Komponist Richard Dünser
Simon Dünser
Simon Dünser
Kultur

Schubert-Sinfonie: Nach 200 Jahren vollendet

Die Sinfonie in E-Dur gilt als eine der fünf unvollendeten Sinfonien Franz Schuberts. Der österreichische Komponist Richard Dünser hat aus vorhandenen Skizzen und Fragmenten das Werk vollendet. Am Dienstag wird die neue Fassung in Österreich erstmals aufgeführt.

Die Musik Schuberts begleite ihn schon mehrere Jahrzehnte, sagt der 1959 in Bregenz geborene Richard Dünser (im Bild oben). Neben Instrumentierungen und Bearbeitungen bekannter Schubert-Werke vollendete er Mitte der 1990er Jahre Schuberts Oper „Der Graf von Gleichen“, bevor er sich zuletzt der Vollendung von Schuberts Sinfonie in E-Dur widmete. „Die in all den Werken zu findenden musikalischen Landschaften mit ihren teils düsteren Stimmungen, dunklen Seelenlandschaften und fragilen Utopien haben mich schon immer fasziniert und inspiriert“, erklärt der Komponist.

Dünser: „Sinfonie mit Gewicht und Tiefgang“

Den Anstoß zur Vollendung der von Schubert 1821 komponierten E-Dur-Sinfonie (D 729) erhielt Dünser vom Dirigenten Mario Venzago. Dieser regte an, die originalen Mittelsätze durch zwei andere nachgelassene Sätze von Schubert zu ersetzen, nämlich das Andante (D 936) und das Scherzo (D 708), so Dünser. „Gerade durch die Einfügung des Andante – ein Fragment aus Schuberts letzten Lebenswochen – bekommt die Sinfonie ein Gewicht und einen Tiefgang, der ihr möglicherweise inhaltlich einen Platz neben den großen Schubert-Sinfonien sichern kann“, meint Dünser.

Beethoven Philharmonie Baden
Lukas Lorenz
Die Beethoven Philharmonie unter Thomas Rösner wird am Dienstag in Baden die österreichische Erstaufführung der von Richard Dünser vollendeten Schubert-Sinfonie spielen

Dieses Schubert-Fragment sollte ursprünglich bereits knapp 20 Jahre nach dem Tod des Komponisten im Jahre 1828 vollendet werden. Schuberts Bruder Ferdinand sandte das Manuskript 1846 an Felix Mendelssohn-Bartholdy, der schon 1839 Schuberts Große Sinfonie C-Dur (D 944) zur Uraufführung gebracht hatte. Zu einer Realisierung durch Mendelssohn kam es jedoch genauso wenig wie später durch Arthur Sullivan oder Johannes Brahms.

Richard Dünser
Matthäus Stepan
Richard Dünser

Erstmals stellte 1881 der englische Komponist John Francis Barnett eine aufführbare Version der Sinfonie her, die 1883 in London uraufgeführt wurde. 1934 entstand eine Bearbeitung von Felix Weingartner. 1971 führte Ernst Märzendorfer in Wien eine revidierte Fassung der Weingartner’schen Partitur auf.

„Er beseitigte dessen harmonische Retuschen, die stilfremden Ergänzungen – besonders die vielen nachkomponierten Übergänge – und öffnete die Striche, besonders im Finale“, heißt es dazu in der Onlineenzyklopädie Wikipedia. 1982 wurde die Sinfonie in der ergänzten Fassung von Brian Newbould wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich.

„Schuberts Musik auf meine eigene Weise genähert“

Dünser schrieb die Fassung im Jahr 2020. Zu Beginn der Arbeit an der Vollendung der Schubert-Sinfonie hatte er allergrößte Skrupel bezüglich der Bewältigung dieser Aufgabe, wie er sagt: „In mehreren Monaten ununterbrochener Arbeit habe ich versucht, mich wieder der Musik Schuberts auf meine eigene Weise anzunähern, ihn, wie Peter Härtling bei seinem Hölderlin-Roman sagte, Dialekt sprechen zu lassen, in seinen Harmonien und darüber hinaus weiterzudenken, die Kontrapunkte des Spätwerks nachzuempfinden und einzubauen, die Formen fertig zu bauen.“

Die neueste Fassung der E-Dur-Sinfonie ist nun jene von Dünser. Die Uraufführung fand am 6. März 2022 in München statt, es spielte die Blutenburg Kammerphilharmonie unter Gerrit Prießnitz. Venzago, der Auftraggeber der Vollendung durch Dünser, leitete die finnische Erstaufführung am 24. März 2022 in Espoo mit der Tapiola Sinfonietta. Die österreichische Erstaufführung findet am Dienstag, dem 25. April im Congress Casino Baden statt (19.30 Uhr). Thomas Rösner dirigiert die Beethoven Philharmonie.