Thomas Brezina
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„Ganz persönlich“

Thomas Brezina: „Ich liebe es bunt“

Thomas Brezina hat mit seinen millionenfach verkauften Büchern ganze Generationen an Kindern und Jugendlichen geprägt. noe.ORF.at sprach mit ihm über Ehrgeiz, Erfolg und über die wertvollen Ratschläge seines Ehemanns.

Seine Bücher wurden in mehr als 35 Sprachen übersetzt und verkauften sich offiziell rund 45 Millionen Mal weltweit. Insgesamt hat der 60-Jährige 600 Bücher geschrieben. Er arbeitet auch als Fernsehmoderator, Drehbuchautor und Produzent. Brezina lebt mit seinem Ehemann Ivo und Hund Puppy in Wien und London.

Seinen literarischen Durchbruch feierte er Anfang der 1990er-Jahre mit der Buchreihe „Die Knickerbocker-Bande“. Seine Lieblingsfigur ist aber das ORF-Serienfahrrad „Tom Turbo“, den er in Niederösterreich beim Radfahren erfunden hat.

noe.ORF.at: Herr Brezina, Sie haben zigtausende Kinder und Jugendliche beim Erwachsenwerden geprägt. Macht Sie das stolz?

Thomas Brezina: Ja, absolut. Ich wollte immer Geschichten erzählen, die Menschen begeistern. Und ich stelle mir bis heute vor, dass ich vor meinem Publikum stehe und meine Geschichte erzähle. Dass das so viele Menschen so berührt hat, sie begleitet hat, ihnen offensichtlich auch Kraft gegeben hat, dass ich Zuschriften aus China, aus Südamerika, aus so vielen Ländern bekomme, das ist für mich die höchste Auszeichnung.

noe.ORF.at: Sie gelten als sehr produktiver Autor und schreiben täglich. Haben Sie ein gewisses Soll an Wörtern, das sie abarbeiten?

Brezina: Bücher schreiben ist eine anstrengende Sache. Aber ein fertiges Buch oder das Manuskript in Händen zu halten, das ist das Schöne. Ich nehme mir unterschiedliche Textmengen vor, am Anfang weniger, gegen Ende mehr. Und diese Ziele versuche ich dann auch zu erreichen. Wenn die Ideen schleppend kommen, gehe ich herum. Ich bin beim Schreiben oft in Bewegung, ich drehe meine Runden. Das ist unglaublich wichtig für mich.

noe.ORF.at: Sie sind heuer 60 Jahre geworden, aber Sie haben offenbar die Gabe, sich sehr gut in Kinder und Jugendliche hineinzuversetzen. Was ist Ihr Geheimnis?

Brezina: Respekt und Achtung. Ich bin weder ein Elternteil noch jemand, der erzieht oder sonst etwas. Mich interessiert: Was geht in Kindern vor, was bewegt sie, wie schaut die Welt durch ihre Augen aus? Ich möchte Kinder bestärken. Ich möchte sie begeistern, aber niemals belehren.

Thomas Brezina und Eva Steinkellner-Klein
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Thomas Brezina im Gespräch mit Eva Steinkellner-Klein – inklusive Tom Turbo in der Mitte

„Frage mich immer, ob ich das kann“

noe.ORF.at: Sind Sie mit Ihren Büchern zufrieden?

Brezina: (lacht) Nein, ich bin selten zufrieden. Ich bin ein großer Zweifler. Ich habe jetzt mehr als 600 Bücher geschrieben, aber wenn ich ein neues beginne, frage ich mich immer noch, ob ich das kann. Nach einigen Seiten denke ich mir dann, das wird überhaupt nichts. Aber ich habe Menschen, denen ich das schicken kann, meinem Verleger etwa oder meinem Agenten. Und meinem Mann jammere ich auch oft vor. Der sagt dann immer: Das hatten wir beim letzten Buch, beim vorletzten Buch, beim vorvorletzten, setz dich hin und schreib weiter. Und das brauche ich.

noe.ORF.at: Ihre Bücher wurden millionenfach verkauft. Gab es einen Zeitpunkt, wo Sie realisiert haben: Wahnsinn, ich bin wirklich sehr, sehr erfolgreich?

Brezina: Ich gebe zu, ich will viele Menschen erreichen. Ich schreibe nicht für mich und ich schreibe auch nicht für eine kleine Gruppe. Ich habe schon einen Maßstab: Hätte ich das Buch, das ich für Kinder hier schreibe, in mein Baumhaus mitgenommen? Die Antwort muss „Ja“ sein.

Dass Eltern zu mir kommen und sich bedankt haben, dass ihre Kinder nun endlich lesen, weil sie meine Bücher entdeckt haben, das gibt mir unheimlich viel Kraft. Aber dieses Erfolgsdenken, das versuche ich von mir fernzuhalten. Weil Erfolg sind Momente, aber es gibt auch Zeiten, da ist man ganz unten. Ich will weder jubeln noch ganz unten sein. Ich versuche die Mitte zu halten.

noe.ORF.at: Sind Sie ehrgeizig?

Brezina: Nein. Ich will das machen, was aus mir raus kommen soll, das umsetzen, was ich im Kopf habe. Ehrgeiz war es nie. Ich wollte immer etwas leisten, etwas schaffen.

Der Anfang darf nicht fad sein

noe.ORF.at: Für viele Schriftsteller und Autoren und Autorinnen ist der erste Satz unheimlich wichtig. Wie ist das bei Ihnen?

Brezina: Er ist sehr wichtig. Der erste Satz muss in die Geschichte reinziehen. Als ich zu schreiben begonnen habe, habe ich viele Kinder gefragt, warum sie nicht lesen, und die Antwort war, weil der Anfang so fad ist. Es geht mir als Erwachsener ja nicht anders: Wenn mich die ersten Seiten nicht fesseln, lese ich kaum weiter.

noe.ORF.at: Was ihr Privatleben betrifft, sind Sie diskret. Ist das für Sie eine Art Schutz?

Brezina: Ich erzähle eigentlich eine ganz Menge. Ich erzähle, was ich über Beziehungen gelernt habe, ich erzähle auch, dass ich vor 13 Jahren eine sehr traurige Trennung hatte und einige Jahre allein war. Aber diese Jahre waren auch prägend. In einer Zeit, die für mich eine der schwersten in meinem Leben war, habe ich das meiste gelernt, um jetzt wesentlich freudiger in die Welt hinauszuschauen. Natürlich gibt es Grenzen, aber auf der anderen Seite stelle ich das, was freudig ist, gerne in die Öffentlichkeit. Auch ein bisschen, weil vielleicht findet jemand etwas daran, was ihm hilft.

noe.ORF.at: Sie sind ja sehr bekannt. Wenn Sie auf der Straße erkannt werden, empfinden Sie das als Last oder als Kompliment?

Brezina: Das ist das höchste Kompliment. Es wird auch unser Hund erkannt, es wird mein Mann erkannt. Es kommen Leute auf uns zu, die sagen: „Herr Brezina, ich folge Ihnen auf Instagram, Sie hätte ich jetzt nicht erkannt, aber Ihren Mann.“ Das sind teilweise wirklich lustige Momente.

Bester Freund und engster Vertrauter

noe.ORF.at: Wie wichtig ist Ihnen ihr Mann als Ratgeber?

noe.orf.at: Ich lese ihm manche Passagen vor. Deutsch ist ja nicht seine Muttersprache. Er ist in Belgien aufgewachsen, er spricht eigentlich Flämisch und Englisch, wir sprechen zuhause eine Mischung aus Englisch und Deutsch. Er ist derjenige, der mich ermutigt, neue Wege zu gehen. Der Titel meines ersten Ratgebers „Tu es einfach und glaub daran“ war ein Satz von ihm, den er oft zu mir gesagt hat. Er ist für mich mein bester Freund, mein engster Vertrauter und er hat einen unglaublichen Hausverstand und ein gutes Gefühl. Mehr kann ich mir nicht wünschen.

noe.ORF.at: Sie wirken immer gut gelaunt. Ich habe kein Bild von Ihnen gefunden, auf dem Sie missmutig schauen oder schlechte Laune haben. Sind Sie wirklich so ein positiver Mensch?

Brezina: Es gibt ein Kinderfoto von mir – ich sage immer, das ist der Mensch, der in mir steckt. Das ist ein strahlendes, lustiges Bild. Aber gleichzeitig ziehen im Leben Wolken auf und die verdecken diese innere Sonne. Das ist bei mir genauso. Ich bin zeitweise verzweifelt, sauer, grantig, enttäuscht. Nur wozu muss ich das in die Öffentlichkeit stellen? Wer hat etwas davon? Niemand. Es war mein erklärtes Ziel, auf Social Media, Freude zu zeigen. Aber das ist keine Zuckerguss-Welt, sondern es ist ein Blick, den man auf die Welt werfen kann. Und ich erzähle auch, was ich gelernt habe aus schwierigen, traurigen Situationen. Aber ja, ich liebe ein buntes Leben. Ich mag kein Schwarz und kein Grau.

Thomas Brezina in der Domkirche St. Pölten
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Mit seinem Buch „Die Bibel in Reimen“ trat Brezina im vergangenen Jahr zu Ostern im Dom St. Pölten auf

„Tom Turbo“ ist ein Kindheitstraum

noe.ORF.at: Haben Sie eigentlich eine Lieblingsfigur?

Brezina: Der Tom Turbo ist schon einzigartig! Das war das Fahrrad meiner Kindheit in meinen Träumen. Ich habe die Figur eigentlich in Seebenstein in Niederösterreich erfunden. Da hatten meine Eltern ein Wochenendhaus und ich bin dort mit dem Fahrrad gefahren. Ich habe mir vorgestellt, was mein Fahrrad alles können soll, dass es sprechen kann oder schwimmen und so ist die Figur entstanden. Wenn man mit einem Fahrrad 400 Fernseh-Folgen dreht und 60 Bücher darüber schreibt – naja, das liegt einem dann schon sehr am Herzen.

noe.ORF.at: Was kommt als nächstes? An welchem Buch schreiben Sie gerade?

Brezina: Ich schreibe gerade am dritten Teil von „Kaiserin Elisabeth ermittelt“. Den Titel darf ich noch nicht verraten. Zwei Teile gibt es schon. Ich treffe mich dann mit einem Freund, der Gerichtsmediziner ist, und er fragt mich: „Thomas, wie morden wir diesmal?"(lacht). Ich schreibe außerdem "Eine Geschichte Österreichs in Reimen“. Und die Abenteuer von Tom Turbo oder der Knickerbockerbande gehen natürlich weiter.

noe.ORF.at: Können Sie sich vorstellen, jemals nicht zu schreiben?

Brezina: Nein. Ich kenne keinen Künstler, der in Pension geht.