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ORF/Tobias Mayr
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Gesundheit

Schlaganfall: Behandlung mit Drahtgeflecht

Seit neun Jahren werden in drei niederösterreichischen Kliniken schwere Schlaganfälle durch die sogenannten mechanischen Thrombektomie behandelt. Die Heilungsschancen haben sich dadurch vervierfacht. Doch trotzdem gilt: „Time is brain“.

Damit ist gemeint, dass bei Schlaganfällen jede Minute zählt. Alle 60 Sekunden sterben 1,9 Millionen Gehirnzellen wegen Sauerstoffmangels ab – üblicherweise weil ein Blutgerinnsel die Blutgefäße im Gehirn blockiert. Je größer das Blutgerinnsel ist, desto schwerer ist die Gefäßverstopfung durch Medikamente zu lösen. In solchen schweren Fällen kann allerdings seit einigen Jahren die mechanische Thrombektomie durchgeführt werden.

Dabei wird ein Katheter, eine Art kleiner Plastikschlauch, über die Blutbahn von der Leiste bis ins Gehirn gelegt. Der Schlauch dient dabei jedoch nur als Tunnel für das eigentliche Werkzeug: den sogenannten Stent-Retriever. Dabei handelt es sich um ein saugfähiges Drahtnetz, das das Blutgerinnsel aufnehmen kann. Beim Zurückziehen des Stent-Retrievers wird das Blutgerinnsel über den Katheter abgeführt. Der ganze Eingriff dauert im Durchschnitt 30 Minuten.

Thrombektomie: Stent-Retriever wird über die Blutbahn in einem Katheter bis zum Blutgerinnsel geführt

Vollständige Heilungen viel wahrscheinlicher

Seit 2014 wird die Thrombektomie in den Kliniken St. Pölten, Wiener Neustadt und Tulln durchgeführt. Eine erste Evaluierung zeigt nun, wie sehr sich die Methode bewährt. „Bevor wir diese mechanische Thrombektomie durchgeführt haben, konnte nur einer von zehn schweren Schlaganfallpatienten vollständig geheilt werden. Mittlerweile sind wir bei vier von zehn Patienten“, sagt Radiologie-Primarin Gertraud Heinz vom Universitätsklinikum St. Pölten. Zudem trete die gefürchtete Hirnschwellung, eine Komplikation des Schlaganfalls, deutlich seltener auf.

Doch auch die Thrombektomie gelinge nur, wenn rasch gehandelt wird, betont der Radiologe Bardia Sadat-Gouche vom Universitätsklinikum St. Pölten. Einfache motorische Tests helfen dabei, bereits zu Hause einen Schlaganfall festzustellen. Wichtig sei, die betroffene Person lachen zulassen oder sie aufzufordern die Arme oder Beine zu bewegen, um etwaige Lähmungen zu erkennen.

Stent Retriever für Thrombektomie
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Der Stent-Retriever aus Draht kann das Blutgerinnsel aufnehmen und über den Katheter abführen

Je schneller, desto besser: „Time is brain“

Auch auf Sprache und Wortschatz sei zu achten, so Sadat-Gouche. Sollte die Person auf einmal keine sinnergreifenden Worte oder Sätze mehr bilden können, sei das ein deutliches Anzeichen für einen Schlaganfall. „Dann einfach 144 rufen und rasch Hilfe holen, denn ‚Time is brain‘“, so der Radiologe.

Nur innerhalb der ersten sechs Stunden können Schlaganfälle ohne bleibende Schäden behandelt werden, heißt es. Bestätigt der Notarzt den Schlaganfallverdacht, so wird der Patient oder die Patientin in das nächstgelegene Spital transportiert. Dort wird die Größe des Blutgerinnsels mittels Computertomographie ermittelt. Wenn das Gerinnsel so groß ist, dass eine Thrombektomie notwendig ist, werden Patientinnen und Patienten in die Kliniken St. Pölten, Tulln oder Wiener Neustadt überführt und dort behandelt.