Historische Reiseführer und Kurlisten, kunstvolle Stiche, Schwefelsteine, kuriose Turn- und Therapiegeräte sowie frühe Filmaufnahmen und Fotografien sollen in der Ausstellung im Kaiserhaus von der Entwicklung der Badekultur und des Kurtourismus erzählen.
Ausstellungshinweis
„Aufbaden–Abbaden. Kurkultur in Baden“, 22. April bis 5. November 2023, dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 10.00 bis 18.00 Uhr, Kaiserhaus, Baden
„Der Ausstellungsrundgang in sechs Räumen lädt ein, dem Ablauf eines Kuraufenthalts zu folgen“, hieß es am Dienstag bei der Pressepräsentation der Schau. Das geht vom Ankommen in der Kurstadt über das Aufbaden im Schwefelbecken, das Anwenden im Wasser und im Turnsaal und das Ausgehen im Kurpark bis hin zum Abtauchen im Einzelbad, um schließlich im Strandbad wieder aufzutanken.
Die historischen Räumlichkeiten des Kaiserhauses werden mit einfachen Mitteln, nachhaltigen Materialien und einem besonderen Farbkonzept zu überraschenden Badearchitekturen verwandelt. Ein breites Angebot zur Interaktion und Hörstationen mit Zeitzeugenberichten, Interviews und Kurmusik runden das Eintauchen in die Kurkultur auf vielfältige Weise ab.
Badens Bürgermeister Stefan Szirucsek (ÖVP): „Die Ausstellung ‚Aufbaden–Abbaden. Kurkultur in Baden‘ stellt die Badekultur einer großen europäischen Kurstadt vor. Der Kuraufenthalt diente dazu, gesund zu bleiben oder gesund zu werden. Das reichhaltige Unterhaltungsangebot in Baden machte die Kur zu einer Erholung für Körper und Geist und zu einem gesellschaftlichen Erlebnis. Das ist in der Kur- und Kulturstadt Baden noch heute lebendig und spürbar und macht das besondere Lebensgefühl und die Lebensqualität in Baden aus.“
Kuren als gesellschaftliches Phänomen
„,Wir riechen ihn nicht!’, sagen oft die echten Badener Schwefelkinder. Trotzdem begegnen sie den Auswirkungen der wohltuenden Quellen in der Stadt ebenso wie die (Kur-)Gäste. Egal, in welchen Bereich man schaut, die Stadt ist dazu reich an Geschichten. In die Geschichte Badens einzutauchen ist daher nicht nur für Besucherinnen und Besucher aus dem In‐ und Ausland, sondern auch für die Badenerinnen und Badener ergiebig“, so Ulrike Scholda, die Leiterin der Museen Baden.
Auf der Suche nach Genesung und Erholung zieht es seit Jahrhunderten Kurgäste aus aller Welt in die Thermenstadt Baden. Sie baden im Schwefelwasser, lassen sich in warme Tücher wickeln und wandeln in der Trinkhalle. Oder sie bandeln ein wenig im Kurpark an und dösen im Strandbad in der Sonne. Reiseführer und Kurlisten dokumentieren, wie international das Publikum bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts war: Gäste kommen aus dem heutigen Istanbul, aus Frankreich, England, Ungarn, Russland oder Indien. Adelige und bürgerliche Familien reisen samt Angestellten an, was wesentlich zur wirtschaftlichen sowie politischen Bedeutung der Stadt beiträgt.
Hygiene und Moral im Wandel der Zeit
Ob nackt oder im hochgeschlossenen und im Saum mit Blei beschwerten Badekleid, gebadet wird in der Geschichte des Heilbadens gemeinsam oder getrennt – nach Geschlecht, aber auch nach Religionszugehörigkeit und sozialer Stellung.
Die Einrichtung von Badehäusern, die bestimmten gesellschaftlichen oder religiösen Gruppen vorbehalten sind – wie etwa die Armenbäder, das Militärbad oder das „Judenbad“ –, spiegelt historische, soziale und politische Entwicklungen. Badeordnungen geben Einblicke in Hygiene‐ und Moralvorstellungen ihrer Zeit. Sie regeln unter anderem auch, welche Art von Gesang in den Bädern erlaubt oder verboten ist.
Heute wird dazu geraten, circa 15 Minuten pro Tag im Schwefelwasser zu verbringen, in den vergangenen Jahrhunderten badeten Kranke und Kurgäste oft viele Stunden täglich im warmen Wasser. Beim „Aufbaden“ gewöhnen sich die Badenden an das wohltuende Nass, am Ende der Kur erfolgt beim „Abbaden“ die langsame Entwöhnung.
In der Ausstellung erfährt man auch mehr von der Geschichte der Bäderheilkunde und ihrer therapeutischen Anwendungen, anhand derer sich medizinhistorische Entwicklungen nachvollziehen lassen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts betrieben Bader oder „Landschaftschirurgen“ die Badestuben und boten Dampfbäder oder auch Aderlässe an. Heute liegt der medizinische Schwerpunkt der Kur in Baden auf der Behandlung von Beschwerden des Stütz‐ und Bewegungsapparates sowie rheumatischen Erkrankungen. Baden gehört zu den traditionsreichsten Kurstädten Europas und wurde 2021 in die UNESCO-Welterbeliste „Great Spa Towns of Europe“ aufgenommen.
Die Kur als sozialer Treffpunkt
„Eine erfolgreiche Kur bedeutet neben den Anwendungen auch ausreichend Bewegung im Freien und ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm“, so Scholda. Der Kurpark ist Dreh‐ und Angelpunkt des gesellschaftlichen Aspekts des Kurens.
„Lido‐Atmosphäre“ brachte das 1926 in nur 80 Tagen erbaute Strandbad nach Baden. Mit einem in Österreich damals einzigartigen künstlichen Sandstrand für etwa 2.000 Personen, zwei Schwimmbecken zu je 50 Metern Länge, Sprungbrettern und einem Zehnmeterturm sollte es Baden nach dem Ersten Weltkrieg wieder zum Weltkurort machen. Bademoden aus den 1920er und 1930er Jahren machen in der Ausstellung den Wandel zum Zweckhaften und den sich anbahnenden Körperkult deutlich.