.ORF.at, 12.1.23).

Der Ausbau der Primärversorgungszentren sei aber für die Entlastung der Spitäler besonders in Städten, Bezirkshauptstädten und Ballungsräumen entscheidend, denn „Einzelordinationen mit kurzen Öffnungszeiten können die Entlastung nie so fördern, wie Zentren mit vier oder fünf ÄrztInnen und Pflegepersonal oder PsychotherapeutInnen, die ja in diesen Zentren miteinander arbeiten“, sagt Huss.

Wudy: „Brauchen 1.500 bis 2.500 Kassenarztstellen mehr“

Im „OÖN“-Interview sprach Huss ebenfalls davon, dass es wegen der steigenden Nachfrage der Patientinnen und Patienten nach KassenärztInnen „500 zusätzliche Kassenarztstellen“ brauche. „Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber zumindest mal ein Anfang“, sagt Wudy gegenüber noe.ORF.at.

„Diese Erhöhung entspricht gerade einmal zwölf Prozent, obwohl der Anteil der Bürgerinnen und Bürger über 60 Jahre um mehr als das Dreifache gestiegen ist. Und die immobile, ältere Bevölkerung braucht Hausärzte im nahen Umfeld. Somit brauchen wir bundesweit mindestens 1.500 bis 2.500 Kassenstellen mehr, denn die Überlastung der Kolleginnen und Kollegen ist momentan einfach zu groß“, so der Vizepräsident.