Gericht

Ehefrau getötet: „Da hat mein Hirn auslassen“

Ein 65-Jähriger muss sich ab Dienstag am Landesgericht Wiener Neustadt wegen Mordes verantworten. Er soll vergangenen August in Oberwaltersdorf (Bezirk Baden) seine Ehefrau getötet haben. Das gab der Mann vor Gericht zu, bestritt aber den Vorwurf des Mordes.

„Ich habe meine Frau getötet. Durch die Kränkung und Demütigung hat es mir die Füße weggezogen“, sagte der Niederösterreicher zum Prozessauftakt Dienstagvormittag. Der Angeklagte soll die 57-Jährige am 24. August des Vorjahres in den Morgenstunden mit 15 wuchtigen Schlägen mit einem Spitzmeißel gegen den Kopf umgebracht haben, sagte die Staatsanwältin.

Nach einer Laufrunde sei der Angeklagte ins Schlafzimmer gegangen, um sich zu seiner Frau ins Bett zu legen. Sie hatte ihn laut seiner Aussage zurückgewiesen. Damit sie ihn nicht weinen höre, sei er aus dem Raum gegangen. Vom Ankleidezimmer habe er einen Meißel mitgenommen, der als Schutz vor Einbrechern seit Jahren dort versteckt war. Auf seine Worte „Du bist so ein undankbares Luder. Warum machst du das?“, habe die Frau erwidert: „Du bist selber schuld, du Egoist. Und jetzt geh und lass mich weiterschlafen.“

„Weggeschickt wie einen Hund“

Der Angeklagte berichtete vor Gericht unter Tränen: „Sie hat mich weggeschickt wie einen Hund. Da hat mein Hirn auslassen. Das war so eine Demütigung. Ich war nicht Herr meiner selbst.“ Mehrmals habe er daraufhin mit der Waffe auf den Hinterkopf der Frau eingeschlagen. Das Opfer starb an einem Schädel-Hirn-Trauma.

ABD0020_20230627 – WIENER NEUSTADT – …STERREICH: Der Angeklagte anl. eines Prozesses wegen Mordes gegen Mann, der im August 2022 seine Ehefrau in Oberwaltersdorf getštet haben soll am Dienstag, 27. Juni 2023, im Landesgericht St. Pšlten in Niederšsterreich. – FOTO: APA/SOPHIA KILLINGER
APA/Sophia Killinger
Der Angeklagte gab vor Gericht zu, seine Frau getötet zu haben, bestritt aber den Vorwurf des Mordes

Nach der Tat hatte der Mann die Katzenklappe aufgeschnitten und damit laut Verteidiger Michael Dohr „stümperhaft einen Einbruch fingiert“. Weil das Einfamilienhaus von Kameras umgeben war, hatte der Angeklagte einen Kurzschluss verursacht und war eine Runde mit dem Hund spazieren gegangen. In der Folge hatte er auf dem Weg zum Einkaufen die Tatwaffe in einem Windschutzgürtel entsorgt.

„Ich habe alles zerstört“

Nach seiner Rückkehr hatte er den Notruf gewählt und vorgegeben, er habe seine Frau tot aufgefunden. „Ich habe mich mehr als stümperhaft benommen bei dieser Tat“, resümierte der 65-Jährige: „Ich war mein ganzes Leben so ein rechtschaffener Mensch. Ich habe alles zerstört.“ Er war zunächst als Zeuge vernommen, aber wenig später festgenommen worden.

Bei der Kriminalpolizei und vor der Haftrichterin soll der Pensionist sinngemäß behauptet haben, dass ein unbekannter Einbrecher seine Frau umgebracht habe. Dem Angeklagten wird deshalb auch angelastet, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung wissentlich vorgetäuscht zu haben. Zu diesem Vorwurf bekannte sich der 65-Jährige schuldig.

Smartwatch wurde Angeklagtem zum Verhängnis

Er sei zu feige gewesen, die Tötung zu gestehen, sagte der Angeklagte: „Ich habe geglaubt, ich kann durch dieses Lügengerüst die Tat verschleiern.“ Er entschuldigte sich vor Gericht auch dafür, dass er die Zuständigen im Zuge der Ermittlungen „so vorsätzlich angelogen“ habe. Daten auf der Uhr des Mannes sollen Ermittler auf die Spur des Verdächtigen gebracht haben – mehr dazu in Frau getötet: Ehemann gesteht (noe.ORF.at; 13.10.2022).

Verteidiger Michael Dohr sprach von einer „Spontantat aufgrund eines Gefühlsausbruchs“. „Es gibt absolut kein Motiv, warum er das getan hat“, betonte der Rechtsanwalt. Das vermögende Paar war laut Dohr seit 18 Jahren zusammen, davon 16 Jahre verheiratet. Die beiden „haben ein schönes Leben gehabt und es ist ihnen wirklich gut gegangen“, sagte der Rechtsanwalt.

Polizei Mord Oberwaltersdorf Ermittlungen
Monatsrevue/Thomas Lenger
Zur Bluttat kam es im August 2022 im Einfamilienhaus der Familie in Oberwaltersdorf

Das Haus und weitere Vermögenswerte waren auf die Frau überschrieben, in den Testamenten des Paares war jeweils der Partner als Alleinerbe bestimmt. Er habe genug Pension, „ich brauchte kein Geld“, betonte der 65-Jährige zur Frage nach einem möglichen Motiv.

Vorzeigeehe

Der Angeklagte sprach von einer Vorzeigeehe zu Beginn. 2022 sei seine Frau oft spät heimgekommen und habe nicht mehr so oft gekocht, „ich habe mich vernachlässigt gefühlt“. Wenn er etwas erwidert habe, „ist die Stimmung noch explosiver geworden“. Ein Dorn im Auge sei ihm die Freundschaft der 57-Jährigen mit einer Nachbarin gewesen. Die beiden Ehepartner hatten einander immer wieder Briefe geschrieben. In einer Nachricht des späteren Opfers vom August 2022 war zu lesen: „Es geht mir gar nicht gut, du merkst es nicht einmal. Du bist so ein Egoist.“

Die Persönlichkeit seiner Frau habe sich mit einer Krebserkrankung verändert, sagte der 65-Jährige. „Vielleicht war ich zu wenig empathisch, das kann schon sein“, räumte er ein, er habe aber immer wieder das Gespräch gesucht. Als „Demütigung“ und „Provokation“ hatte er etwa empfunden, dass seine Frau im August den im Haus befindlichen Revolver versteckt hatte – mit den Worten „es ist zu unser beider Sicherheit“.

Scheidungsberatung unter falschem Namen

Das spätere Opfer soll unter falschem Namen einen Beratungstermin für eine Scheidung gemacht, die Codes für die Videoüberwachung geändert und einen Arbeitsplatz gesucht haben. Davon will der Angeklagte erst nach dem Tod seiner Frau erfahren haben. Mehrere Fragen der Staatsanwältin drehten sich rund um einen möglichen Plan für die Tat, diesen bestritt der Angeklagte.

Die 38 Zentimeter lange und 800 Gramm schwere Tatwaffe wurde am 11. September entdeckt, am 13. Oktober legte der bisher unbescholtene Niederösterreicher ein Geständnis ab. Von dem Fund habe er damals nichts gewusst, erklärte der 65-Jährige.

Erneut Pulsuhr im Fokus

Zur Tat sei es „durch eine plötzliche Kränkung“ gekommen, sagte Dohr. „Es gibt meines Erachtens nach einen objektiven Beweis, dass diese Tat niemals geplant war“, erklärte der Verteidiger. Laut Pulsuhr hatte der Angeklagte wenige Minuten zuvor eine Pulsfrequenz von 66. Um 7.01 Uhr hatte der Wert 190 betragen, 47 Minuten später noch 109.

Die Befragung des Beschuldigten sollte bis in die Abendstunden andauern. Geplant war auch die Erörterung von Gutachten. Der Geschworenenprozess geht am Donnerstag mit Zeugenbefragungen weiter.