EU Schwerpunkt Günther Sidl SPÖ Parlament
© European Union 2023 – Source : EP
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Politik

EU: Treffen mit Lobbyisten „sehr wichtig“

In der Diskussion um Pestizide in der Landwirtschaft fordert der EU-Abgeordnete Günther Sidl ökologische Alternativen. Seit 2019 ist der SPÖ-Politiker aus Petzenkirchen (Bezirk Melk) im EU-Parlament. Treffen mit Lobbyisten hält Sidl für „sehr wichtig“.

Der Zug ist für Günther Sidl seit vier Jahren nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Schlaf- und Arbeitsplatz. Denn seit dem Einzug ins EU-Parlament fährt der SPÖ-Politiker nur mit dem Zug nach Brüssel – etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch lehrreich, „weil ich sehe auch, dass das Eisenbahnwesen in keinster Weise europäisch, sondern immer noch national denkt“.

Verbesserungsbedarf sieht Sidl etwa bei den Einzeltickets, „die noch zu teuer sind“. Die Reisezeit von Wien nach Brüssel beträgt etwa 15 Stunden, oft fährt Sidl über Nacht, der Tagzug sei „wie ein Bürotag“. Dass er zwischen Wien, Brüssel und dem zweiten Standort des EU-Parlaments in Straßburg (Frankreich) den Zug nimmt, sei sein Beitrag zum Umweltschutz.

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ORF/Schwarzwald-Sailer
Zwischen Wien, Brüssel und Straßburg fährt Günther Sidl seit dem Einzug ins EU-Parlament nur mit dem Zug

Ökologische Pestizid-Alternativen

Immerhin ist Sidl im Ausschuss für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – dem größten Ausschuss im Parlament. Darin spricht sich der Mostviertler gegen Gentechnik aus und fordert in Bezug auf die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft neue Wege – gemeinsam mit den Landwirten: „Dafür brauchen wir echte, wirksame, ökologische Alternativen zu den bisher eingesetzten Pestiziden“ bzw. eine neue Forschungsstrategie.

Seit dem Vorjahr ist Sidl – als einziger Österreicher – auch im Coronavirus-Sonderausschuss. Ziel ist, Lehren aus der Pandemie zu ziehen, denn gerade zu Beginn sei Europa alles andere als solidarisch gewesen, „da hat eher Raubrittertum geherrscht“, etwa bei der Verteilung von Schutzausrüstung. Hilfsansuchen von Nationalstaaten wurden ignoriert. Umso dringender müsse man nun aus den Fehlern lernen, sagt Sidl.

Auf Katastrophe „nicht vorbereitet“

Aus Sicht des SPÖ-Politikers braucht es stärkere öffentliche Gesundheitssysteme – „die ersten, die damals zusammengebrochen sind, waren ausgedünnt und privatisierte Systeme“, eine Medizinproduktion in Europa und mehr Vorsorgedenken, gerade bei der Schutzausrüstung. Denn nach wie vor sei Europa auf eine große Katastrophe „nicht vorbereitet“. Bei diesen Themen stimmt sich Sidl regelmäßig mit den anderen SPÖ-Abgeordneten im Parlament ab.

Die EU im Blickpunkt

In einem EU-Schwerpunkt widmet sich der ORF NÖ von 22. bis 27. Mai in allen Medien der politischen Arbeit der Abgeordneten in Brüssel und den Gestaltungsmöglichkeiten der Regionen.

Im Wahlkampf 2019 trat Sidl für eine stärkere Sozialunion ein, „mit einer Wirtschafts- und Währungsunion gewinnt man nicht die Herzen der Menschen.“ In diesem Bereich sei bisher nicht so viel gelungen, räumt Sidl ein. Doch gerade jetzt müsse die EU Maßnahmen gegen die Teuerung setzen. Selbst forciert er den sozialen Aspekt, wenn es um Förderungen für Klimaschutzmaßnahmen geht, „weil eine PV-Anlage oder ein Heizungstausch für viele Menschen große Investitionen sind“.

Starke Regionen zum Klimaschutz

Als wirksame Maßnahme für den Klimaschutz sieht Sidl die Stärkung der Regionen, was er auch im Wahlkampf forderte. Anstatt die Menschen „schnellstmöglich in die Arbeit in die Städte zu bringen“, brauche es mehr Angebote in ländlichen Regionen, die Jobs, Kinderbetreuung und medizinische Versorgung abdecken. Damit könne man „Wege für den Klimaschutz verkürzen.“ Lebensmittel dürfen nicht quer durch Europa transportiert werden, sondern sollen dort verkauft werden, wo sie produziert werden.

2019: Günther Sidl auf dem Weg ins EU-Parlament

Im Wahlkampf forderte die SPÖ auch mehr Steuergerechtigkeit. Der Portier dürfe nicht mehr Steuern zahlen als der ganze Konzern. Dieses Thema „ist jetzt nicht direkt in meinen Ausschüssen“, sagt Sidl. Es gab dazu auch keine großen Reformen. Sidl nimmt hier die Mitgliedsstaaten in die Pflicht, die „sich schützend vor Konzerne stellen, die wirklich viel zu wenig Steuern zahlen, während jeder Bürger, jede Bürgerin einen Beitrag leisten muss“.

Die Suche nach der Mehrheit

Wie viel man als Abgeordneter überhaupt bewegen kann? „Vieles“, antwortet Sidl, „man kann nämlich Themen in Europa zum Thema machen“, das liege an den einzelnen Abgeordneten, wie seine Initiative für den Coronavirus-Sonderausschuss. In der EU gibt es keine klaren Regierungsmehrheiten wie in Österreich, für Anliegen muss man sich jeweils eine Mehrheit suchen. Parteifarben treten dabei oft in den Hintergrund. „Ich muss mit dem portugiesischen Kommunisten genauso eine Gesprächsbasis haben wie mit der konservativen Irin.“

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ORF/Schwarzwald-Sailer
Seit vier Jahren ist Günther Sidl im EU-Parlament, die Zusammenarbeit erfolgt dabei oft über Parteigrenzen hinweg

Über die verschiedenen Positionen werde zwar tagtäglich gerungen, manchmal auch gestritten – „das gehört in der Politik dazu“, am Ende geht es aber immer darum, „wie schaffen wir einen Kompromiss, wie können wir etwas vorwärtsbringen, getragen von einer breiten Basis.“ Über „das eine oder andere“ in der EU-Politik könne man durchaus diskutieren, generell würde das EU-Parlament aber „äußerst effektiv“ arbeiten.

Korruptionsskandal

Seit dem Vorjahr beschäftigt das Parlament jedenfalls ein Korruptionsskandal. Die griechische Parteikollegin von Sidl, Eva Kaili, soll Schmiergeldzahlungen angenommen. Sidl verurteilt das und sagt: „Ich handhabe das ganz klar, bei mir gibt es einen Termin, der hier im Haus stattfindet, ich gehe nicht essen, es ist im Beisein eines Mitarbeiters von mir, eine halbe Stunde.“ Jedes Treffen würde er auch auf seiner Homepage eintragen.

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ORF

Grundsätzlich seien Gespräche mit Lobbyisten aber wichtig für Politiker, betont der SPÖ-Abgeordnete, um zu hören, warum Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften und Unternehmen welche Meinungen vertreten. „Es gibt auch Themen, die man dann mitnimmt und sagt, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich glaube, das ist schon sehr wichtig.“

Mehr Europa im Landtag

Damit europäische Politik in Niederösterreich sichtbarer wird, wünscht sich Sidl eine Europa-Stunde im Landtag. Die Abgeordneten sollen dabei die Möglichkeit haben, aktuelle Themen bzw. ihre Standpunkte zu präsentieren und dann gemeinsam zu diskutieren. Bisher gibt es solch eine europapolitische Stunde im Landtag etwa in Kärnten. In Niederösterreich zeigen sich alle Parteien auf Nachfrage gesprächsbereit.

Bis zur EU-Wahl nächstes Jahr will Sidl noch mehr Investitionen in seltene Krankheiten erreichen, „die mehr Leute betrifft als man glaubt“. Sidl will hier noch mehr Druck auf die europäische Kommission ausüben, die für die Forschungsgelder verantwortlich ist.