Gasthof Harreither in St. Leonhard am Walde
ORF/Thomas Koppensteiner
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Wirtschaft

St. Leonhard/Walde: Dorfwirt vor Aus gerettet

Teuerung und Personalmangel machen den Gasthäusern zu schaffen. In Österreich werden heuer 6.000 Betriebe zusperren, bis zu 500 in Niederösterreich. In St. Leonhard am Walde drohte dem Dorfwirten die Schließung, nun gibt es doch noch einen Nachfolger.

Auf einem der vielen Hügel im Mostviertel thront das kleine Örtchen St. Leonhard am Walde, eine Katastralgemeinde von Waidhofen an der Ybbs mit rund 700 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Kirche, die dem Heiligen Leonhard geweiht ist, ist schon von Weitem sichtbar. Gleich daneben befinden sich zwei Gasthäuser. Eines davon hat sich in den vergangenen Jahren weg vom klassischen Wirtshausgeschäft hin zum Restaurant entwickelt, das zweite – der Gasthof Harreither – stand kurz vor der Schließung.

Das Ehepaar Harreither – beide gehen auf den 80. Geburtstag zu – hatte sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Kinder gab es keine, ein „logischer Nachfolger“ fehlte. Dem altehrwürdigen Gasthaus drohte die endgültige Sperrstunde – bis der Seniorwirt in einer Landwirtschaftszeitung die Annonce eines jungen Pärchens entdeckte und zum Telefonhörer griff.

Ein Traum wird Wirklichkeit

„Für mich war es schon immer ein Lebenstraum, eine eigene Gastronomie zu führen“, sagt Matthias Harreither-Fried beim Lokalaugenschein von noe.ORF.at im Gasthof, der auch während der Umbauphase für die Gäste offen blieb, Ende April nun aber offiziell eröffnet wird. „Gleichzeitig war es uns als Hintergrund wichtig, dass wir eine Landwirtschaft haben und damit ein fixes Standbein. Es ist zwar die doppelte Arbeit, aber wir sind beide motiviert.“

Motivation ist dem jungen Pärchen tatsächlich nicht abzuschreiben. Er ist 26 Jahre alt, hat in einem Restaurant in Scheibbs die Lehre zum Koch absolviert. Sie ist 24 Jahre alt, gelernte Friseurin und seit kurzem landwirtschaftliche Facharbeiterin. Seit rund zehn Jahren sind sie ein Paar, waren gemeinsam jahrelang auf Saison, jetzt war aber die Zeit gekommen, sich in der Heimat – beide stammen aus dem Bezirk Scheibbs – sesshaft zu machen.

Neue Gastwirte in St. Leonhard am Walde
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Die neuen Wirte in St. Leonhard am Walde: Matthias und Karin Harreither-Fried

Die Gespräche mit dem alten Wirtepaar liefen erfolgreich. Man einigte sich darauf, dass der Gasthof weiterhin den Namen Harreither tragen soll. So kam es, dass Matthias Fried und Karin Langsenlehner seit ihrer Hochzeit im vergangenen August den Doppelnamen Harreither-Fried tragen. „Am Anfang war es schon ungewohnt, aber man gewöhnt sich schnell daran“, sagt Karin.

Im Jänner übernahm das Paar den Gasthof samt Landwirtschaft, einige Hektar Wiesen und Wald sowie 68 Stück Vieh inklusive. Als ersten Schritt richteten sich die beiden in dem riesigen Gebäude eine Wohnung ein, danach ging es an den Umbau, der sich zunächst auf die Gaststube fokussierte. Der Schankbereich wurde neu gestaltet, die Böden wurden erneuert, die Bänke und Sessel frisch tapeziert, Fenster ausgetauscht. Trotz des neuen, modernen Anstrichs blieb der Charme des alten Gasthauses, wie man es von früher kennt, erhalten.

Einheimische unterstützen „die Jungen“

Dass junge Leute den alten Gasthof zu neuem Leben erwecken, kommt bei den Einheimischen gut an. Obwohl noch nicht einmal offiziell eröffnet, war die Gaststube Erzählungen zufolge vergangenes Wochenende mit rund 200 Gästen bereits „gesteckt voll“, wie man in der Region zu sagen pflegt. „Wir freuen uns, dass wir unser Wirtshaus erhalten können. Ohne Wirt ist es nichts in einem Dorf“, sagt einer der Männer der Stammtischrunde. „Wir haben das Gasthaus nie leer stehen lassen und werden es auch jetzt nicht leer stehen lassen“, sagt ein anderer. Es folgt großes Gelächter, die Stimmung ist gut.

Auch der örtliche Sparverein profitiert vom frischen Wind, der mit den jungen Wirten offenbar durch den Ort zieht. „Wir haben in den ersten Monaten sehr gute Zahlen geschrieben. Den Leuten taugt es. Man geht zum Sparverein, trinkt etwas, stellt sich zur Schank. So vergeht der Vormittag in einem gemütlichen Rahmen“, so der Obmann des Sparvereins und ehemalige Bankdirektor Walter Heigl.

Stammtisch in Wirtshaus in St. Leonhard am Walde
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Erleichterung am Stammtisch: Die geselligen Runden sind gesichert

Großer Rückhalt und Unterstützung kommt auch von Familie und Freunden. „Momentan habe ich mir schon gedacht, dass das ein harter Brocken ist, wenn sie das übernehmen wollen. Wir haben dann geredet und gesagt, dass es zu schaffen ist, wenn die Familien beidseitig zusammenhelfen“, sagt Karins Vater, Erich Langsenlehner. Und das ist auch passiert. „Vom Putzen angefangen bis zum Zusammenräumen haben wir ihnen geholfen“, erzählt Matthias’ Mutter, Romana Fried, die mit ihrem Mann über Wochen die Bänke und Sessel zuhause in der Garage tapeziert hat.

Die schwierige Suche nach Personal

Es klingt alles fast nach einem Märchen, wäre da nicht ein Thema, das zumindest einen leichten Schatten über die Zukunftspläne wirft. Die Suche nach geeignetem Personal gestaltet sich im ländlich geprägten Mostviertel äußerst schwierig. Ein Problem, das aber auch Wirte in anderen Regionen kennen. „Das ist momentan unsere größte Sorge. Wir hätten geglaubt, dass es leichter ist. Wir haben jetzt einen Kellner und eine Köchin aufgenommen, das war es dann schon“, sagt Matthias Harreither-Fried. Dabei ist man bemüht, mit einer Vier-Tage-Woche, der Möglichkeit, Voll- oder Teilzeit zu arbeiten, und „großzügiger Entlohnung“ ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

Als „Hausmeister“ konnten die beiden den Vater von Karin für sich gewinnen. Er kümmert sich um „alles, was anfällt“ – von Maurerarbeiten bis zum Fliesenlegen, von defekten Lampen bis zu verstopften WCs. „Nur in der Küche mische ich mich nicht ein, das ist die Sache von Mathias“, sagt Erich Langsenlehner.

Große Pläne müssen vorerst ruhen

Den Traum vom eigenen Gasthof samt Landwirtschaft haben sich Matthias und Karin Harreither-Fried erfüllt. Beide Bereiche sollen künftig kombiniert werden. „Ich möchte mein eigenes Rind in die Küche bringen und selbst Gemüse und Erdäpfel anbauen“, sagt der junge Wirt, der an der traditionellen Wirtshausküche festhalten, nebenbei aber auch gehobenere Küche anbieten möchte. Den Stammgästen entging auch nicht, dass die Weinkarte im Vergleich zu früher bereits deutlich erweitert wurde.

Gaststube im Gasthof Harreither in St. Leonhard am Walde
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Ein Foto in der Gaststube zeigt das junge Wirtepaar mit den Vorgängern. Familie Harreither hatte zunächst keine Nachfolger gefunden, die endgültige Sperrstunde stand im Raum.

Der Gastgarten mit Ötscherblick steht als nächstes auf der To-Do-Liste, sämtliche weitere Pläne müssen vorerst aber aufgrund der schwierigen Personalsituation ruhen: Der große Saal mit einer Kapazität von 250 Personen würde sich ideal für Hochzeiten oder andere Feiern eignen, eine Selbstvermarktung von hofeigenen Produkten wie Wurst oder eingelegtem Gemüse ist ebenso angedacht wie ein Weinkeller. „Das wäre ein Traum, momentan schaut es dafür aber nicht so gut aus“, gesteht der 26-Jährige.

Was noch nicht ist, kann aber noch werden. Und fad wird dem jungen Wirtepaar ohnehin so schnell nicht werden. Im August bekommt St. Leonhard am Walde nämlich eine neue Einwohnerin oder einen neuen Einwohner. Karin und Matthias Harreither-Fried erwarten Nachwuchs.