Illustration zu den Themen Trockenheit / Wetter / Dürre / Klimawandel. (23.3.2022)
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com
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Wissenschaft

Klimaziel-Versprechen für Forscher wenig glaubhaft

Aktuell steuert die Erde laut Studien – ohne Maßnahmen – bis 2100 auf ein Temperaturplus von 2,5 bis 3 Grad Celsius zu. Die Einhaltung weltweiter Versprechen zur Klimaneutralität könnte den Anstieg abfedern, Forscher aus Laxenburg halten diese aber für wenig glaubhaft.

Laut der aktuellen Entwicklungen rund um Treibhaus-Emissionen landet die Welt 2100 bei einem Durchschnittstemperatur-Plus von 2,5 bis drei Grad Celsius. Würden die Versprechen der Staaten in Richtung Klimaneutralität jedoch rigoros eingehalten, könnte eine Stabilisierung zwischen plus 1,5 und zwei Grad gelingen. Im Fachblatt „Science“ monieren die Forscher nun aber, dass um die 90 Prozent der Reduktionsansagen als nicht glaubwürdig angesehen werden müssen.

Die Unterschiede zwischen den Auswirkungen von Temperatursteigerungen in Richtung drei Grad und unter zwei Grad plus gegenüber dem vorindustriellen Niveau könnten kaum größer sein, schreibt das Team um Erstautor Joeri Rogelj vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (Bezirk Mödling). Im ersten Fall habe man es mit Steigerungen zu tun, wo die weitere Entwicklung der Menschheit klar gefährdet ist, im zweiten Fall wären die Auswirkungen potenziell zu managen.

Weichen für verschiedene „Welten“

Die Forscher sprechen von zwei verschiedenen „Welten“, für die jetzt die Weichen gestellt werden. Das sollte Politikern und der Bevölkerung klar sein, schreiben die Forscher. Alles steht und fällt diesbezüglich mit der Umsetzung der vielfach ambitionierten Vorhaben vieler Staaten, wie Expertinnen und Experten immer wieder betonen. Die Glaubwürdigkeit der politischen Ankündigungen sei aber bisher in Berechnungen zu Szenarien nicht eingegangen.

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Die Forscher fordern etwa verbindliche Vorgaben zur Reduktion von Emissionen

Das holt das Team um Rogelj in der aktuellen Arbeit nun nach: Die Forscher bewerteten darin, ob Staaten schon rechtlich bindende Reduktionsziele haben, ob diese bereits mit glaubwürdigen politischen Plänen zur Implementierung unterlegt sind und ob ein Land in seinen kurzfristigen politischen Maßnahmen auch schon merklich den Pfad in Richtung Emissionsreduktion einschlägt, schreiben die Wissenschafter. Das gelte etwa für die EU mit ihrer rechtlichen Basis zur Reduktion, ihrem „glaubhaften Implementierungsplan“ und der Prognose eines niedrigeren CO2-Ausstoßes im Jahr 2030 im Vergleich zu 2020.

Obwohl auch hinter den EU-Plänen bekanntlich sehr viele Fragezeichen stehen, seien die Zusagen von rund 90 Prozent der Länder als noch weniger glaubhaft anzusehen. In dem Szenario, in dem die Wissenschafter davon ausgingen, dass lediglich Länder mit den verlässlichsten Plänen und Zielen diese auch umsetzen, kommt es den Berechnungen zufolge immer noch zu einem wahrscheinlichen Temperatur-Plus von 2,4 Grad Celsius weltweit im Jahr 2100. Der Anstieg würde überdies auch danach weiter gehen. Unter diesen Annahmen würden die Klimaziele also bei weitem verpasst.

Plus 1,7 Grad möglich

Hielte man hingegen alle – auch die vielen nicht-glaubwürdigen – Reduktionsziele tatsächlich ein, sei zu erwarten, dass das Plus während des 21. Jahrhunderts 1,7 Grad nicht überschreitet und nach dem Jahr 2100 auch nicht weiter anwächst. Klar sei jedenfalls, dass unter den aktuellen Voraussetzungen mit großteils sehr vagen Umsetzungsplänen, nur „glaubhaft ist, dass man sich nicht auf dem richtigen Weg befindet“, schreiben die Forscher.

Die Gruppe betont dementsprechend, wie wichtig es wäre, dass Zusagen auch politisch bindend festgeschrieben und von konkreten und rasch ausrollbaren Kurz- und Langfrist-Umsetzungsplänen begleitet sind. Gelinge dies nicht auf nationalem und regionalem Niveau, bleiben die Risiken für ein starkes Überschießen der Klimaziele sehr hoch.