Ylvie-Mühle, Außenansicht
ORF/Nina Pöchhacker
ORF/Nina Pöchhacker
Gesundheit

Urlaub für Schädel-Hirn-Trauma-Betroffene

In Breitenwaida (Bezirk Hollabrunn) hat „Ylvie" erste Gäste begrüßt: In der renovierten Mühle können Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma und ihre Familie urlauben und Therapien absolvieren. Urlaub ist ansonsten fast nicht möglich.

Mutter und Krankenpflegerin – das Abgeben von Verantwortung falle ihr bei ihrer eigenen Tochter schwer, erzählt Christine Danku. Sie kümmert sich seit sieben Jahren um ihre Tochter Lisa, die bei einem Autounfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat. Danku ist rund um die Uhr für ihre Tochter da, ihr Leben ist nach Lisas Bedürfnissen ausgerichtet. Am Urlaubsbauernhof in Breitenwaida hat sie nun erstmals wieder Zeit für sich.

Während ihre Tochter Physio- oder Wassertherapien macht, kann Christine Danku spazieren, wandern oder radfahren: „Das kann ich alles noch gar nicht, das ist noch schwer, aber ich bin heute schon eine halbe Stunde im Garten auf- und abgegangen und habe ein wenig im Garten umgegraben, es ist schön“, erzählt die Frau aus dem Bezirk Gänserndorf.

Etwa 2.000 Menschen erleiden in Österreich jährlich ein Schädel-Hirn-Trauma. Bei leichten Fällen gibt es auch eine vollständige Rehabilitation. Bei schweren Gehirnverletzungen überleben etwa 70 Prozent, häufig mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. Mit dieser Diagnose ändert sich nicht nur das Leben des oder der Betroffenen und der gesamten Familie.

Ylvie-Mühle, Christl mit Tochter
ORF/Nina Pöchhacker
Christine Danku pflegt Tochter Lisa seit sieben Jahren

Ein Moment verändert viele Leben

Für sie soll das „Projekt Ylvie“ – wie sich das Erholungszentrum offiziell nennt – ein Zufluchtsort werden. Betrieben wird es von Familie Pfeifer. Sie teilt das Schicksal mit ihren Besucherinnen und Besuchern. Ein Reifenplatzer beim Auto ihrer damals 18-jährigen Tochter Ylvie veränderte 2016 das Leben der Familie. „Ich wollte diesem Schicksal einen Sinn geben“, sagt Vater Harald Pfeifer.

Bei der Renovierung der Mühle machte er vieles selbst und alleine. Das sei eine Art Therapie für ihn gewesen, „um mit dem Schmerz umzugehen.“ Zwei Appartemens für Familien gibt es – barrierefrei und nach den Erfahrungen der Pfeifers eingerichtet. Angeschlossen daran sind Räume für Pflegerinnen und Pfleger, falls welche in den Urlaub mitfahren. In ein paar Monaten soll es auch Hippotherapie geben, derzeit wird ein Gemüsegarten angelegt. Willkommen seien Betroffene mit neurologischen Erkrankungen – etwa auch Schlaganfälle – und ihre Familien.

Für den Urlaub zahlen die Familien selbst ein Drittel des Preises, so Harald Pfeifer. Wie viel das ist, sei je nach Therapien und Aufenthalt anders: „Es soll nicht mehr kosten, wie ein Italienurlaub mit einem gesunden Kind. Wir haben hier professionelle Therapeuten, die selbstständig arbeiten und natürlich, niemand arbeitet umsonst.“ Die restlichen zwei Drittel würden durch Spenden von Vereinen, Hilfsorganisationen, Privatpersonen und Unternehmen finanziert.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Ylvie-Mühle, Harald und Sandra Pfeifer
ORF/Nina Pöchhacker
Harald und Sandra Pfeifer begannen 2018 mit dem Umbau der Mühle
Ylvie-Mühle, Gang
ORF/Nina Pöchhacker
Eingerichtet ist das Anwesen wie ein Urlaubsbauernhof und nicht wie ein klassisches, medizinisches Reha-Zentrum
Ylvie-Mühle, Außenansicht
ORF/Nina Pöchhacker
Vieles wurde vom Ehepaar in Eigenregie gemacht, um die Kosten niedrig zu halten
Ylvie-Mühle, Eltern kochen
ORF/Nina Pöchhacker
Gekocht und gegessen wird gemeinsam mit Betreiberfamilie Pfeifer und den Therapeutinnen und Therapeuten

Ähnliche Schicksale verbinden

Die Pfeifers sind selbst auch in die Mühle gezogen. Sie leben mit ihren Gästen, kochen und essen gemeinsam. Die Atmosphäre ist familiär, das helfe gegen die Einsamkeit, die viele pflegende Angehörige verspüren würden, sagt Mutter Sandra Pfeifer. Die Betreuung beanspruche alle Bereiche des Lebens: „Es gibt kein Kaffeetrinken mehr irgendwohin, es ist das gesellschaftliche Leben sowieso weg. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal irgendwo gewesen wäre.“

Und so ist auch der schönste Moment aus Christine Dankus Urlaub einer, der für viele alltäglich klingt, aber bei weitem nicht selbstverständlich ist: Gemeinsam mit Sandra Pfeifer machte sie einen Ausflug nach Hollabrunn. „Und die Sandra sagt, wir machen eine Shoppingtour. Shoppen – was ist das? Das kenne ich gar nicht und da sind wir zwei Stunden herumgegangen, in ganz kleine, liebe Geschäfte, in einem Teehaus waren wir. Es war einfach schön.“