Roland Adrowitzer im Gespräch mit Robert Friess
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„Ganz Persönlich“

Roland Adrowitzer: „Ich bleibe ein Newsjunkie“

Bei der Krönung von König Charles ist der kürzlich pensionierte ORF-Korrespondent Roland Adrowitzer wieder als Experte im Einsatz. Der Wahlniederösterreicher erzählt gegenüber noe.ORF.at, wie er zum Adelsexperten geworden ist und was er in der Pension vorhat.

Roland Adrowitzer, geboren in Hallein in Salzburg, begann noch während seines Jusstudiums beim ORF Salzburg. Der promovierte Jurist war Auslandskorrespondent in London und Bonn, Büroleiter in Brüssel, Landesintendant in Tirol, Sendungsverantwortlicher und Moderator der ZiB 2 und koordinierte bis zu seiner Pensionierung die ORF-Korrespondenten.

noe.ORF.at: Wir sind hier beim Heurigen in Perchtoldsdorf. Ist das für Sie so etwas wie ein Lieblingsplatz in der Pension?

Roland Adrowitzer: Nicht nur in der Pension. Ich wohne seit 18 Jahren hier. Perchtoldsdorf ist meine Wahlheimat geworden, ich bin Salzburger im Exil, aber mittlerweile fühle ich mich hier wohl.

noe.ORF.at: Geht dem Salzburger irgendwas in Niederösterreich ab?

Adrowitzer: Das Einzige, was mir ein bisschen fehlt, sind die Berge. Ich bin begeisterter Skifahrer. Hochkar und Semmering sind zwar nett, aber doch kein Vergleich. Aber ich habe hier meine zweite Heimat gefunden und bleibe auch hier.

noe.ORF.at: Sie haben ursprünglich Jus studiert, aus der Juristenkarriere ist dann nichts geworden.

Adrowitzer: Nein, es ist nichts daraus geworden. Ich habe schon während des Studiums in Salzburg begonnen, beim ORF zu arbeiten. Ich habe die ersten fünf Jahre in Salzburg studiert, mit dem Wilfried Haslauer, dem Salzburger Landeshauptmann, und mit Ernst Strasser, dem späteren umstrittenen Innenminister (beide ÖVP; Anmerkung), auch mit einigen anderen Politikern aller Couleurs. Es war eine schöne Zeit, ich zehre immer noch von dem Grundwissen, das ich als Jurist habe.

noe.ORF.at: Sie haben sehr viele Funktionen gehabt, unter anderem Korrespondent in Brüssel, Sonderkorrespondent, Chefreporter, Sie sind viel herumgekommen. Ist man bei so vielen Auslandsaufenthalten überhaupt irgendwo zu Hause?

Adrowitzer: Ich habe immer gesagt: „Ubi bene ibi patria“ – wo es dir gut geht, bist du zu Hause. Ich war überall gerne. Ich war gerne in Brüssel, in Bonn, in London, damals jung verheiratet, auch in Tirol, wo ich zwei Jahre ORF-Landesintendant war. Mir hat es überall gefallen. Man trifft überall interessante Menschen, nicht nur, die paar unvermeidlichen Deppen sind überall dabei. Aber im großen Ganzen war es eine tolle Zeit. Ich habe viel gesehen, ich bereue nichts.

noe.ORF.at: Anlässlich Ihres 65. Geburtstags hat ORF-Israel-Korrespondent Tim Cupal Folgendes gesagt: „Roland Adrowitzer kann man mit verbundenen Augen irgendwo aussetzen. Nach zehn Minuten berichtet er darüber“. War es wirklich immer so einfach?

Adrowitzer: Ich habe mich mein ganzes Leben mit nichts anderem beschäftigt, Zeitung gelesen, mich immer auf dem Laufenden gehalten. Das Spielbein ist nur locker, wenn das Standbein solide ist.

noe.ORF.at: Welches Ereignis haben Sie am meisten in Erinnerung?

Adrowitzer: Sicherlich die Revolution in Prag. 1989 habe ich der großen Barbara Coudenhove-Kalergi geholfen, weil in London nichts los gewesen ist. Das waren schon Erlebnisse damals.

Roland Adrowitzer im Gespräch mit Robert Friess
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Adrowitzer (r.) im Gespräch mit Robert Friess

noe.ORF.at: Sie waren auch derjenige, der zuerst im Fernsehen über den Tod von Jörg Haider berichtet hat – damals in einem sehr improvisierten Studio.

Adrowitzer: Ich war der einzige, der um 5.00 Uhr früh das Handy abgehoben hat, als der Chefredakteur jemanden gesucht hat. Es war knapp nach 6.00 Uhr, der Newsroom war noch nicht besetzt. Wir waren im Vorbereitungsraum des Newsrooms mit einem Behelfslicht. Das hat ausgesehen wie aus einer Gruft. Ich bin dannach sofort nach der Sendung nach Klagenfurt geflogen. Es war wirklich unglaublich damals, diese Trauer in Kärnten. Ein alter Mann, der nach einer Sondersendung zu mir gekommen ist, hat gesagt, so viel wie heute hat er seit dem Tod seiner Mutter nicht mehr geweint. Haider war schon eine Ausnahmeerscheinung als Mensch, abgesehen von allem, was man über ihn Positives oder Negatives sagen könnte, er war ein Mensch, der niemanden kalt gelassen hat.

noe.ORF.at: Trotz Pension gibt es in 14 Tagen wieder einen Einsatz für den ORF: die Krönung von König Charles. Wie wird man als Adelsspezialist? Muss man da Royalist sein?

Adrowitzer: Nein, überhaupt nicht. Ich bin alles andere als Royalist, ich bin überzeugter Republikaner. Ich bin da hineingerutscht. Ich war in Brüssel Korrespondent, als der holländische Prinz Friso, der Bruder des Königs, geheiratet hat. Dieser unglückliche Prinz, der dann später in eine Lawine gekommen ist und nach Jahren im Koma gestorben ist. Das war die erste royale Hochzeit, von der ich berichtet habe, rund 200.000 Zuschauer an einem Samstagvormittag. Dann bin ich irgendwie hineingestolpert, mittlerweile halte ich bei sechs Hochzeiten, drei Todesfällen und zwei Krönungen. Ich versuche immer, ein bisschen die politische Dimension einzuordnen. Wer mit wem gerade im Königshaus zerstritten ist, das ist mir eigentlich ziemlich wurscht.

noe.ORF.at: Gerade diese Skandale interessieren sehr viele Menschen. Was ist die Faszination dahinter?

Adrowitzer: Ich kann mich erinnern, ein Freund von mir hat immer gesagt, seine Mutter macht sich mehr Sorgen um die Ehe von Charles als um seine Ehe. Letztendlich sind beide gescheitert. Die Faszination ist offensichtlich gegeben. Die Zuschauerquoten bei diesen royalen Events sind enorm. Es ist vielleicht ein bisschen Flucht aus dem Alltag, eine Glitzerwelt, die man fasziniert verfolgt.

noe.ORF.at: Kommen wir zurück zu Ihrer Zeit als Korrespondent in Brüssel. Man hat jetzt das Gefühl, dass es gerade eine große EU-Skepsis gibt. Großbritannien ist ja ausgetreten. Wie sehen Sie das als langjähriger EU-Korrespondent?

Adrowitzer: Ich glaube, dass sehr viele Briten, die für den Brexit gestimmt haben, das mittlerweile bedauern. Man sieht ja, was daraus geworden ist, dem Land geht es noch schlechter als dem Rest Europas. Europa ist insgesamt in keinem guten Zustand. Auch deshalb, weil man jahrzehntelang die Sicherheit an die Vereinigten Staaten, das Wirtschaftswachstum an China und die Energieversorgung an Russland ausgelagert hat. Jetzt muss man mühsam versuchen, auf eigenen Beinen zu stehen. Der französische Präsident Macron sagt immer wieder, wie sehr Europa sich jetzt auf seine eigenen Stärken besinnen muss.
Wenn Sie sich jetzt diese politische Lage anschauen, es gibt die beiden großen Machtblöcke USA und China, in der Mitte der Störenfried Russland und Europa. Wie sollen da Deutschland, Frankreich oder gar das kleine Österreich allein bestehen? Das geht nur als Gemeinschaft. Es gibt keine Alternative zur europäischen Zusammenarbeit. Winston Churchill hat einmal gesagt: „Demokratie ist eine schlechte Staatsform, aber ich kenne keine bessere.“ So geht es mir mit der Europäischen Union.

noe.ORF.at: Hat sich Roland Adrowitzer schon an die Pension gewöhnt?

Adrowitzer: Eigentlich habe ich weniger Zeit als vorher. Ich mache viel Sport, versuche ein bisschen zu reisen, mache noch ein bisschen etwas für meinen Lieblingssender ORF III, lese viel. Man entfernt sich erstaunlich schnell von der Tagespolitik. Obwohl man immer ein Newsjunkie bleibt. Man bleibt süchtig am Handy, muss immer schauen, was sich gerade in der Welt tut. Das werde ich wohl nie mehr ablegen. Aber irgendwann ist es genug. Die Friedhöfe dieser Welt sind voll mit Unersetzbaren. Und daher sollte man sich nicht wichtiger nehmen, als man ohnehin nicht ist.