Max Stiegl, April 2023
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„ganz persönlich“

Max Stiegl: Kochen ist seine Religion

Max Stiegl war mit 21 Jahren berühmt. Jetzt hat der 43-Jährige beschlossen, kürzer zu treten. Weshalb das Personalproblem in der Gastro auch selbstgemacht und die Wirtshausprämie „Show für die dumme Masse“ ist, erklärt er im Gespräch mit noe.ORF.at.

Zeljiko Raskovic wurde 1980 in Slowenien geboren. Mit sechs Jahren kam er nach Salzburg, wo er später eine Kochlehre begann. Den Kunstnamen Max Stiegl nimmt der Koch in seiner Lehrzeit an. Nach dem Ende dieser zieht es ihn an den Neusiedler See ins Burgenland, wo er als jüngster Küchenchef weltweit mit 21 Jahren einen Michelin-Stern erkocht. Im Gut Purbach hat er mittlerweile vier Hauben bekommen. Stiegl ist Vater von drei Söhnen und wohnt im Burgenland.

Kürzlich gab Stiegl bekannt, sich voll und ganz auf sein Stammlokal im Burgenland, das Gut Purbach, zu fokussieren. Im Restaurant Knappenhof an der Rax, wo Stiegl Küchenchef war, wird ab Mitte Mai 2023 Harald Brunner die Gäste bewirten. Stiegls Lokal „Stanko+Tito“ in Wien wurde dauerhaft geschlossen.

noe.ORF.at: Max Stiegl, auf Ihren Speisekarten stehen unter anderem „Junges Pferd“ oder auch „Truthahnhoden“. Das sind schon sehr außergewöhnliche Kreationen. Warum?

Max Stiegl: Andere kochen Pizza oder Schnitzel und ich denke mir, was ist verwerflich an einem Pferd? Oder ein Biber ist auch nicht schlecht. Wir essen Hühner, wir essen Schweine. Warum sollen wir nicht Pferd essen.

noe.ORF.at: Sie servieren auch gern Innereien. Das mögen viele nicht …

Stiegl: Ich mag auch nicht alle (lacht). Ich bin der Meinung, dass Innereien ein Teil unserer Tradition sind. Das gehört einfach zu Österreich wie das Wiener Schnitzel und der Kaiserschmarren. Ein Beuschel ist eine aufwendige Arbeit, das ist Handwerk. Wenn ich heutzutage einen Schimpansen dressiere, kann er ein Steak grillen und eine Dose Kaviar bringt er nach zwei Tagen auf, das hat mit kochen nichts zu tun. Aber wenn ich heute ein Beuschel koche, ist das ein Prozess, den man nicht von heute auf morgen lernen kann, wo auch viel Gespür notwendig ist.

„Ich bewundere immer die Italiener“

noe.ORF.at: Sie verkochen ja vorzugsweise alles vom Tier, vom Rüssel bis zum Ringelschwanz. Kann man aus allem etwas Schmackhaftes machen?

Stiegl: Ein guter Koch und eine gute Köchin auf jeden Fall, die Trittbrettfahrer natürlich nicht. Die braten eh Taubenbrüste und Hummerschwänze. Also nach der Luxustheorie müsste die Schweineschnauze das x-fache von einem Filet kosten, weil viel weniger da ist. Bei uns in der Gastronomie ist es so, vieles wird einfach nur schnell gegrillt, aber kochen ist mehr. Kochen ist eine Religion. Essen soll ein Ritual sein. Ich bewundere immer die Italiener, die sitzen bei Tisch, da wird gestritten, diskutiert, es ist laut und das ist einfach schön.

noe.ORF.at: Was ist Ihre wichtigste Zutat in der Küche?

Stiegl: Liebe und Gespür und Majoran natürlich. Ich könnte mich in Majoran eingraben. Das ist so gut, so bodenständig, so ehrlich, so unverfälscht.

Max Stiegl und Eva Steinkellner-Klein, April 2023
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Stiegl und ORF-NÖ-Redakteurin Eva Steinkellner-Klein in Stiegls Wohnung in Wien

„Wir essen auch viel zu viel Fleisch“

noe.ORF.at: Haben Sie Tipps, wie wir uns am besten regional und saisonal ernähren wollen? Das ist oft nicht so einfach umzusetzen.

Stiegl: Die meisten Leute wollen, wollen, wollen. Aber Erfolg hat drei Buchstaben: T – U – N. Wenn ich die italienische Küche hernehme und Pasta koche: Da kommen Paradeiser rein, ein bisschen Fleisch, Melanzani, herrlich ist das. Ich brauche im Dezember keine Erdbeeren, ich brauche im August keinen Spargel. Es geht uns zu gut. Wir essen auch viel zu viel Fleisch. Ich glaube, wenn wir weniger Fleisch essen würden, aber mehr aufs Tierwohl schauen, dann wäre schon viel gewonnen.

noe.ORF.at: Aber Vegetarier sind dennoch bei Ihnen nicht sehr hoch angeschrieben. Obwohl das eigentlich Ihre Denke ist: Es ist ressourcenschonend und umweltfreundlich. Warum?

Stiegl: Ja, dieser Ruf eilt mir voraus. Dabei bin ich sehr aufs Tierwohl bedacht. Was mich aber oft maßlos ärgert ist, dass man auf jeder Skihütte etwas Vegetarisches bekommt. Aber wenn Sie in ein vegetarisches Lokal gehen, dann ist Fleisch nicht verhandelbar. Das ist eine Ausgrenzung. Diese ganzen vegetarischen Lokale, die sind schon ein bisschen wie eine Sekte. Die Leute halten immer zusammen und haben das Gefühl Opfer zu sein.

noe.ORF.at: Finden Sie eigentlich etwas auf der Karte, wenn Sie in einem Lokal sitzen, das keine Hauben oder Auszeichnungen hat? Oder essen Sie nur in Haubenlokalen?

Stiegl: Nein, das geht gar nicht! Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Wir gehen mit den Kindern manchmal essen und da esse ich genauso gerne Kraut- oder Schinkenfleckerl. Ob das Essen gut oder schlecht ist, ist meistens ein persönliches Empfinden. Aber wenn man weiß, dass der Mensch dahinter das gern macht, dann passt das schon.

noe.ORF.at: Sie haben mit nur 21 Jahren einen Michelin-Stern bekommen, waren damit der Jüngste weltweit. Dann könnte man sagen: alles erledigt. Was motiviert Sie?

Stiegl: Das war sehr cool, lässig und, und, und. Aber wir haben uns weiterentwickelt. Man wird reifer und älter, baut ein Unternehmen auf und eine Familie. Und natürlich hat man alles erledigt, aber was hätte ich machen sollen? Ich bin gerne Koch, ich bin gerne Wirt: Den ganzen Tag im Wirtshaus, gibt es etwas Schöneres?

noe.ORF.at: Sie haben mittlerweile vier Hauben. Wie wichtig sind Ihnen diese Auszeichnungen?

Stiegl: Jetzt werden sich wieder viele beschweren, aber ich muss ökonomisch bestehen. Die Sterne sind super, die Hauben sind gut, aber ich kann auch ohne sehr gut leben.

noe.ORF.at: Aber was ist Ihre Anerkennung?

Stiegl: Die Anerkennung ist ein gut ausgelastetes Lokal, dass ich glückliche Menschen um mich habe, ich meine Mitarbeiter zahlen kann, ich eine Gaudi hab. Das reicht mir vollkommen. Wichtig ist mir das Miteinander. Ich brauche Menschen mit Ecken und Kanten um mich herum, mit denen ich diskutieren und reden kann.

noe.ORF.at: Sie haben kürzlich bekannt gegeben, dass Sie nur noch das Gut Purbach im Burgenland betreiben werden. Wie schwer war die Entscheidung, den Knappenhof und das „Stanko+Tito“ aufzugeben?

Stiegel: Natürlich hängt man immer ein bisschen dran. Aber ich kam eines Tages heim und einer meiner Söhne wollte Radfahren gehen. Ich habe mit einem Bürgermeister telefoniert und sage meinem Sohn, dass ich keine Zeit habe. Er bricht in Tränen aus und sagt: „Wäre ich ein Bürgermeister, würdest du dir Zeit nehmen“.

Ich bin sehr nah am Wasser gebaut. Ich habe dann eine Stunde geweint und für mich war das abgehakt, das Thema war erledigt. Es war zu viel unterm Strich. Ich habe rechtzeitig für mich persönlich entschieden, die Notbremse zu ziehen.

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Max Stiegl und Söhne
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Schnappschüsse aus dem Familienalbum
Max Stiegl und Familie
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Stiegl und seine Lebensgefährtin haben drei Söhne

noe.ORF.at: Immer mehr Wirte sperren zu. Was sind denn die Hauptgründe fürs Wirtesterben? Viele sagen, es ist alles zu teuer geworden und man findet kein Personal.

Stiegl: Auch wenn man die Preise anpasst, zahlen muss der Gast am Ende des Tages. Und das ist natürlich ein sehr kritisches Thema. Personal ist ein eigenes Thema. Es ist auch ein selbst verursachtes Problem. Sicherlich wurden in den letzten Jahrzehnten viele Fehler gemacht, etwa was Mitarbeiterführung betrifft, was Arbeitszeiten, was Entlohnung betrifft. Warum soll ein Kellner, eine Kellnerin, Rezeptionistin, die Putzfrau nicht gerecht entlohnt werden? Warum muss immer der Preis beim Schnitzel auf Kosten der Ärmsten ausgetragen werden? Das ist vermessen.

Wirtshausprämie: „Show für die dumme Masse“

noe.ORF.at: Was sagen Sie zur Wirtshausprämie, die Schwarz-Blau in Niederösterreich beschlossen hat?

Stiegl: Wie soll das funktionieren? Das ist Show für die dumme Masse, sonst gar nichts. Und da gibt es Menschen, die applaudieren. Also man kann jetzt erklären, was man will, aber das ergibt null Sinn. Wissen Sie wie viele gute Italiener es in Wien gibt? Und in St. Pölten und in Niederösterreich? Und der soll jetzt keine Prämiere bekommen? Obwohl er Österreicher und Österreicherinnen einstellt, obwohl er Mehrwertsteuer und alles zahlt? Das ist wirklich sinnlos.

noe.ORF.at: Max Stiegl, das ist ja eigentlich nicht Ihr richtiger Name. Ihr erster Lehrmeister hat Ihnen den Namen gegeben.

Stiegl: Ja, es gab einen Maxi und einen Mini und ich war der Maxi. Und irgendwann ist der Stiegl dazugekommen.

noe.ORF.at: Das kommt aber vom Bier, oder?

Stiegl: Nein, ich trinke keinen Alkohol. Ich habe mein ganzes Leben lang vielleicht ein Bier getrunken. Das war mehr oder weniger eine Schnapsidee und das hat sich dann durchgesetzt. Dann wurde es zu einer Marke und das pickt jetzt. Meine Firmen sind alle auf den Namen eingetragen, auch privat heiße ich überall Max.

noe.ORF.at: Haben Sie ein Lieblingsgericht?

Stiegl: Krautfleckerl und Buchteln. Ich habe unlängst so gute Buchteln gegessen, die waren so sensationell, seitdem mag ich Buchteln. Und in Krautfleckerln könnte ich mich eingraben. Das ist Balsam auf der Seele.

noe.ORF.at: Sie und Ihre Lebensgefährtin haben drei Kinder. Wer kocht denn zu Hause?

Stiegl: Meine Lebensgefährtin. Ich koche manchmal, aber das sieht sie nicht gerne. Sie sagt dann, mach das in der Arbeit (lacht).