Lukas Hasler
ORF/Veronika Berger
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Kultur

Ohne Strom: Ein Orgelkonzert wie anno dazumal

Ohne „Wind“ keine Orgelmusik. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird die für die Pfeifen notwendige Luft fast nur noch elektrisch erzeugt. In St. Pölten spielte Freitagabend der aufstrebende Organist Lukas Hasler wie anno dazumal: mithilfe eines Balgtreters.

Mit der Elektrifizierung der Kirchen haben die Kalkanten ihre Arbeit verloren. Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren sie fixer Bestandteil eines Orgelkonzertes, denn in ihrer Verantwortung lag es, die Orgelpfeifen mit ausreichend „Wind“ zu versorgen. Dazu traten sie die Bälge, die die Pfeifen mit Luft durchströmen. Bei großen Orgeln brauchte es bis zu zwölf Menschen, die – teils mithilfe ihres gesamten Körpergewichtes – ihre Dienste verrichteten.

Heute sieht es auf den Rückseiten der Orgeln anders aus: Die Kalkanten wurden durch sogenannte Orgelmotoren ersetzt, die die Arbeit elektronisch leisten. Dennoch ist manchen Orgeln der „alte“ Blasebalg geblieben, sodass sie – wenn auch meist nicht verwendet – auch noch stromfrei bespielt werden können. Eine solche Orgel befindet sich in der Evangelischen Kirche St. Pölten. Dort lud Marcus Hufnagl im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe „musik/wort/kunst“ zum sogenannten „klimaneutralen Orgelkonzert“ und konnte dafür Lukas Hasler gewinnen, einen der international gefragtesten Nachwuchsorganisten.

Lukas Hasler
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Den ganzen Abend lang wurde in der Kirchen auf Strom verzichtet, die Noten waren mit Solarlichtern beleuchtet

Stundenlanges Proben nur mit Strom möglich

Das klimaneutrale Konzert „bedeutet in unserem Fall, dass unsere Orgel ohne elektrischen Wind gespeist wird“, erklärte Hufnagel, der künstlerische Leiter der Veranstaltungsreihe. Zudem wurde auf jede weitere Stromquelle verzichtet. So blieben in der gesamten Kirchen beispielsweise die Lichter ausgeschaltet, selbst der Organist beleuchtete seine Noten ausschließlich mit kleinen Solarspots.

Dass die Orgel überhaupt ohne Stromzufuhr bespielt werden kann, liegt Hufnagl zufolge daran, dass „die Bälge per Hand ausziehbar sind, ganz ohne Motor“ und das habe den Hintergrund, „dass unsere Orgel zwar aus dem Jahr 1951 stammt, allerdings wurde aus Angst vor Stromausfällen bei der Anschaffung der neuen Orgel die Windanlage des Vorgängerinstrumentes aus dem Jahr 1892 übernommen“. Ebendiese Windanlage bediente beim Konzert am Freitagabend Hufnagl selbst – im engen und dunklen Stiegenaufgang der Kirche auf der Rückseite der Orgel.

Auf die Frage, ob das Treten des Blasebalgs anstrengend sei, verneinte Hufnagel: „Bei diesem Instrument ist es überhaupt nicht anstrengend, weil die Bälge für dieses Instrument sehr groß dimensioniert sind und weil das Instrument vor weniger als zehn Jahren restauriert wurde. Daher sind die Bälge alle dicht.“ Er räumt aber ein, dass man – vor allem über die Dauer eines Konzertes – durchaus ein Gefühl dafür bekomme, was diese Aufgabe früher bedeutet haben muss. „Stundenlanges Üben ist früher bestimmt nicht möglich gewesen.“

Blasebalg
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Um das Instrument beim Konzert zum Klingen zu bringen, trat Marcus Hufnagel den Balg auf der dunklen Rückseite der Orgel

Hasler: „Orgeln können zickig sein“

Lukas Hasler, der Konzerte auf aller Welt gibt und neben Europa und Asien auch die größten Kathedralen der USA bespielt, schätzt „jede Orgel mit all ihren Eigenheiten“, wie er im Interview mit noe.ORF.at sagte. „Und ja, Orgeln können auch zickig sein“, so sein Nachsatz und lacht. Dass die Orgel der Evangelischen Kirche in St. Pölten für sein Konzert nicht elektrisch, sondern per Muskalkraft mit Wind versorgt wird, mache für ihn tatsächlich keinen großen Unterschied, räumte er ein, vor allem deutlich weniger als für Konzertveranstalter Marcus Hufnagel, der mehr als eine Stunde lang treten musste.

Allerdings gefalle dem jungen Organisten die Vorstellung sehr, wie zahlreiche Organisten der Vergangenheit zu spielen. „Früher war es zum Beispiel wesentlich, nicht zu viele Klangfarben, also Register, herauszuziehen, weil sonst die Orgel einfach zu viel Wind verbraucht hätte. Hier auf dieser relativ kleinen Orgel ist das aber kein Problem“, so Hasler. Zudem sei es für Organisten unabdingbar, sich auf jedes Instrument präzise einzustellen – nicht nur beim Spielen. „Grundsätzlich hat jede Orgel Vor- und Nachteile. Auch das Programm, das ich spiele, muss sowohl auf den Raum als auch auf das Instrument abgestimmt sein – so auch hier.“

Auf die „Klimaneutralität“ des Konzertes in St. Pölten angesprochen und wie wichtig ihm persönlich als jungem Musiker das Thema Klima sei, merkte er selbstkritisch an, „dass mich das Thema Klima natürlich besonders betrifft, weil ich sehr viel reise. Ich habe wahrscheinlich einen sehr großen CO2-Fußabdruck im Vergleich zu einem Normalverbraucher, da ich wirklich viel im Flieger sitze. Um so mehr ist es aber wichtig, dass man sich zum Beispiel bewusst macht, was man isst. Und das hat bei mir weniger mit Verzicht zu tun, sondern eher mit Bewusstsein. Aber trotzdem: Die Zukunft ist wesentlich und auch die Zukunft der Instrumente und der Musik hängt maßgeblich vom Klima ab.“