Es war wohl die kurioseste Kür eines Parteivorsitzenden in der österreichischen Politik-Geschichte. An der Spitze der SPÖ steht – wie am Montag bekannt wurde – nun Andreas Babler statt des burgenländischen Landeshauptmannes Hans-Peter Doskozil.
Vom Rathaus in Traiskirchen in die SPÖ-Parteizentrale – das war Andreas Bablers Traum, den er nach dem SPÖ-Bundesparteitag am Samstag ad acta legen musste. Schon sein Antritt für den Parteivorsitz hatte viele überrascht. Nach einem Wahldebakel und falsch verlautbarten Ergebnissen hat sich Bablers Traum am Montag nun überraschend doch erfüllt.
Babler galt als Kritiker von Rendi-Wagner
Seit knapp einem Jahrzehnt ist der 50-Jährige der Bürgermeister der niederösterreichischen Kleinstadt Traiskirchen (Bezirk Baden), die das größte Asylwerber-Aufnahmezentrum Österreichs beherbergt. Mit einem dezitiert flüchtlingsfreundlichen Kurs erhält er bei der letzten Gemeinderatswahl 70 Prozent Zustimmung. Die politische Welt in Traiskirchen wurde ihm aber zunehmend zu klein.
Als Pamela Rendi-Wagner SPÖ-Parteichefin wurde, zeigte sich Andreas Babler mit ihrem Auftritt zunehmend unzufrieden. Seine Kritik wurde in den vergangenen Jahren allerdings weniger stark wahrgenommen als jene des burgenländischen Landeshauptmanns Doskozil. Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parteizentrale 2019 vor der Kündigung standen, forderte Babler Rücktritte: „Man hat jetzt echt die Konsequenzen zu ziehen: in der Parteiführung, an der Parteispitze. Wir müssen uns neu aufstellen.“
„Unbelastete“ Alternative zu Doskozil und Rendi-Wagner
Im Duell Doskozil gegen Rendi- Wagner titulierte sich Babler als unbelastete Alternative. Als dritter Bewerber für den Parteivorsitz tourte er durch Österreich, absolvierte mehr als 60 Veranstaltungen. Dort präsentierte er sich als Ideologe, mit legerer Sprache, in legerer Kleidung, gerne beim Volk.
Bablers Programm für den Vorsitz war breit. Er gilt als starke Stimme des linken Parteiflügels. Die Fixpunkte seiner Reden waren unter anderem die Forderungen nach einer Millionärssteuer, Kernpunkt war die Arbeitszeit-Verkürzung, für die Doskozil und Rendi-Wagner nicht eingetreten waren. Die Vier-Tage-Woche bzw. die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchzusetzen, sei Babler zufolge „gutes Recht“.
Doch auch einen milliardenschweren Klimaschwerpunkt würde er setzen wollen, das Land mit Gemeindebauten überziehen und die Vermögenden steuerlich stärker zur Kasse bitten. In der Flüchtlingspolitik blieb Babler zwar vage, aber wofür er grundsätzlich steht, kann man aus seiner Arbeit in Traiskirchen ableiten.
Aufregung um Marxismus und EU-Kritik
Babler, der sich vor der Befragung für ein paar Stunden als Marxist sah, will eine SPÖ, die weiter links steht, sich auf ihre Werte besinnt und weniger Kompromisse eingeht. Dass er damit oft Gehör fand, hängt nicht nur mit seinem Drang an die Öffentlichkeit zusammen. Ähnlich wie Doskozil hat er eine lokale Erfolgsgeschichte vorzuweisen, sogar eine unter schwierigeren Rahmenbedingungen.
Knapp vor dem Bundesparteitag für Kritik gesorgt hatten Bablers EU-kritische Aussagen, die aus dem Jahr 2020 aufgetaucht waren. In Videoaufnahmen nannte er die EU etwa das „aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat“. Die Union sei in der Doktrin „schlimmer als die NATO“. Für einen EU-Austritt warb der Bürgermeister nicht. Nach der Aufregung um die Videoausschnitte sagte Babler, seine Formulierung mag „überzogen“ gewesen sein, doch sollte man nicht „über semantische Spitzfindigkeiten“ diskutieren.
Babler, „der Arbeiter“
Auch mit seiner Herkunft kokettiert Babler gerne – als quasi Fleisch gewordener Roter. Der Vater bei der Semperit, er selbst gelernter Maschinenschlosser, Schichtarbeiter bei Vöslauer, dereinst wohnhaft in einer so genannten „Bettgeher-Wohnung“ – und von dort hochgearbeitet und studiert, mit Fleiß und stets begleitet von der Partei, in deren Sozialistischer Jugend er sich politisch sozialisierte, selbst dort am linken Rand.
„Es ist keine Schande wenn man aus einer Arbeiterfamilie kommt und für den Vorsitz der Sozialdemokratie kandidiert. Das ist eine große Auszeichnung“, sagte Babler in seinem Werben um Stimmen für den SPÖ-Parteivorsitz. Dieser Weg scheint Babler nun doch gelungen zu sein, allerdings mit dem Beigeschmack des Wahldebakels.