Tiny Feet St. Pölten
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Wissenschaft

Künstliche Befruchtung: Nachfrage steigt

2021 sind österreichweit 2.334 Babys mit Hilfe künstlicher Befruchtung gezeugt worden, das sind 2,7 Prozent aller Neugeborenen. In St. Pölten hat die Kinderwunschklinik Tiny Feet nun einen neuen Standort eröffnet. Das Angebot nutzen auch homosexuelle Paare.

Vor 45 Jahren passierte in England eine kleine Revolution, als das erste per In-vitro-Fertilisation (IVF) gezeugte Kind auf die Welt kam. „In vitro“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „im Glas“. Das Kind ist also nicht auf natürliche Weise entstanden, sondern mit den Mitteln moderner Medizin. Was damals eine medizinische Revolution war, ist heute nichts Ungewöhnliches mehr: 32 Kinderwunschkliniken gibt es derzeit in Österreich, vier davon in Niederösterreich.

Neben Wiener Neustadt, Baden und Tulln gibt es auch in St. Pölten eine Kinderwunschklinik. Im Mai hat der Betreiber Tiny Feet in der Landeshauptstadt einen neuen Standort in der Nähe des Universitätsklinikums eröffnet. Alle Kliniken sind privat, aber der Bund fördert unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 70 Prozent der anfallenden Kosten für die medizinische Behandlung ungewollter Unfruchtbarkeit. Pro Zyklus müssen die Patientinnen aber immer noch etwa 1.500 Euro bezahlen. Bis zu vier Zyklen, also vier Versuche, werden vom Bund finanziell unterstützt.

Jede vierte Frau hat unerfüllten Kinderwunsch

Jede vierte Frau hat laut der Österreichischen IVF-Gesellschaft einen unerfüllten Kinderwunsch. Die Gründe dafür sind vielfältig, sagt Rudolf Rathmanner, der bereits 2008 eine Kinderwunschklinik in Wiener Neustadt gründete. Unter anderem verschiebt sich die Familienplanung immer mehr in ein höheres Alter: „In den 70er und 80er Jahren sind die Frauen durchschnittlich mit 24 Jahren das erste Mal schwanger geworden. Jetzt sind wir bei ungefähr 30 Jahren“, so Rathmanner. Zudem nehme bei Männern die Spermienqualität mit steigendem Alter ab.

Labor Tiny Feet St. Pölten
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Laborleiterin Carina Knabb sorgt in der Kinderwunschklinik in St. Pölten dafür, dass sich die Eizellen bzw. die Embryonen unter optimalen Bedingungen entwickeln können

Zum Positiven gewendet habe sich in den vergangenen Jahren der Umgang mit ungewollter Kinderlosigkeit und Reproduktionsmedizin, sagt Rathmanner: „Für Paare mit Kinderwunsch war es früher sehr, sehr schwierig, nach außen zu gehen. Sie wollten nicht von Nachbarn und Nachbarinnen in der Ambulanz entdeckt werden. Heute ist der Umgang wesentlich offener und dadurch weniger belastend für die Paare.“

IVF auch für gleichgeschlechtliche Paare

Seit 2015 dürfen außerdem auch gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin nutzen. Bei Tiny Feet in St. Pölten seien etwa zehn Prozent aller Patientinnen homosexuell, sagt der medizinische Leiter, Andras Jaksics. „Wir haben nicht nur aus der Region Paare, sondern auch aus dem Ausland, vor allem aus Ungarn, aber auch aus Deutschland und der Schweiz. Leider ist in Ungarn die In-vitro-Fertilisation für lesbische Paare nicht erlaubt.“

2021 ließen 7.609 Paare mit Unterstützung des IVF‐Fonds 12.218 IVF‐Versuche durchführen. Bei 9.657 Versuchen fand ein Embryotransfer statt, der in 3.354 Fällen bzw. bei 34,7 Prozent zu einer Schwangerschaft führte. Die „Baby‐take‐home‐Rate“ pro Transfer lag im selben Jahr bei 27,6 Prozent. 2.561 Versuche wurden abgebrochen.

Die Zahl der IVF-Versuche ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 2020 waren es laut Statistik des IVF-Fonds 6.692 Paare, die 10.515 IVF-Versuche durchführen ließen, 2019 7.131 Paare mit 9.172 Versuchen. Die Zahlen für 2022 wurden noch nicht veröffentlicht.