Josef Floh
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„Menschen im Blickpunkt“

Floh: Der Koch, der schneller als die Trends ist

Josef Floh hat regional, saisonal und biologisch gekocht, bevor das modern geworden ist. Der Gastronom, der unter dem Namen „Floh“ bekannt ist, plädiert für eine persönlichere Beziehung zwischen Koch und Landwirt und mehr Bewusstsein bei Einkauf und Essen.

Heute kommt keine Speisekarte und kein Supermarkt ohne den Wörtern regional, saisonal und biologisch aus. Früher wurde mit diesen Wörtern noch nicht geworben, wenn dann eher mit exotischen Produkten und Gerichten, etwa in der Spitzengastronomie. Eine der wenigen Ausnahmen war damals bereits das Gasthaus Floh.

Josef Floh führt das Haus in Langenlebarn (Bezirk Tulln) – das schon ein Jahrhundert in Familienbesitz ist – seit fast 30 Jahren. Und er ging gleich zu Beginn einen ungewöhnlichen Schritt: „Wir haben begonnen, vor 26, 27 Jahren, die Produzenten auf der Speisekarte anzuführen – mit Foto, um eben zu zeigen, wie sie heißen, wo sie herkommen. Das war damals, dezent gesagt, etwas verrückt.“

Mit dem Radius-66 wurde das auf ein neues Level gehoben: Alle Produkte sollen aus einem Umkreis von 66 Kilometern kommen. Bei einigen Zutaten geht das leicht – auf der Fahrt zum Floh sieht man etwa die Zuckerfabrik in Tulln – bei anderen hingegen muss man Ausnahmen machen. Dazu gehören Schokolade, Kaffee und Gewürze. „Da sind wir dann auch nicht naiv und glauben, dass der Pfeffer im Waldviertel wächst.“ Eingekauft wird dafür über österreichische Händler und nur bio-zertifizierte Produkte.

Vorspeise mit Spargel und Entfernungen der jeweiligen Produkte
ORF/Grafik
Woher kommt die Spargel-Vorspeise? Leindotteröl elf Kilometer (St. Andrä-Wördern), Spargel 16 Kilometer (Goldgeben), Blüten 45 Kilometer (Wien) und Kräuter 60 Meter – aus dem eigenen Kräutergarten

Lange kein Reis auf der Speisekarte

„Begonnen haben wir eigentlich mit 33 Kilometern, aber da sind wir kläglich gescheitert“, erzählt Josef Floh. Er hält wenig von strengen Regeln und Verboten: „Wenn ein toller Partner 71 Kilometer weit weg ist, machen wir’s auch. Das wichtigste am Radius-66 ist der persönliche Bezug, der Mensch dahinter, die persönliche Beziehung, wo er zu Hause ist, wie angebaut wird. Es soll nichts Dogmatisches sein.“

Mutter Erde

In einem Mutter-Erde-Schwerpunkt widmet sich der ORF in allen Medien von 17. bis 27. Mai den Zusammenhängen von Klima und Ernährung.

So wurde im Gasthaus etwa zehn Jahre lang kein Reis serviert. Erst als es im Burgenland im Seewinkel Reisanbau gab, kam er wieder auf die Speisekarte. Das zu essen und zu kaufen, was bei uns wächst, und so wenig wie möglich wegzuschmeißen, scheint selbstverständlich. Ein Blick auf die Zahlen einer WWF-Studie beweist, dass das in der Realität nicht gelebt wird. 522.000 Tonnen noch essbare Lebensmittel werden in Österreich jährlich von privaten Haushalten entsorgt. 171.000 Tonnen sind es in der Gastronomie.

Beim Floh wird ausschließlich Mehrweggebinde genützt, das habe den Müll um einiges reduziert. Und alles, was nicht sofort in der Küche verwendet wird, kommt ins Einmachglas. Einige tausend sind es jährlich, die sich dann in einem Lagerraum stapeln. „Rettich, Marmeladen, Äpfel, solche Sachen. Es ist eine gute Art, die Saison ins Glas zu bringen. Nur so können wir im Winter die Früchte aus dem Sommer nehmen und brauchen keine exotischen Früchte einkaufen“, sagt Floh.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Koch Josef Floh
ORF/Nina Pöchhacker
Bei unserem Besuch gab es noch keinen frischen Spargel aus einem Umkreis von 66 Kilometern – verwendet wird im Gasthaus deswegen der selbst eingelegte Spargel aus dem Vorjahr
Einmachglas mit Äpfeln
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Auch Äpfel kommen ins Einmachglas: Dadurch kann der Betrieb auch im Winter der 66-Radius-Regel treu bleiben
Lagerraum Einmachgläser
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Einige tausend Einmachgläser werden jährlich während des laufenden Betriebs abgefüllt

Komplette Produktverwertung

Gemüseschalen werden für Suppe, Gemüsefonds und Jus verwendet, das Grün von Karotte und Radieschen in Pesto und Soße. Fleisch wird als Ganzes verarbeitet, auch Innereien. Für Floh ist das „Respekt vor dem Produkt.“ Populär wurden diese Vorgehensweisen erst in den letzten Jahren als „Nose-to-tail“ und „Leaf-to-root“. Wie geht es einem damit, wenn der eigene Stil zum Trend erhoben wird? „Als es in der Pandemie hieß, die Gastro muss sich verändern, regionaler werden, schauen, wo die Lebensmittel herkommen, da musste ich schon schmunzeln. Wir machen das seit 20, 25 Jahren. Aber es ist natürlich eine gute Entwicklung.“

In einem normalen Supermarkt war er seit 15 Jahren nicht mehr. „Das man gute Lebensmittel einkauft, die bio und regional sind, das passiert nicht in fünf Minuten im Supermarkt. Man braucht viele Dinge direkt vom Bauern.“ Mit dem Bio-Anbau kennt sich der 52-Jährige mittlerweile aus, er wurde vor einigen Jahren zum Bio-Gemüsebauern: „Dass mir nicht einer sagen kann, das ist so schwierig oder das geht nicht.“ 85 Prozent der verwendeten Lebensmittel sind biologisch produziert.

„Da helfen auch die Hauben nicht“

Der Koch, der schneller ist als die Trends – was kommt nach regional, bio und saisonal? „Wohltuende Küche. Ich will das Wort Gesundheit nicht in den Mund nehmen, aber immer mehr Menschen spüren selbst, wenn sie wo essen und es ihnen nicht gut tut. Da helfen auch die Hauben nicht. Es geht um gute Lebensmittel, gut verarbeitet, in einem tollen Umfeld – das wird essenziell in der Zukunft.“

Fotostrecke mit 2 Bildern

Floh in Langenlebarn, Kräutergarten
ORF/Nina Pöchhacker
Der Bio-Kräuter- und Gemüsegarten hinter dem Lokal
Butter mit Schnittlauch
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Selbstversorgen kann sich ein Lokal dieser Größe damit nicht, aber einige Einkäufe (und damit auch Lieferungsmüll) bleiben erspart

Ständiges Weiterentwickeln und Erneuern zeichnen Josef Floh aus. So sei die 66-Radius-Regel auch beim Erstellen neuer Gerichte nicht einschränkend, sondern erfordere eben mehr Kreativität – und Zeit. Die ist heutzutage aber immer knapp. Bevor der Erfolg, die Preise und die Auszeichnungen kamen, sei das noch leichter gegangen. „Wir hatten früher Zeit, uns zu entwickeln. Die Gäste haben sich mitentwickelt, da gab es viel Kommunikation, warum wir das machen. Der Informationsaustausch war ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgs“, erzählt der 52-Jährige.

Auch auf die ursprüngliche Idee mit den Produzenten in der Speisekarte brachte ihn ein Gast: „Der hat gesagt, ich zitierte wörtlich: ‚Ihr scheißt da mit dem Wein herum, Lage, Riede, und so weiter. Ihr werdet es sehen, das wird mit den Lebensmitteln auch kommen.‘ Da hat es dann begonnen, dass wir aufgearbeitet haben, woher alles kommt, und vieles hinterfragt haben.“