Würfel der gerechten
Florian Müller
Florian Müller
Kultur

„Die Gerechten“: Zivilcourage in der NS-Zeit

„Gerechte unter den Völkern“ heißen in Israel jene couragierte Menschen, die während der NS-Herrschaft unter Einsatz ihres Lebens Juden vor der Vernichtung gerettet haben. Die Schau „Die Gerechten“ ist nun im Haus der Geschichte in St. Pölten zu sehen.

Am Beginn der Ausstellung sind in eine Mauer viele Türen eingelassen. Hinter jeder Tür, die man aus Besucher öffnen kann, sind großformatige Portraits und die Geschichte zur jeweiligen Person zu sehen. Courage ist eine Frage der Entscheidung, eine Tür durch die man geht.

Im Falle der „Gerechten“ haben diese Personen eine lebensgefährliche Entscheidung nicht nur für sich, sondern auch für ihre Angehörigen, ihre Familien getroffen und für die jüdischen Mitmenschen, die sie unter ihren Schutz genommen haben.

Christian Rapp, wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte in Sankt Pölten, zeigt sich überrascht von den vielen verschiedenen Lebensgeschichten: „Diese Rettungsaktionen waren von den allermeisten Menschen während der Kriegstage überhaupt nicht geplant. Sie waren ein Produkt einer spontanen Entscheidung des Herzens und der Mitmenschlichkeit. Dabei galt es dann abzuwägen, wem kann ich vertrauen auf meinem weiteren Weg. Nicht Wenige sind bekanntlich verraten und getötet worden.“

Beispiele aus Niederösterreich
Florian Müller
Die berührenden Schicksale, die sich in Niederösterreich ereignet haben

Courage von Mitmenschen aus Niederösterreich

In der 115 Personen umfassenden Liste der „Gerechten unter den Völkern“ sind auch viele couragierte Menschen aus Niederösterreich zu finden: Dem KZ-Häftling Franz Leitner aus Wiener Neustädter gelang das Unfassbare, ebenfalls wie er im Konzentrationslager Buchenwald inhaftierte Kinder dort zu verstecken und damit zu retten.

Die Gerechten

Sonderausstellung im Haus der Geschichte in St. Pölten:
19. April bis 15. August 2023

Familie Fasching am Lahnsattel (Bezirk Lilienfeld) nahm eine verletzte jüdische Rotarmistin auf, die von der SS gesucht worden war.

Arthur Lanc war Amtsarzt in Gmünd und für die Betreuung aller jüdischen Zwangsarbeiter im Raum Gmünd zuständig. Diesen durften allerdings keine Medikamente verabreicht werden. Lanc zweigte dennoch gemeinsam mit dem Tierarzt Krisch ihnen zugeteilte Arzneimittel für die Juden ab und war zudem drei Juden behilflich, aus einem Lager in Gmünd zu fliehen.

Der Kontakt bleibt oft über Jahrzehnte aufrecht

Im Mai 1945 erschießen SS-Männer nahe Hofamt Priel (Bezirk Melk) 228 Jüdinnen und Juden. Der damals elfjährige Tibor Yakov Schwarz überlebt das Massaker, er flieht und wird spontan von Familie Forsthofer aufgenommen. Zwischen den Familien in Österreich und Israel gibt es nach wie vor engen Kontakt.

„Ich sehe das bei mehreren Nachkommen von Rettern oder Gerechten, dass die Bindungen zu den Geretteten, wenn das noch möglich ist, bestehen und intensiv bleibt, weil das doch eine gemeinsame gemeisterte existenzielle Gefahr war. Und das verbindet“, schilderte Martha Keil, die wissenschaftliche Leiterin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs in Sankt Pölten.

Das Buch der Gerechten
Florian Müller
Das Buch der Gerechten mit allen österreichischen Schicksalen, die in Yad Vashem geehrt werden

Eine Gemeinschaftsproduktion wandert durch die Lande

Dieses Institut hat gemeinsam mit dem Verein der Freunde von Yad Vashem und dem Haus der Geschichte diese Schau für Niederösterreich adaptiert. „Die Gerechten“ ist eine Wanderausstellung, die davor schon in anderen Landeshauptstädten zu sehen war.

„Bevor diese Ausstellung hier nach Sankt Pölten gebracht werden konnte, war sie im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien zu sehen. Der Schwerpunkt lag dort mehr auf den Geschichten von Deserteuren und dem Widerstand in der Armee. Ich kann sagen, sie war äußerst gut besucht. Ich hoffe, das gelingt uns auch in Sankt Pölten“, erzählte Michael John, der Historiker und Kurator der Ausstellung. Ziel der Schau ist es, die berührenden und spannenden Lebensschicksale der Retter und der Geretteten bekannter zu machen.