Kühe auf einer Farm in Brasilien
Politik

Mercosur entzweit die Volkspartei

Das geplante Freihandelsabkommen Mercosur zwischen der EU und Südamerika sorgt innerhalb der ÖVP Niederösterreich für Kontroversen. Während der ÖVP-Flügel der Wirtschaftskammer für Mercosur wirbt, mobilisiert der Bauernbund dagegen.

Seit Juni 2019 liegt das Mercosur-Abkommen ausgehandelt in der Schublade, die EU-Mitgliedsstaaten müssen nur noch zustimmen. 91 Prozent der Zölle zwischen den EU-Ländern und Argentinien, Paraguay, Brasilien und Uruguay sollen fallen, die hohen EU-Standards bei Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit bleiben aufrecht, betont die Europäische Kommission.

EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans hoffte zuletzt auf einen Abschluss im Juli, bisher hat Österreich den Abschluss des Paktes blockiert – mehr dazu in EU will Mercosur-Pakt bald umsetzen, Österreich dagegen (news.ORF.at; 1.2.2023).

Auch innerhalb der ÖVP Niederösterreich sorgt Mercosur für andauernde Kontroversen. Die Wirtschaftskammer sprach kürzlich in einer Aussendung ihr „Unverständnis“ über das anhaltende österreichische Veto aus. „Die geopolitische Lage hat sich verändert. Europa braucht verlässliche Partnermärkte, um sich von russischer und chinesischer Abhängigkeit zu lösen, und Lateinamerika ist ein solcher Markt“, so der Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Wolfgang Ecker, zugleich Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes.

Wirtschaftskammer: Energiewende auf dem Spiel

In der Wirtschaftskammer knüpft man den Erfolg des Handelsabkommens gar an Erfolg oder Scheitern der Energiewende. „Ohne Abschluss wird es nicht genug Rohstoffe für Solarpanels und Windräder geben“, meint Wirtschaftskammer-Vizepräsident Christian Moser.

Für die heimischen Exportbetriebe sei der lateinamerikanische Markt ein großes Potenzial, so Ecker. Rund elf Prozent der österreichischen Mercosur-Exporte stammten 2021 aus Niederösterreich. Wichtige Exportgüter seien Arzneimittel, Chemikalien und Maschinen.

Bauernbund: Leere Supermarktregale drohen

Wenig Verständnis für die Mercosur-Werbung der Wirtschaftskammer kommt aus dem Bauernbund. Dort wurde unlängst davor gewarnt, der Import günstiger Lebensmittel wie Rindfleisch aus Lateinamerika könnte die heimischen Bauern vom Markt verdrängen. Das bedeute außerdem „für die Konsumenten noch mehr Unsicherheit, wo das konsumierte Fleisch eigentlich herkommt und wie es produziert wird, und nicht zuletzt den Verlust der Versorgungssicherheit für die gesamte Bevölkerung“, so Bauernbund-Obmann und Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Leere Supermarktregale seien eine mögliche Konsequenz, sollte Mercosur zustande kommen, so Pernkopf, der sich schon seit 2019 gegen das Abkommen ausspricht.

Bei der Wirtschaftskammer kann man diesen Befürchtungen wenig abgewinnen. Die Landwirtschaft gehöre durch den Abbau von Handelshemmnissen zu den größten Profiteuren von EU-Handelsabkommen, heißt es dort. Von der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Spanien im Juli erhofft sich die Wirtschaftskammer einen raschen Abschluss des Abkommens. „Diese Chance gilt es zu ergreifen, anstatt zu blockieren“, so Ecker: „Kein Abschluss bedeutet Stillstand statt Aufbruch.“

In der niederösterreichischen Landesregierung konnte sich offenbar der Mercosur-kritische Flügel der Volkspartei durchsetzen. Im Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ ist von einem „klaren Nein“ zu Mercosur die Rede.