Fabien Gabel
Stéphane Bourgeois
Stéphane Bourgeois
Kultur

Tonkünstler bekommen neuen Chefdirigenten

Der Franzose Fabien Gabel wird neuer Chefdirigent des Niederösterreichischen Tonkünstler-Orchesters. Ab der Saison 2025/26 folgt er Yutaka Sado nach, der seit 2015 Chefdirigent ist. Am Dienstagvormittag unterzeichnete der 47-Jährige seinen Vertrag in Wien.

Gabel tritt sein Amt im Sommer 2025 an. Sein Vertrag hat eine Laufzeit von zunächst vier Jahren. Pro Saison wird er fünf symphonische Abonnementprogramme mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich dirigieren. Neben den Abonnementkonzerten in Wien und Niederösterreich wird Gabel mit den Tonkünstlern regelmäßig auch in speziellen Konzertformaten wie der Sommernachtsgala und bei Bühnenproduktionen in den beiden niederösterreichischen Hauptresidenzen des Orchesters, in Grafenegg (Bezirk Krems) und im Festspielhaus St. Pölten, zu erleben sein.

Die Entscheidung für Gabel als Nachfolger von Sado sei „das Ergebnis eines mehrjährigen intensiven Auswahlverfahrens und wurde in enger Abstimmung mit den Gremien des Orchesters getroffen“, wurde am Dienstag öffentlich im Palais Niederösterreich in Wien mitgeteilt. Dort fand auch die Vertragsunterzeichnung statt.

Tonkünstler Orchester Niederösterreich vor dem Wolkenturm in Grafenegg
Mark Glassner
Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich spielt ab 2025 unter dem designierten Chefdirigenten, der dann auch beim Grafenegg Festival zu sehen und hören sein wird

„Mit Fabien Gabel gewinnen wir einen Chefdirigenten, mit dem die künstlerische Weiterentwicklung des Tonkünstler-Orchesters gesichert ist. Über die Pflege unseres Standardrepertoires hinaus werden wir gemeinsam mit ihm neue programmatische Akzente setzen“, sagte Frank Druschel, Geschäftsführer des Tonkünstler-Orchesters. Sado werde dem Orchester „auch künftig verbunden bleiben“, hieß es.

Bereits mehrere Berührungspunkte mit Tonkünstlern

Sein Debüt bei den Tonkünstlern sowie im Musikverein Wien und im Festspielhaus St. Pölten gab Gabel im April 2019 unter anderem mit Erich Wolfgang Korngolds „Sinfonietta für Großes Orchester“. „Da habe ich zum ersten Mal gespürt, dass die Chemie stimmt. Das Orchester gab mir genau den Klang, den ich für dieses Stück haben wollte“, erinnert er sich.

Vertragsunterzeichnung Fabien Gabel
ORF/Berger
Am Dienstagvormittag unterzeichnete Gabel seinen Vertrag bei einer Pressekonferenz in Wien

Der 1975 in Paris geborene Gabel kehrt bereits seit mehreren Jahren in regelmäßigen Abständen zum Tonkünstler-Orchester Niederösterreich zurück und stand zuletzt im April beim umjubelten Osterkonzert in Grafenegg mit dem Oratorium „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy am Pult. Auch in der Konzertsaison 23/24 wird Gabel bei den Tonkünstlern gastieren. Nach seinem Debüt beim Grafenegg Festival 2020 übernimmt er im August 2024 erneut die Leitung eines Festivalkonzerts mit den Tonkünstlern. In der Sommerresidenz des Orchesters wird er bereits im Sommer 2025 als dessen Chefdirigent sowohl die Sommernachtsgala als auch die Festivaleröffnung leiten.

Französische Wurzeln werden sich niederschlagen

Gabel gilt „als einer der erfolgreichsten Dirigenten seiner Generation“, wurde er vom Tonkünstler-Orchester am Dienstag vorgestellt. Der neue Chefdirigent wurde für „seinen dynamischen Stil sowie seinen sorgfältigen Umgang mit der Partitur“ gelobt und ist für „seine eklektische Repertoireauswahl bekannt, die neben dem symphonischen Kernrepertoire und der Neuen Musik auch Werke weniger bekannter Komponistinnen und Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts einschließt“.

Fabien Gabel
Stéphane Bourgeois
Mit Gabel als Chefdirigenten steht den Tonkünstlern ein Generationenwechsel bevor

In seinen Konzertprogrammen will Gabel neben dem Stammrepertoire von der Klassik über die Romantik nicht zuletzt die Werke der Zweiten Wiener Schule um Arnold Schönberg, Anton Webern und Alban Berg berücksichtigen. Eine große Rolle spielt für ihn auch die Musik von Komponisten wie Franz Schreker, Alexander Zemlinsky, Erich Wolfgang Korngold und Joseph Marx, die an der Grenze zwischen Spätromantik und Moderne wirkten und deren Schaffen eng mit Wien verbunden ist.

Aber auch seine französischen Wurzeln will Gabel, dessen musikalische Laufbahn im Alter von sechs Jahren mit Trompetenunterricht in Paris begann, in seine Arbeit einfließen lassen. Werke französischer Komponisten von Hector Berlioz über Maurice Ravel und Claude Debussy bis zur klassischen französischen Moderne um Darius Milhaud und Francis Poulenc wurden als weiterer Schwerpunkt angekündigt.

Sein Augenmerk richtet der designierte Chefdirigent der Tonkünstler dabei auf die Verbindungen zwischen Wien und Frankreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Die österreichische Musikkultur, ihre Traditionen und ihre Avantgarde haben meine Zeit als junger Trompeter essenziell geprägt und sind in meiner Arbeit als Dirigent eine große Inspirationsquelle für mich“, so Gabel.

Yutaka Sado dirigiert die Tonkünstler
ORF/Roman Zach-Kiesling
Noch-Chefdirigent Sado wird dem Orchester verbunden bleiben, heißt es

Langjährige Tätigkeit zuletzt in Kanada

Gabel entstammt einer Musikerfamilie. Er begann im Alter von sechs Jahren mit dem Trompetenspiel und studierte am Conservatoire National Superieur de Musique de Paris und an der Hochschule für Musik Karlsruhe. Bevor er seine Karriere als Dirigent begann, spielte er bei verschiedenen Pariser Orchestern. Nachdem Gabel 2004 als Gewinner des Donatella-Flick-Dirigierwettbewerbs internationale Aufmerksamkeit erregt hatte, war er von 2004 bis 2006 Assistant Conductor des London Symphony Orchestra. Er war Chefdirigent des Orchestre symphonique de Quebec (2012 bis 2021) und Chefdirigent des Orchestre Francais des Jeunes (2017 bis 2021).

Regelmäßig steht er am Pult internationaler Spitzenorchester – darunter das London Philharmonic Orchestra, das Orchestre de Paris, das Gürzenich-Orchester Köln, das Oslo Philharmonic und das Helsinki Philharmonic Orchestra, das Cleveland und das Minnesota Orchestra, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und das City of Birmingham sowie das Seoul Philharmonic und das Melbourne Symphony Orchestra. Mit dem BBC Symphony Orchestra trat er bei den „BBC Proms“ auf. 2020 wurde er von der französischen Regierung zum „Chevaliers des Arts et des Lettres“ ernannt.