Sie ist 26 Zentimeter hoch, vergoldet und eines der bedeutendsten Werke der Renaissance: Die „Saliera“ wurde vom italienischen Bildhauer Benvenuto Cellini gefertigt. Es soll die einzige erhaltene Goldschmiedearbeit des schon zu Lebzeiten berühmten Florentiner Künstlers sein, heißt es auf der Website des Kunsthistorischen Museums Wien. Die „Saliera“ sei „weit mehr als ein kostbares Tischgerät für Salz und Pfeffer“. Weltberühmt machte sie jedenfalls am 11. Mai 2003 der größte Kunstdiebstahl Österreichs.
Der damalige Chefermittler und Leiter der Wiener Kriminaldirektion 1, Ernst Geiger, war gerade in seinem Wochenendhaus in Puchberg am Schneeberg (Bezirk Neunkirchen), als ihn am 11. Mai 2003 in den Vormittagsstunden ein Anruf aus Wien ereilte. Am Telefon war der diensthabende Journalbeamte der Kriminaldirektion 1, der über einen Kunstdiebstahl berichtete.
Geiger hatte eigentlich einen Familientag geplant. Dass es sich um einen der größten Kriminalfälle seiner Karriere handeln sollte, war ihm zu diesem Zeitpunkt freilich nicht klar. „Ich konnte damit nicht viel anfangen und habe mir gedacht: Deswegen ruft er mich am Sonntag in der Früh an? Normalerweise wird man nur angerufen, wenn ein Mord passiert oder bei schweren Straftaten“, so Geiger. Der Chefermittler machte sich dann rasch auf den Weg nach Wien, um den Tatort zu besichtigen.
Täter kletterte über Baugerüst ins Museum
In den Medien wurde über den Wert der „Saliera“, kolportierte 50 Millionen Euro, berichtet. Schnell war klar, dass der Täter über ein Baugerüst an der Fassade des Kunsthistorischen Museums nach oben geklettert und über ein Fenster eingestiegen war. „Es war ein Blitzeinbruch“, schildert Geiger. Dieser fand um 3.55 Uhr statt, „der Alarm hat angeschlagen, aber da es viele Fehlalarme gab, wurde er zurückgestellt“. Entdeckt wurde der Diebstahl deshalb erst um 8.15 Uhr.
Später wurde bekannt, dass es sich bei dem Täter um einen Spezialisten für Alarmanlagen handelte. Er habe die Schwachstellen des Sicherheitssystems gekannt und ausgenutzt, so Geiger. Der Einbruch hatte weniger als eine Minute gedauert. Eine Außenhautüberwachung gab es nicht. Kritik wurde laut. Österreich habe seine Kunstschätze nur mangelhaft gesichert, hieß es damals.
In der Zwischenzeit lief die Suche nach dem Täter auf Hochtouren. „Es sind dann immer mehr Theorien aufgetaucht, von jugoslawischen Tätergruppen und der italienischen Mafia war die Rede, die ‚Saliera‘ sei schon irgendwo in Toronto, dann hieß es wieder, sie sei in Italien“, erzählt Geiger.
SIM-Karten-Kauf wurde Dieb zum Verhängnis
Die Versicherung erhielt schließlich einen Erpresserbrief mit Emailsplittern der „Saliera“. Ein Rückkaufversuch scheiterte. Zwei Jahre später wurde der Dreizack, also der einzig abnehmbare Teil von Cellinis Salzfass, in einem Erpresserschreiben hinterlegt. Der Täter schickte die Polizei per SMS quer durch Wien an mehrere Stationen, wurde aber dann nervös und brach den Kontakt ab.
Am Abend schrieb er eine letzte SMS, in dem er sich über das unprofessionelle Vorgehen der Polizei beschwerte. „Damit hat er den entschiedenen Fehler gemacht: Er musste sich, um dieses SMS abzusetzen, eine SIM-Karte besorgen. Er hatte für alle Stationen SIM-Karten vorbereitet, nur für das letzte SMS nicht.“ Bei dem Kauf entstand ein Video, das die Polizei auswerten konnte. „Schließlich konnten wir eindeutig ihm diesen Kauf zuordnen“, so Geiger.
Doch noch wusste die Polizei nicht, wer der Mann auf den Aufnahmen war. Man vermutete ihn zunächst in der Wiener Kunstszene. Schließlich gelangten Bilder der Überwachungskamera, die den Mann beim Kauf der SIM-Karte zeigten, an die Medien. Der Mann meldete sich bei der Polizei, leugnete aber zunächst die Tat und beschwerte sich, dass sein Bild öffentlich gezeigt wurde. Doch der Täter konnte überführt und der größte Kunstraub Österreichs geklärt werden.
„Fahren wir ins Waldviertel und graben sie aus“
Nun musste nur noch die „Saliera“ sichergestellt werden. Geiger erinnert sich an die Einvernahme des Beschuldigten: „Wir haben ihm klargemacht, wenn er sie herausgibt, wird er zwar eine Strafe bekommen, aber er kann seine Existenz retten, falls die ‚Saliera‘ nicht völlig beschädigt ist. Daraufhin hat er gesagt: ‚Fahren wir ins Waldviertel und graben wir sie aus.‘“
Und so kam die Waldviertler Gemeinde Waldhausen (Bezirk Zwettl) im Jänner 2006 ganz unverhofft zu großer Bekanntheit, denn hier, im Ortsteil Brand, tauchte die „Saliera“, die drei Jahre zuvor aus dem Kunsthistorischen Museum Wien gestohlen worden war, wieder auf.
Vizebürgermeister Franz Strabler (ÖVP) erinnert sich: „Man hat natürlich die ‚Saliera‘-Berichterstattung mitverfolgt, aber dass das irgendwie zu uns führt, war überhaupt nicht vorauszusehen.“ Strabler erinnert sich an den „Riesenwirbel“ nach dem Fund in Brand, „da waren alle aus dem Häuschen“.
„Wir haben das im Gasthaus erfahren, nach der Kirche“, schildert Pensionist Alfred Traxler, „vorher hat ja in Brand kein Mensch die ‚Saliera‘ gekannt.“
„Wir wussten, wir werden jetzt zum Ziel kommen“
Der ehemalige Chefermittler Ernst Geiger hat dem Diebstahl der „Saliera“ auch einen Kriminalroman gewidmet. Heute genießt er die Pension in Puchberg am Schneeberg, doch er erinnert sich noch gut an den Fund im Waldviertel, dem jahrelange Ermittlungsarbeit vorausgegangen war.
„Es war ein Wintertag, es lag Schnee, es war kalt, aber alle waren guter Dinge, weil wir wussten, wir werden jetzt zum Ziel kommen.“ Der Täter führte die Ermittler zu einem Waldstück. Vier Bäume hatte er markiert, um die Stelle wiederzufinden, wo er die Kiste mit dem wertvollen Kunstschatz vergraben hatte. Als man die Kiste tatsächlich entdeckte, war die Erleichterung bei den Ermittlern groß.
Geöffnet habe man sie aber nicht an Ort und Stelle, erinnert sich Geiger. „Die wurde dann mitgenommen und im Labor des Erkennungsdienstes professionell geöffnet, alle Spuren gesichert und Kunstexperten aus dem Museum beigezogen, damit nichts passiert.“
„Saliera-Laibchen“ und Wanderweg zur Fundstelle
Die kleine Waldviertler Gemeinde stand in den folgenden Tagen und Wochen im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit. „Die nächsten Tage waren sehr anstrengend für uns, weil viele Fernsehstationen gekommen sind, die Filmaufnahmen machen wollten“, erzählt der Vizebürgermeister, der damals als Amtsleiter tätig war.
Man versuchte aber auch, die Popularität des Ortes zu nutzen. Im Gasthaus verkaufte der Wirt „Saliera-Laibchen“, die, farblich passend zum Original, goldgelb herausgebacken wurden. Aber nicht nur kulinarisch galt es den Fundort zu vermarkten. Ein Jahr später wurde der „Saliera-Wanderweg“ eröffnet, der direkt an der Fundstelle vorbeiführt.
Die Markierungen an den Bäumen, die der Täter damals angebracht hatte, sind mittlerweile längst verschwunden. Auch die „Saliera-Laibchen“ im Wirtshaus gibt es nicht mehr. Aber seitens des Landes sei man noch lange als „Saliera-Gemeinde“ bezeichnet worden, erzählt der Vizebürgermeister, heute sei das Interesse aber abgeflaut.
Dieb zu fünf Jahren Haft verurteilt
Der „Saliera“-Dieb wurde damals zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt und vorzeitig entlassen. Die „Saliera“ ist heute in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien zu bewundern.
20 Jahre „Saliera“-Raub
Die „Saliera“, das berühmte Salzfass, wurde vor 20 Jahren aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien gestohlen. In einer Blitzaktion stieg der Dieb ins Museum ein und raubte den Kunstschatz. Bis er überführt werden konnte, dauerte es drei Jahre.